Kategorie: Reise

Unterwegs

  • Es geht los

    Ich hab noch 2 Tage, um Philia seefest zu machen, die letzten Leinen anzubringen, kurz alles herzurichten. Immerhin wird der Start ein recht plötzlicher werden. Um 7:30 kommt die Kranmannschaft, um 8 rollen sie Philia zum Kran. So gegen ½ 9 sollte ich das Kranbecken bereits verlassen.

    Das Problem dabei? Es geht nicht los, wenn ich fertig bin, sondern wenn die es sagen. Und so sollte es in der Seefahrt eigentlich nicht sein. Also muss ich schon in diesen Tagen alles so herrichten, dass ich jederzeit aufstehen und losfahren könnte. Nicht so einfach, ein Schiff von „bewohnter Baustelle“ auf „Seefahrt“ umzustellen 😉 und gleichzeitig noch Arbeiten am Schiff zu verrichten.

    Alles bereit zum Ablegen – oder so ähnlich

    Aber zum Glück hab ich ja meine To-Do Listen, und so wird eines nach dem anderen abgearbeitet: Die ganzen Hilfsleinen wieder anbringen, die uns das Leben so erleichtern. Aber, wie war das nocheinmal? Ich finde in den Backskisten lauter Bündel unterschiedlicher Leinen, Umlenkrollen und Schäkel vor, kann mich noch erinnern, dass die rote Leine der Bullenstander war und die schwarz-weiße für die Holepunktverstellung. Nachdenken, ausprobieren – ah so war das, geht doch!

    Und gleichzeitig ist da noch so ein ungeliebteres Stück der Langfahrt: Das Abschiednehmen. Es sind lauter Gleichgesinnte, die sich gegenseitig vertraut sind, die denselben Traum haben, aber sich trotzdem wahrscheinlich nie wieder sehen.

    Da ist zum Beispiel Rosie (GB) und Jochem (NL) mit ihren reizenden Kindern Orda (5) und Sebastian (3). Die arbeiten nun schon seit Juni an ihrer MERLIN, die ein grundlegendes Refit benötigte, um dann auf große Fahrt zu gehen. Parallel dazu haben sie sich liebevoll um ihre Kinder gekümmert. Die beiden sind quirlige Feuerköpfe. Das Gesicht voller Sommersprossen, rötliche Haare, bei Sebastian zusätzlich noch gelockt. Und bei dem auch noch den Schalk in den Augen …

    Oder Barbara und Stefan, die wir auf Milos getroffen haben. Von ihnen haben wir viel gelernt, gemeinsam vor einem Starkwind Schutz gesucht und dann noch ganz an der Südspitze von Anti Paros einen weiteren tollen Abend verbracht. Kurz vor meiner Abreise haben wir sie noch einmal in Wien in einem urigen Beisel getroffen und nun sind sie eine Woche hier gewesen. Vielleicht sehen wir sie Ende August, wenn unsere Schiffe aus dem Wasser kommen werden.

    Oder Christos und seinen Nadja. Die sind nicht nur „Handwerker“ sondern ein zentraler Knotenpunkt zwischen meinen Bedürfnissen und allen anderen Handwerkern. Nur mit ihnen war es möglich, den schon im Herbst ins Auge gefassten Starttermin 1. April auch zu schaffen. War nicht immer einfach, war oft sehr lustig. Zum Schluss wollte er dann von mir Ideen haben, wie er seinen Betrieb besser organisieren kann. Ein echtes Vertrauensverhältnis. Die Beiden werde ich sicherlich wieder treffen, auch wenn ich dann (hoffentlich) keine so intensive Zusammenarbeit mehr brauche.

    Ich schau halt immer wieder, ob meine letzten Anstriche eh gut austrocknen – machen sie. Montag um 7 Uhr in der Früh werde ich sie abschleifen. Um 8 soll PHILIA wieder nass werden.

    Ich bin gespannt, was alles funktioniert, oder auch nicht funktioniert.

  • Copper Coat

    An jedem Schiffsrumpf reisen alle möglichen blinde Passagiere mit. Algen, Kalkwürmer, Seepocken. Die bremsen ein Schiff deutlich ab, bis hin zur Unfahrbarkeit. Diesen Bewuchs muss man also verhindern, und da gibt es eine ganze Industrie, die Dir dabei hilft. Immer verbunden mit chemischem Zeugs, dass noch dazu alle 1 bis 2 Saisonen erneuert werden muss. Das kostet nicht nur Geld für die Chemie, sondern auch etliche Stunden Arbeit. Eigentlich was, auf das man gerne verzichten würde.

