In der Früh können wir uns aus der Mama Mia Bucht kaum losreißen – im wahrsten Sinn des Wortes. Als wir gegen 10 den Anker heben wollen, geht das nicht. Wie sein kleiner Bruder vom Dinghi, will er einfach nicht herauf. Blöd nur, dass es hier 14 m tief ist und da kann ich nicht einmal nachsehen, was da unten los ist! Für immer gefangen? Naja, für die ersten 4 Wochen hätten wir ja noch Wasser und Lebensmittel. Es gäbe schlimmeres als hier zu sein.
Was kann man tun? Mehr Kette runter lassen? In eine andere Richtung ziehen? Wir probieren das mit dem Ziehen. Kräftig retour, Gas geben. Das Schiff vibriert und bricht plötzlich um 90° nach links aus. War das nur der Radeffekt, oder hat sich die Kette von einem Stein gelöst. Vorsichtig probieren, ob die Kette jetzt nach oben kommt. Sie kommt! Glück gehabt.
Langsam tuckern wir aus der Bucht, es müssen ja noch 120 Fotos von der Küste geschossen werden 😊. Wir nützen den langsam abflauenden Wind, um noch Strecke zu machen. Natürlich ist der Wind genau auf die Nase, aber wir können ja aufkreuzen und das macht sogar Spaß. Bis halt der Wind dann ganz weg ist, dann ist wieder motoren angesagt. Sind wenigstens die Batterien wieder alle gut gefüllt.
An der Nordecke von Skopelos steht ein malerischer Leuchtturm. Wunderschön hin gebaut, aber keine Idee, wie da ein Leuchtturmwärter hinkäme. Es gibt zwar eine Stromleitung durch den Wald und einen Weg, der dem Hang entlangführt, doch der endet irgendwann im Gebüsch. Heute sind die Leuchtfeuer automatisiert, aber früher war das sicher kein leichtes Leben an so ausgesetzten Punkten.
Wir wollen aber weiter. Susi hat entdeckt, dass es da einen Strand gibt, der ganz besonders schön sein soll. Natürlich auch das ein Mamma Mia Drehort – und jetzt eine gewaltige Touristenrösterei. Ob ich das wirklich brauch? Kurz davor, gleich nach dem Ort Neo Klima, sind ein paar Strände, die zwischen Felsen geschmiegt sind. Davor türkisgrünes Wasser, dahinter hohe Pinienwälder und die Felsen dazwischen sind wunderbar marmoriert. Die Ausflugsschiffe und Motorboote werden wohl bald wieder abfahren und so werfen wir unseren Anker in sicherer Entfernung zum Ufer.
Herrlich ist es hier. Wie immer warmes Wasser, wenige Wellen, Ruhe. Auch die anderen Besucher machen kaum Lärm. Passt so. Später gesellt sich eine zweite Yacht zu uns. Eine Schweizer Ovni 395, wie wir später erfahren. Wir treffen das Seglerpaar nämlich später am Strand. Ihren Hund, einen Boarder Collie Mischling haben sie mitgebracht. Ein sehr freundliches und schon gut erzogenes Tier. Ich kann mir aber trotzdem nicht vorstellen, einen Hund auf ein Schiff mitzunehmen, auch wenn das die Schweizer auch bei einer zweijährigen Reise samt Atlantiküberquerung so gemacht haben. Die Gesprächsrunde wird kurzerhand in das Wasser verlegt. Der Hund bleibt draußen, oder er schwimmt hin und her. Nett mit den Leuten zu plaudern. Nach einer Stunde rudern wir wieder unsere Wege.
Der Abend war wieder den Sternen und Sternschnuppen gewidmet.
Man gönnt sich ja sonst nichts.