    Ich bin da schon vor langer Zeit über einen anderen Ansatz gestolpert: Was die Wasserorganismen nicht wollen, sind die Abbauprodukte von Kupfer. Zersetzen tut sich das Kupfer im Salzwasser. Nun kam jemand auf die Idee, Kupferpulver in Epoxydharz einzubetten und diese Paste auf ein Schiff zu streichen – hat funktioniert. Und so was will ich jetzt auch – heißt eben Copper Coat. Kostet 3mal mehr als eine normale Farbe, verspricht aber 10 bis 15 Jahre Haltbarkeit, und damit rechnet sich die Investition schnell wieder.

    Mein Freund Christos macht auch das, also bekommt er den Auftrag dafür. Zuerst wird das Schiff von allen Lackschichten befreit, so dass der Rumpf schön weiß wird. Ist halt eine riesige Sauerei, denn das sind vor allem die Chemikalien gegen den Bewuchs. Aber es gibt ja Arbeitsschutz und Absaugungen – doch nicht in Griechenland. Der Absaugstutzen am Schwingschleifer gibt nur die Richtung an, in die der Staub wegfliegt. Damit das Gewand nicht völlig versaut, kommt ein dünner Lackieroverall drüber. Auf die Haare kommt der Hoody vom Sweater, um den Mund bestenfalls ein dünnes Tuch. Fertig ist der Arbeitsschutz.

    Dass das nicht gesund ist, haben selbst die Griechen begriffen. Darum machen sie den Job auch nicht selbst, sondern sie halten sich dafür einen Albaner. Der steht dann den ganzen Winter rund um die Schiffe und schleift sie ab. Nach kaum einer Stunde könnte man ihn für einen Afrikaner halten. Xund ist das wirklich nicht!

    Eigentlich wollte / sollte Christos PHILIA Anstreichen bevor ich am 20. März in die Werft kommen. Aber – wie so oft, es gibt Verzögerungen: Das Wetter passt nicht, das Personal ist nicht da, … Aber auch: „Don’t worry, Jörg, we will do that“. Na dann?!

    Als ich ankomme, ist das Schiff so, wie es schon seit Ende November da steht, weiß mit Fleckerln. Nun denn, ab in das Büro von Christos. Zur Überraschung sitzt da eine Dame, Natalja. Die ist zwar Athenerin, war aber 10 Jahre in Spanien als Uniprofessorin, kann 6 Sprachen fliesend und „I hate the way the Greeks are working”. Also hat sie sich aufgemacht, die Organisation der Firma zu verbessern. Zum Beispiel mit Excel Sheets in denen alle zugesagten und erledigten Arbeiten stehen, mit Zeitschätzungen für den Aufwand. Die Griechen mögen das gar nicht! Nimmt es ihnen halt auch die Freiheit, heute etwas weniger zu tun, weil jemand gerade so eine tolle Geschichte zu erzählen hat – und davon gibt es viele. Immerhin arbeiten die ganzen Spezialisten auf den verschiedensten Werften und da gibt es dann immer was zu erzählen, wenn man wieder bei Christos vorbeikommt.

    Der erste Anstrich. 4 weitere werden heute noch folgen

    Wenn es zeitlich aber eng wird, vielleicht sogar der Eigner vor der Tür steht, dann ist höchste Priorität angesagt, um das Baby rechtzeitig ins Wasser zu bringen. Ist das dann geschafft, sind auch die Griechen geschafft und machen einmal – Pause!

    So rutscht halt auch meine Malerei auf den allerletzten möglichen Termin – und dann geht es rasch. Innerhalb von 4 Stunden sind 5 Schichten vom Copper Coat aufgetragen. Ich bin zum Leidwesen der Arbeiter mit dabei – sub auspizis, so zu sagen. Jetzt muss das Zeug mindestens 48 h aushärten, bevor das Schiff angehoben werden kann. Immerhin sind alle Unterstützungsstellen, 5 x am Rumpf und die Unterseite des Kiels noch unbehandelt.

    Ist doch hübsch geworden.

    Und das Wetter ist mit mir: Es nieselt einmal nur ganz kurz, der Anstrich soll in den ersten 48 h nicht nass werden. In den beiden folgenden Tagen heizt die Sonne kräftig ein, bis knapp an die 30° hab ich gemessen – Ende März!! Jedenfalls ist das Zeug ausgehärtet und kann von mir angeschliffen werden. 4 Stunden werkle ich herum, aber mit einer guten Staubschutzmaske. Trotzdem stürze ich mich nach getanener Arbeit sofort unter die Dusche. Dort steht dann das Kupfer in der Duschwanne, das zuvor an mir geklebt hat.

    Gerade rechtzeitig bin ich fertig, denn da kommt schon die Mannschaft mit dem Trailer, um Philia hoch zu nehmen. Der Trailer ist so ein ganz besonderes Stück Technik: Eigentlich ist es „nur“ ein 2-Achs Anhänger an einem Unimog. Aber, der kann sich hydraulisch in 9 Richtungen verändern und damit perfekt an das Schiff anpassen. Der hebt die Philia an, so dass die Stützen weggenommen werden können und der Kiel in der Luft schwebt. Für die nächsten Tage bleibt das so.

    Copper Coat: der letzte Akt. Nur mehr das Anschleifen fehlt

    Sofort macht sich Christos und seine Crew auf, die letzten Stellen zu schleifen, aber gerade die Kielunterseite ist trotz allem nur sehr mühsam zu erreichen. Kaum 20 cm sind Platz zwischen Kiel und Boden. Noch während da geschliffen wird, beginne ich die vorbereiteten Stellen auch schon zu streichen. Immerhin sollen da 5 Schichten drauf.

    Erst um ½ 10 in der Nacht bin ich dann fertig. Also auch körperlich, nach diesem Tag.

  • A lot to do

    Eigentlich hab ich nur eine einzige Aufgabe: Die 3-seitige To-Do Liste abarbeiten. Drum kommen die sofort auf die Klotüre, damit ich sie immer im Auge habe – außen natürlich. Das Klo ist ja nicht benützbar. Einerseits stehen noch die Segeln und das Schlauchboot drinnen, andererseits – naja, es fehlt halt das Wasser. Aber es gibt ja einen Sanitärkontainer hier in der Werft. Nicht wirklich toll, aber ausreichend.

    Also, was steht da so alles drauf:
    Qualitätskontrolle bei allen durchgeführten Arbeiten. Aber da ist bis auf die neue Maststufe noch gar nichts fertig.
    Segelsetzten – damit die aus dem Klo rauskommen. Geht aber nicht, weil ja der David, der Rigger, noch nicht fertig ist. Außerdem haben sich 2 Seile die ich dazu brauch ganz blöd im Mast verhakt. Jetzt muss David hinaufsteigen. Hätte er sich sparen können, hätte er im Jänner die 2 Seile einfach gespannt. So hatte es der Wind lustig mit ihnen

    Und dann sind da Arbeiten für mich drauf:

    Die elektrischen Leitungen, die vom Mast kommen, sind noch nicht verbunden. Ein paar schon, aber die anderen 4 muss ich noch einfädeln: Die müssen durch die Maststütze im Salon bis unter den Boden geführt werden. Der hat aber nur zwei ganz kleine Öffnungen. Also zuerst ein Kabel herausziehen und dabei gleich zwei neue einziehen. Die Übung glückt!
    Dann müssen die unter Bodenbrettern durch, die kann ich aber nur 4 cm anheben. Also eine Fummelei. Dann durch ein Rohr in einer Bodenversteifung bis hinter die Salonbank. Dann wird es einfach, denn die Kabelstrecke ist gut einsehbar.

    Man glaubt gar nicht, wie viel Kabellänge da drauf geht. Für die Funkantenne an der Mastspitze, die ist 13,20 m über dem Deck, habe ich vorsichtshalber 25 m Kabel gekauft. 1 Meter ist übriggeblieben!!

    Jetzt hab ich lauter neue Kabel im Mast, einiger der alten waren schon echt verrottet –  nach 22 Jahren kein Wunder. Jetzt haben wir zusätzlich eine Deckbeleuchtung. Das ist praktisch, wenn man in der Nacht den Anker kontrolliert oder was wegräumen muss. Und dann gibt es erstmals eine Beleuchtung für den Windanzeiger. Der ist sonst nämlich in der Nacht nicht sichtbar – was beim Segeln echt dumm ist.