Bis zur Sonne sind es 8 Lichtminuten – Skopelos liegt kurz davor
Aus gut informierten Kreisen wissen wir, dass der Film Mamma Mia in den Sporaden, besonders in Skopelos gedreht wurde. Auch schon wieder 25 Jahre her! Da müssen also schöne Plätze sein. Nachdem hier in Steli Vala alles gesehen ist, viel war ja nicht da, beschließen wir zu Mittag nach Skopelos weiter zu fahren. Susi möchte die „Mamma Mia – Kirche sehen. Also eigentlich heißt sie „Agios Ioannis Kastri“, aber das kann man sich eh nicht merken.
In Steli Vala hat das Kommen und Gehen der Yachten schon voll eingesetzt und wir sind schon in der Phase, wo das Kommen wollen deutlich stärker ist als das Gehen. Wir sind schon wirklich spät dran und einige andere Schiffe liegen schon auf Lauer. Auf unseren Platz warten eine schwarze Motoryacht. Wir haben uns, also die Schwarzen und wir, auf einen Platzwechsel verständigt. Eigentlich ist alles klar. Bis eine blaue Motoryacht unsere Vorbereitungen entdeckt.
In solchen Situationen werden von den Yachties alle guten Benimmregeln vergessen. Da wird Gas gegeben, gedrängt und gequetscht, dass es eine Freude ist. Die beiden, also die Schwarzen und die Blauen beginnen also ihr Ritterspiel um unseren Platz. Ist so ähnlich wie ein Brunftkampf von Hirschen. Ein Stück vor, drohend aufbauen, den anderen anschnauzen, abdrängen. Letztlich stehen sie genau über unserer Ankerkette und wir können also auch nicht weg. Wir wollen aber!
Also greife ich zu unserer goldenen Geheimwaffe: Das Signalhorn. Das glänzende Messingteil an die Lippen gesetzt, tief Luft holen und ein durchdringender Ton erfüllt die Szenerie. Gut so, denn die Blauen und die Schwarzen machen uns den Weg frei. Wir geben also Gas, um aus der Lücke zu kommen. Ich hole die Heckleinen ein, Susi bedient den Anker. Ja, wir haben das mit dem Anker wirklich sehr gründlich gemacht. 50 m Kette liegen quer durch den schmalen Hafen. Was solls, er hat sicher gehalten und niemanden behindert.
Dann sind wir frei, fahren ein Stück hinaus und kümmern uns nun um unser Dinghi, dass noch am Heck hochgezogen und befestigt werden muss. Ein wenig Wind hat eingesetzt, schwach aber nutzbar, und so schleichen wir mit kaum 4 kt Fahrt der Westspitze von Alonyssos entgegen. Dort ist aber Schluss mit Lustig. Bei der Fahrtrichtung können wir den kaum vorhandenen Wind nicht nützen und schalten den Motor ein.
Aber auch so gibt es viel zu sehen. Da steht auf einem riesigen Felsen, viel mehr ist diese Insel Agios Georgios Skopelou heißt sie, nicht. Ein einziges Haus finden wir drauf. Wir können eine Seilbahn vom Ufer zum Haus erkennen. Was dort aber wer tun sollte, bleibt ein Rätsel. Vielleicht hat das Militär „böse Buben“ dort hin verbannt, die dann aufpassen müssen, dass keine anderen „bösen Buben“ die Insel besetzen können.
Kurz darauf kommen wir am Hafen von Skopelos vorbei. Der ist das Epizentrum des Mamma Mia Hypes. Täglich gibt es Schiffsfahrten zu den Drehorten, mit vielen Fans und lauter Musik – Abba, eh klar. Oder das Freiluft Kino: 3-mal pro Woche Mamma Mia, so dass auch niemand die Chance verpasst den Film ein weiteres Mal zu sehen. Schnell weg, denn das wollen wir so nicht.
Aus der Richtung, aus der wir kommen, ist die Kirche kaum zu sehen. Wir sehen zuerst ankernde Yachten, was uns eh ganz recht ist. Wir fahren in die Bucht und suchen einen Platz. Rund herum sind Felsen ins Wasser gestürzt. Der Boden wird wohl auch den einen oder anderen Felsen für uns bereithalten. Einfach einmal probieren. Der Anker hält aber einwandfrei. So steht einer Exkursion nichts mehr im Wege.