    Dann wurde der Rumpf poliert, der war schon recht stumpf geworden. Die Maschine ist schwer und der Rumpf recht hoch. Selbst wenn ich mir ein fahrbares Gestell „besorgt“ hab – nix für das Arbeitsinspektorat – ist es doch recht anstrengend.

    Dann ist mir aufgefallen, dass im Kettenkasten, die Ankerkette immer im Salzwasser liegt, weil die Entwässerungsöffnung höher liegt als der Boden des Kettenkastens. Warum man das so macht, ist mir ein Rätsel. Ich hab mir von Pantelis (der Mann, der die Maststufe gemacht hat) die beiden Flüssigkeiten für PU-Schaum geholt. Er hatte von einem anderen Job gerade was übrig.

    Den Ankerkasten hab ich mit einem Plastiksack ausgelegt und einen schönen, dicken Polster geschäumt. Sobald der hart war, hab ich ihn heraus gezogen und in der Höhe zugeschnitten. Damit der von der Kette nicht kaputt geht, kommen dann noch vier Lagen dicke Glasfasern und Epoxydharz drauf. Pantelis will mir noch eine Gummimatte geben, dann ist alles gut.

    Was nicht gut ist, ist die Tiefe vom Ankerkasten. Wenn ich am Deck am Bauch liege und in der Hüfte schon nach unten knicke, dann komme ich gerade auf den Boden des Kastens. Um nicht ganz hineinzufallen, verhake ich mich mit einem Fuß in der Reeling. Und in dieser Lage beginnt man dann, präzise zu arbeiten, Matten mit flüssigem Harz zu tränken und das Harz mit einem Pinsel einzumassieren. Was war ich froh, wie ich den Kopf zum letzten Mal aus dem Ankerkasten gezogen habe. Jetzt muss das Zeug aushärten, was bei den Temperaturen sicherlich länger dauern wird. Dann noch die Entwässerungsöffnungen wieder frei machen – fertig. Ich hoffe, dass mir das die Ankerkette durch ein längeres Leben danken wird.

    Wenn es mit der Arbeit grad nicht mehr weiter geht, besuche ich Rosi, Joachem und ihre beiden Kinder. Sie arbeiten seit Juni an ihrem „neuen“ Schiff und wollen nach der langen Zeit in der Werft so wie ich am 1. April los – mal sehen, für uns beide.

    Auch andere Segler sind schon wieder da, bereiten ihre Schiffe für die Saison vor. Hektisch ist es nur bei den Schiffen der Vercharterer. Einige starten mit Ostern in die neue Saison, anderer haben noch ein paar Wochen. Dann aber sollen rund 250 Schiffe die Werft verlassen haben – es gibt noch was zu tun.

    Ach ja, zu tun. Bei mir auch. Da braucht es noch Vorbereitung für das Unterwasser. Dann soll da ein besonderer Anstrich drauf, der nicht ganz einfach zu verarbeiten ist. Der Motor braucht noch Liebe und einen neuen Thermostat – ich hoffe, dass die lästigen Alarme damit der Vergangenheit angehören. Und dann sind da noch die 1000 Kleinigkeiten, bis das Schiff wieder am Wasser sein kann.

    Ich bin gespannt, wie die Übung gelingt.

    PS.: Christos, der hier alles managt und beim Anstrich mithelfen wollte, ist gestern mit Bauchschmerzen ins Spital. Nicht gut für ihn, vielleicht auch nicht gut für mich. Wir werden sehen.

  • Ab in den Süden

    Wann immer möglich, mach man es sich nicht leicht im Leben! Wann ich nach Griechenland will, stand schon lange fest, was sich davor alles auf der To-Do Liste angesammelt hat ist aber beträchtlich:

    Plötzlich und ungeplant steht ein Fenstertausch im Schlafzimmer an – am Freitag  von 8 bis ½ 4. Sofort danach sausen wir zu einem Chorwochenende, dass bis Sonntag um 4 dauert. Und von dort geht es zu einem Abend mit Freunden. Schön, sehr lustig, aber halt auch nicht entspannend. Dann wünscht sich die beste Ehefrau von allen, dass noch vor der Abreise, also innerhalb von 2 Tagen, der gesamte Holzboden geölt und poliert wird. Geht eh schnell, wenn die Zimmer schon ausgeräumt wären – sind sie aber nicht.

    Zum Drüberstreuen gibt es dann noch 2 Arzttermine, Geld von der Bank holen (nur zwischen 9 und 13 Uhr gibt es bei der BAWAG Bares), eine letzte Gesangsstunde bei Anna und noch einen wichtigen Freundschaftsdienst am Dienstag Abend. Ach ja, zusammenpacken muss ich auch noch. Genau 30 kg Freigepäck und ein Handgepäckstück für „unter den Sitz“ hab ich gekauft, also noch einmal 8 kg dazu. Ob da alles dabei ist, was ich in dem Jahr brauche? Und, was ist denn schon am Schiff? Sicher werde ich was vergessen – so ist es dann auch.

    Egal, um 04:40 steht das Taxi vor der Tür und bringt mich zum Flughafen. Im Security Check bin ich wieder einmal auffällig. Diesmal nicht als „Zufallsopfer“ sondern weil meine Morsetaste ein massiver Eisenblock ist. So, und dann erkläre einmal den Securities, was eine Morsetaste ist …
    Naja, jedenfalls hab ich keine Sprengstoffspuren an den Händen, am Gürtel, am Rucksack, am Handy und an der Morsetaste. Auch eine schöne Erkenntnis.

    Geflogen wird weil es nötig ist und nicht viel kostet – Ryan Air, Sklaventreiber der Lüfte. Ja, Flugzeuge kommen immer an und sind zumeist einigermaßen pünktlich. Die Sitze der Holzklasse fühlen sich tatsächlich so an. Das nächste Mal nehm ich mir einen kleinen Sitzpolster mit, der Po schmerzt schon nach 10 min. Das Unterhaltungsprogramm ist der verzweifelte Versuch der Crew, Jahrmarktsartikel zu verscherbeln. „Das Lieblings Parfüm des Stewards – heute besonders günstig“. Ich muss einmal fragen, ob die Gurkenhobel auch haben.

    Was mich erstaunt war, dass wir beim „Eismann“ vorbei schauen, also zum Enteisen fahren. Es war offensichtlich ungewöhnlich kalt in der Nacht. Susi berichtet von Eisblumen auf den neuen Fenstern – allerdings außen.

    In Nord Mazedonien überfliegen wie die noch immer schneebedeckten Berge. OK, man kann schon die Zungen der Schmelzwasserbäche im Schnee erkennen, aber immerhin liegt Schnee – und ich fahr ans Meer zum Segeln. Ist doch verrückt!

    Nett finde ich, dass ich kurz danach einen Blick auf die Bucht von Thessaloniki erhaschen kann. Wenn ich mich richtig orientiert habe, konnte ich sogar die Mole des Nautic Clubs von Kalamata erkennen. Der Platz, wo wir die PHILIA gefunden haben. Irgendwie schließt sich da ein Kreis, auch wenn wir bisher nicht wieder nach Thessaloniki geschafft haben.

    Bald ist unter uns wieder ein Wolkenmeer, in das sich das Flugzeug langsam hinein senkt. Darunter: Die Großstadt Athen, Regenschauer und Wind – und ich fahr zum Segeln?!? Egal, mit einem Leihauto bin ich 2 Stunden später in Agii Theodori bei PHILIA. Der Rumpf ist abgeschliffen und weiß, der Mast steht wieder drauf, innen ist alles OK, trotz der Arbeiten an Motor und Antrieb.

    Warten auf den Frühling

    Was nun beginnt ist das, was im Herbst beendet wurde: Arbeitsplanung. Dazu brauche ich Christos – und bekomme Natalia. Natalia ist die neue Flamme von Christos, ist Griechin aus Athen, hat 20 Jahre in Spanien gelebt und hat die unzuverlässige Art der Griechen, zumindest hier in der Werft, echt satt- sagt sie. Selbst ist die Frau: Arbeitsorganisation ist angesagt: Excell-Sheets mit allen zugesagten Aufgaben und dem Einwasserungstermin des jeweiligen Schiffes. Sogar mit Zeitabschätzungen für die Arbeitsdauer. Ein großer Schritt in die Zukunft. Bisher war alles auf Zuruf. Wer am lautesten schreit gewinnt. Wenn das Wetter „schlecht“ ist, steht der Laden einfach – sehr entspannt. Wird halt alles nur in der letzten Minute fertig, oder ein paar Tage später.