Zuerst aber der Blick auf das Geschehen: Touristen kommen mit allen erdenklichen Vehikeln die steile Straße herab in die Bucht: Moped, Quad, Auto, Bus – alles. Und so wie sie sind, beginnen sie den Aufstieg. Also zur Not auch im knappen Bikini und mit Flipflops. Ob die wissen, worauf sie sich einlassen?
Halbschuh-Touristen 2.0
Der Höhenunterschied ist knapp 100 m auf 200 Stufen, die in eine nahezu senkrechte Felswand geschlagen wurden. An manchen Stellen ist der Pfad kaum 50 cm breit und nur mit einem Geländer gegen Absturz gesichert – in Flipflops!! Egal, alle müssen da rauf, alle. Große, kleine, alte, junge, selbst Hunde werden hinauf geschleppt.
Mit Gegenverkehr!
Wie kann es anders sein: Noch von Philia aus fällt unser Blick auf eine Braut im langen weißen Kleid und dem dazugehörigen Bräutigam. Ob sie es bis ganz hinaufgeschafft haben, wissen wir nicht. Herunter kamen sie aber unbeschadet.
Fast schon kitschig. Sie war aber nicht von uns bestellt!
Wir sind also an Land gerudert und haben das Dinghi seemännisch vertäut: Ein Seil zu einem Felsen am Ufer, und am Heck den kleinen Dinghi Anker im Wasser versenkt. So schaukelt das Gummiboot im Wasser, ohne an Felsen zu reiben. Ist doch gut so, oder?
Der Aufstieg auf den Felsen ist schon sehr beeindruckend. Es ist ein eigentlich schief stehender Basaltfelsen, der je nach Stelle anders geschichtet und gefärbt ist. Das allein ist schon schön. Der Blick nach unten zahlt sich aber auch aus. Nicht nur dass wir sehen, dass es Philia gut geht, es ist auch das Wasser, dass in allen erdenklichen Grüntönen schimmert.
Irgendwie ist an dem Felsblock alles schief
Oben angekommen befindet man sich auf einem kleinen Plateau mit einigen Ölbäumen, einem kleinen untypischen, weil braun angemalten Kirchlein und daneben ein Wohngebäude – oder war das einmal ein Restaurant? Das Kirchlein selbst ist halt eine griechische Kirche und hat mit dem Film rein gar nichts zu tun.
Der Blick in alle Richtungen ist aber spektakulär. Wieder finden wir einen Baum, an dem Besucher ihre Haargummis befestigt haben. Ist das eine Bitte um ein gesundes Leben, oder um lange Haare? Wir wissen es nicht! Jedenfalls charmanter als die Schlösser, die man an manchen Brücken findet.
Mit Glocke und Haargummi. Warum? Keine Ahnung
Wieder unten angekommen finden wir den Felsen umso beeindruckender. Nun ist aber der Rückweg zu Philia angesagt. Leichter gesagt als getan: der kleine Anker hat sich in den Felsen verklemmt. Da hilft kein Rucken und Zucken, da hilft nur eins: Ausziehen und runter tauchen. Ob das ein Zeichen ist?
Den Abend verbringen wir an Deck: Der Mond scheint noch nicht, außer ein paar Straßenlaternen und den Ankerlichtern von 5 Schiffen gibt es kein störendes Licht. Was es da an Sternen uns Sternschnuppen zu sehen gibt – unglaublich!
So was kann man nur genießen. Fotografieren geht nicht, das Schiff ist ja ständig in Bewegung.
Ein Selfie wie früher: Selbstauslöser! Muss auch einmal sein.