    Und dann taucht Christos auf: Was ist noch zu tun, wann kann man das erledigen, wie passen die Arbeiten zusammen. Dauert halt fast den ganzen Nachmittag, bis der Plan steht – aber immerhin: wir haben einen Plan. Wetten würde ich jetzt keine abschließen, dass ich am 1. April von da wegkomme, aber es ist durchaus möglich – wenn, ja wenn: Das Wetter mitspielt (es muss trocken und nicht zu kalt sein), die Griechen alle Zeit haben, die Grundierung rechtzeitig trocknet und wir am Freitag PHILIA rechtfrüh auf den Trailer heben können.

    Der Trailer, ein Anhänger mit großen hydraulischen Hebestempeln, ist die einzige Möglichkeit, an die Unterseite des Kiels zu kommen. Leider ist der Trailer aber sehr begehrt und beim Einwassern der Yachten fast ständig im Einsatz. Bekommen wir den erst am Freitag zu Mittag, dann wird es schon wieder eng für die Malerei: Abschleifen der zugänglichen Stellen (1 Stunde), Auftrag der Farbe, antrocknen lassen, nächste Schicht, antrocknen lassen … (zusammen 6 Stunden). Na, da wird es schon richtig finster hier in der Gegend. Ich muss einmal schauen, wo mein LED-Baustrahler hingekommen ist. Der sollte noch irgendwo im Schiff sein.

    Wirklich geschafft habe ich heute nichts. Strom angeschlossen, ein paar Vakuumsäcke ausgepackt (da sind die Textilien drinnen, die hier überwintert haben), einen Teil meiner mitgebrachten Sachen am Tisch aufgetürmt – verräumen will ich sie erst morgen. Für heute reicht es mir.

    Mal sehen, was wirklich alles gelingt.

  • Copper Coat – der Plan

    Fehlt nur noch das Copper Coat, aber das ist so eine Sache:

    Coppercoat ist eine Antifouling Beschichtung für den Rumpf. Sie ist eine Mischung von Epoxydharz und Kupfer (1 kg Harz, 2 kg Kupfer). Das Kupfer oxidiert im Wasser und die Wasserorganismen mögen die Kupferionen nicht. Einfach und eigentlich genial.

    Aber: Vor dem Anmalen muss der Rumpf bis auf das Gelcoat (weiße Außenhaut) geschliffen werden. Bei 40m² Fläche, zu Teil überkopf, keine lustige Arbeit. Die überlasse ich lieber den Griechen, auch wenn das gar nicht wenig kostet. Ein Mann ist da gut eine Woche beschäftigt! Weil das aber so staubt und der Staub nicht gerade gesundheitsförderlich ist, geben die Griechen den Job an einen Albaner weiter. Der ist über das verdiente Geld glücklich und Arbeitschutz ist bei ihm noch nicht angekommen. Absaugung, Filtermasken – Fehlanzeige!

    So steht der Rumpf über den Winter, dass das Material austrocknen kann. Nun sollte er „nur“ noch mit viel Wasser gewaschen werden. Zur Sicherheit bekommt er auch noch eine Abreibung mit Isopropylalkohol – damit auch kleinste Fettspuren von Fingerabdrücken abgewaschen werden.

    Das Auftragen von Copper Coat ist eigentlich einfach: Die beiden Flaschen Epoxydharz in einem kleinen Kübel mischen und dann 2 kg Kupferpulver dazu rühren. Diese Mischung dann zügig mit einem Roller am Rumpf auftragen. Immer schön dünn, damit das Zeug nicht herunter rinnt. Dafür aber 5 Mal und das in eine Abstand von je 1 Stunde. Das heißt im Endeffekt, dass 2 Personen 5 Stunden lang Farbe aufrollen, und eine 3. Person ständig im Kübel rührt, damit sich das Kupfer nicht absetzt.

    Danach darf der Anstrich aber 48 h nicht im Regen stehen, sonst wäscht er sich wieder ab – womit die ganze Aktion umsonst wäre, also vergeblich, den teuer ist das Zeugs schon. Nach den 48 h sollte der Anstrich fest sein.

    Jetzt sind aber noch die Stellen, an denen das Schiff gestützt wurde, noch nicht gestrichen. Also das Schiff anders stützen, schleifen, waschen, malen. Und dann das ganze Schiff mit 400er Sandpapier abschleifen, damit die Kupferpartikel frei liegen und nicht unter einer Schicht Harz. So wären sie nämlich völlig unwirksam.