Der Meeresnationalpark wurde zum Schutz der Mönchsrobben eingerichtet, nicht nur, aber auch. Davon gibt es kaum mehr als 400 Tiere – im gesamten Mittelmeer! Natürlich wollten wie über die Tiere genaueres wissen, oder sie vielleicht sogar sehen. Wo könnte man das besser tun, als in der Pflegestation für verletzte Robben. Das soll sich in Steli Vala befinden. So steht es zumindest in unserem nautischen Führer.
Ist ja nicht weit weg, so an die 15 Meilen, und in die richtige Richtung ist das auch noch. Also los, das machen wir. Zuerst unter Motor aus der Bucht, dann, da kein Wind weiter mit Lärm. Soll sein, werden wenigstens die Batterien gefüllt. Später, kurz vor Alonissos können wir Segel setzten und fahren mit gut 5 kt auf deine Inseldurchfahrt zu. 500 m breit und wir wollen genau die Mitte treffen. Aber der Wind fordert uns heraus:
Je nach Lust und Laune bläst er einmal genau von der Seite mit 16 kt, was uns auf unglaubliche 7 kt beschleunigt. Nur um dann für die nächsten zwei Minuten völlig einzuschlafen. Dann vielleicht wieder kurz genau auf die Nase, nicht stark, aber immerhin so, dass die Segel einfallen. Und dann wieder ein Sprint über ein paar hundert Meter. Aufreibend ist das! Noch dazu, wo jeder Windstoß die Abdrift verändert (Prinzipiell fährt ein Segelschiff nicht dort hin, wohin der Bug zeigt), also ständig nachkorrigiert werden muss. Das sieht dann zeitweise so aus, als ob wir suizidal an die Felsen krachen wollten. Wollten wir natürlich nicht!
Aber es ist gut gegangen, und schneller als erwartet haben wir Steli Vala erreicht. Der „Hafen“ ist eine kleine schmale Bucht. Die Schiffe stehen zumeist mit dem Bug an der Mole, das Heck mit dem Heckanker fest gehalten. Oder auch wie gewohnt mit dem Heck zur Mole. Das hat aber das Risiko, dass man sich das Ruderbatt am schnell ansteigenden Untergrund beschädigen kann.
Was tun? Schau ma amal, dann sehen wir schon! Was wir sehen, sind Yachen die größer sind als wir und mit dem Heck zur Mole stehen. Dann sollte sich das für uns auch ausgehen. Wir haben halt mit dem Manöver nur ganz wenig Erfahrung. Ob wir das nur zu zweit gut hinbekommen?
Nun denn, frisch ans Werk. Beiboot vom Heck ins Wasser lassen und seitlich so an die Philia binden, dass es beim Manöver nicht stört. Zwei lange Leinen am Heck vorbereiten und den Anker fertig machen. Die Breite der Bucht voll ausnützen, und ordentlich Schmackes in der Retourfahrt. Der Wind erfordert das, sonst treiben wir an der gewünschten Lücke vorbei. Anker runter, das macht Susi, nicht zu schnell fahren, das mach ich – immerhin muss ja die Ankerkette auslaufen – aber doch so schnell, dass Philia steuerbar bleibt und nicht dem Wind folgt.
Naja, der erste Versuch war nicht so gut. In dem Moment, wo unser Heck in die Lücke kommt, brechen wir ab. Anker wieder rauf. Nachdenken, was wir anders machen werden und ein beherzter zweiter Anlauf. Jetzt passt es besser. Ich treffe kontrolliert in die „Parklücke“ und der Bootsnachbar steht auf der Mole bereit, um unsere Leinen zu übernehmen. Ich schiele also gleichzeitig zu Susi, auf unser Heck, auf die beiden Nachbarboote und – und das ist neu – auch in das Wasser, um flache Stellen und Felsen die da lauern zu erkennen. So stoppe ich das Boot in Wurfweite der Leinen ab und gebe tüchtig Gas nach vorn, um den Felsen nicht zu nahe zu kommen. Irgendwie gelingt es, die Leine wieder zu mir zurückzubekommen und sie am Boot zu belegen. Dann kann Susi die Ankerkette herzhaft spannen. Angekommen, aber noch nicht fest. Doch dazu haben wir jetzt eine Menge Zeit.