    Die ganze Geschichte habe ich an Christos delegiert. Immerhin hatte er den ganzen Winter Zeit dafür. Aber auch keine Lust das zu machen. Also steht das Schiff 15 Tage vor dem zu Wasserlassen immer noch mit nacktem Rumpf da. Wenn ich mir aber überlege, dass das Malen und Trocknen und Schleifen zusammen 7 ganze Tage dauert, habe ich Bedenken, dass die Arbeit rechtzeitig fertig wird.

    Aber immerhin: Christos wurde lebend in der Werft gesehen und er weiß von dem Thema. Ich bin gespannt, was ich in 8 Tage in der Werft vorfinden werde.

  • Ab in die Werft

    Ich hab noch einen Tag, um Philia auf die Werft vorzubereiten. Um 10, nein gegen Mittag, nein lieber doch erst um ½ 5 kommt Daniel, der Rigger der Werft vorbei. Sollte er auf den Mast müssen, ist es einfacher, wenn das Schiff dabei schwimmt. Ich will das Rigg, also den Mast und alle Drahtseile die ihn halten, erneuern lassen. Das ist seit 21 Jahren nicht geschehen und wäre eigentlich an der Zeit.

    Daniel kommt, sieht, diskutiert, misst, macht mit mir einen Plan. Am liebsten würde er den Mast gleich übermorgen vom Schiff heben lassen. Keine Ahnung warum er es so eilig hat. Jedenfalls reicht ihm der Besuch, um zum einen zu sehen, dass der Mast und der Baum ganz gut in Ordnung sind – ist schon einmal erfreulich. Ein neuer Mast kommt so auf 20 bis 25.000 € und das will ich nicht investieren. Muss ich auch nicht – gut so.

    In der Früh um ¼ 7 mache ich die Philia für ihre letzte Fahrt in diesem Jahr bereit. Es ist noch recht dunkel, daher zumindest mit den Navigationslichtern. Immerhin fahren wir eine betriebsame Raffinerie entlang, an denen Anlagen große Tankschiffe be- und entladen werden. Ich fahr da mitten durch, ich will ja auch was sehen. Was ich noch nicht hatte war, dass selbst die 6 Bojen, an denen die Tanker festgemacht werden ein AIS Signal aussenden – ist aber sehr hilfreich, wenn man sie sucht, oder eben auch nicht sucht.

    Der große hängt an 6 Bojen und holt sich mit dem Kran den Entladeschlauch an Bord

    Vor der Werft heißt es erst einmal warten. Da ist noch kein Betrieb. Ein Schiff, Carpe Diem, hat seitlich angelegt, ich trödle frei schwimmend herum. Als es für die Carpe Diem dann los geht, ruf man mir zu, doch an der Boje festzumachen. Mach ich, aber eher halbherzig. Ich fasse mir die dicke Leine und binde die einfach an die Heckklampe. Bei dem Wind und bei kleiner Crew, geht das auch.

    Das richtige Wetter für ein Saisonende

    Nach einer halben Stunde bin ich dann dran, werden in die Kranbox gewunken. Die erscheint mir ungewöhnlich eng, ist auch nur für Monohull Schiffe geeignet. Katamarane passen da nicht her. Schon bald ist Philia mit 3 Leinen fest gemacht und ein Brett zu mir auf das Schiff gelegt. So kann ich problemlos aussteigen und mich dem griechischen Papierkram hingeben.

    Aus, vorbei! Die Leinen gehören schon der Werft

    Despina, wie auch sonst heißen die Griechinnen, checkt mich ein und sucht nach einem passenden Stellplatz für Philia. Das ist gar nicht so einfach: Insgesamt werden hier 450 Schiffe geparkt. Je nach dem, wann sie im Frühjahr wieder ins Wasser kommen, und natürlich wann sie angekommen sind, stehen sie weiter hintern oder weiter vorne. Dann kommt noch dazu, dass bei manchen Schiffen Arbeiten verrichtet werden. Bei Philia soll der Mast herunter und dann wieder hinauf. Beide Male muss ein LKW Kran nahe an Philia heran kommen können. Und dann ist es auch noch die Frage, wann diese Arbeiten ausgeführt werden sollen. Jetzt gleich, in ein paar Monaten, kurz vor der Abreise … Ein ganz schönes Puzzle Spiel so ein Werftaufenthalt.

    Hauruck und raus aus dem Wasser

    Es wird aber ein Platz für Philia gefunden, sie wird gekrant, gewaschen und auf einen hydraulischen Wagen umgesetzt. Der kann auf sehr engem Raum die Schiffe bewegen und ist im Schiffeschlichten viel besser als der Kran. Zum Schluss ist mein Nachbarboot, die Carpe Diem von vorhin, keine 60 cm von mir entfernt.

    Umsetzen auf den Trailer und dann einschlichten

    Dann bekomme ich noch eine Leiter ans Heck und das Schiff gehört wieder mir. Ach ja, Strom und Wasser brauch ich auch noch. Das gibt es aber bei den einzelnen Steckern und Wasserhähnen abzuholen. Alles easy.

    Was nicht so einfach ist, ist die diversen Arbeiten zu vergeben und zu koordinieren. Zunächst kenne ich nur Christos, den Chef von Microyachts. Und Christos kennt eine Menge Handwerker, die bei Bedarf für ihn arbeiten, aber ihm nicht „gehören“. Die sind also da, wenn es ihnen passt und arbeiten auf 4 Werften gleichzeitig. Wen brauche ich also:

    Daniel den Rigger: der soll den Mast legen, ihn pflegen und alle Drahtseile erneuern

    Den Elektriker: Der muss sich um die Kabel im Mast kümmern

    Pantelis der GFK-Mann: Die Maststufe ist etwas weich geworden und muss verstärkt werden

    Den Edelstahl-Mann: Den braucht Pantelis für die Platte, die er unter den Mast einbauen will. Darum kümmert sich aber Pantelis. Der weiß aber auch, dass der Edelstahlmann derzeit recht ausgelastet ist.

    Diese vier sollten aber zusammenarbeiten, damit der Mast in 4 Wochen wieder steht.

    Dann brauch ich noch den Motor-Menschen, denn mein Wellenlager ist ausgeschlagen und die Propellerwelle wird gleich mit getauscht. Das kann er aber unabhängig machen.

    Christos und seine Helferlein sollen den Rumpf, konkret das Unterwasserschiff abschleifen und ein neues Antifowing aufbauen. Alleine die Anstriche dauern 3 Wochen – zumindest!

    Und zum Schluss kommt dann Pantelis wieder ins Spiel und wird mir die schönen Zierstreifen erneuern

    Statt eines one stop shopping, ich erkläre einem was ich will und der bringt dann alle Profis zusammen, muss ich hier jedem einzeln nachlaufen! Zum Glück hab ich mir 8 Tage Zeit genommen, bevor ich nach Hause fahre – und gut war das. Denn ich brauch wirklich alle 8 Tage, bis ich mit all diesen Kerlen gesprochen und ihnen erklärt hab, was ich brauch. Alle haben sie versprochen, dass das alles „kein Problem“ sein wird. Na, ich bin gespannt. Auf jeden Fall bin ich 10 Tage vor meiner Abfahrt, geplant ist der 1. April, wieder in der Werft, um falls nötig Druck zu machen.

    In den 8 Tagen hatte ich aber auch Zeit, ein paar andere Segler hier in der Werft kennen zu lernen. Zumindest die die länger da sind, haben alle das Ziel viele Arbeiten selbst zu erledigen und dann viel Zeit am Wasser zu sein. Ott und Piävi mit ihrer Nauticat aus Schweden, Anuschka aus Freilassing mit ihrer Hallberg Rassy 28 (ist die süß! – Das Schiffchen natürlich), die deutsche Crew der Marvin, die ich schon aus Epidauros kenne oder Rosi und Jochen mit ihren Kinder Oda und Sebastian, die mit viel Energie versuchen ihr neues 15 m Schiff aufs Wasser zu bringen. Ursprünglich sollte das im Juli sein. Jetzt wären sie über Ende Februar froh.

    Ich bin gespannt, wie sich das bei mir alles aus geht.

    Am 2. November wir die Philia zugesperrt und zugedeckt. Den Schlüssel bekommt Christos, dafür fährt er mich dann auf den Bahnhof zum Zug auf den Flughafen.

    Wir versprechen uns noch, den Kontakt zu halten, damit ich weiß, was mit Philia alles geschieht – oder auch nicht geschieht.

    Ich bin jedenfalls gespannt!