Zum Größenvergleich ein paar Fische dazu. Es waren wirklich kaum 40 cm Wasser unter dem Ruderblatt
Später sehe ich mir die Situation unter Wasser an. Den einen Felsen habe ich erkannt und vermieden, gut so. Und das Ruderblatt schwebt 40 bis 50 cm über dem Grund, auch gut. Also nicht sehr schön aber OK. Jetzt ist halt der Abstand zum Ufer zu weit, um unsere Pasarella (Laufbrett) zum Ufer zu legen. Aber unser Beiboot wird einfach zur Seilfähre und das geht dann ganz prima.
So, wir haben uns ein Mittagessen verdient, und beginnen dann gleich mit der Suche nach den Mönchsrobben, die da ja irgendwo sein sollten. Sollten, sind aber nicht. Die Station wurde vor 23 (!!) Jahren in einen Ort abgesiedelt, der vom Land aus kaum erreichbar ist. Steht halt noch nicht im Handbuch ☹ So wird das nix mit unserer Begeisterung für Tiere aller Art. Wirklich schade! Dafür entdecken wir, dass wir als Zechpreller im Nationalpark unterwegs waren. Na, die haben uns ja auch nichts gezeigt – passt also wieder. Leider kann ich Dir nun auch keine Bilder der Mönchsrobben zeigen. Musst halt im Internet nachschauen, zum Beispiel da: Mönchsrobben – Wikipedia
Ohne die Robben aber trotzdem ganz entspannt ziehen wir am nächsten Tag weiter. Irgendwas sensationelles ist sicher schon hinter der nächsten Ecke versteckt.
Augen auf – schauen!
Übrigens: Es kam hier niemand auf die Idee, irgendwelche Hafengebühren von uns zu verlangen. Ist doch toll, oder? Und das Wasser haben wir bei einem Restaurant geschnorrt.
Zeit ist egal. Wir haben uns gestern in die Bucht Planitis auf Kyra Panagias zurückgezogen und jeden Kontakt zur Außenwelt verloren. GSM Netz gibt es hier nicht, damit weder Telefon noch Datenverbindungen. Wer braucht das schon, wenn es hier so wunderschön und geschützt ist.
Wir befinden uns also im „Nichts“. Und was könnte man da am besten tun? Genau, Nichts! Wir üben uns also im nichts tun. Gelegentlich ins warme Wasser steigen, in der Sonne oder im Schatten liegen, was lesen . Einfach nichts tun. Zeit verrinnen lassen, Gedanken nachhängen, Falken oder Ziegen beobachten. Vielleicht auch einmal die Fische füttern oder dem Kolkrabenpaar nachsehen. Oder wir schauen am Abend den Sterne zu, spannendes Programm!
Durch die ausgesetzte Lage, die nächste bewohnte Nachbarinsel ist 12 Meilen entfernt, nach Osten sogar 60 Meilen, gibt es hier kaum künstliches Licht. Ein optimaler Platz, um den Sternenhimmel zu beobachten. Wir legen uns also am Abend in unseren bequemen Decksesseln und schauen was da so passiert. Flugzeuge, Satelliten, einzelne und dank Elon Musk auch Mini-Internet Satelliten in einer Kette von 40 Stück (wer braucht das?).
Und dann das, worauf besonders Susi gewartet hat: Sternschnuppen. Nicht nur eine – viele. Der Perseiden Schauer zeigt sich, aber auch Sternschnuppen aus anderen Richtungen verglühen über uns. Schön ist es da im Nichts. Nur dass wir niemanden daran teilhaben lassen können, ist etwas schade.
So ganz gelingt uns das nicht tun aber noch nicht. Susi will unbedingt die Nachricht an die Familie los werden, dass es uns gut geht. Kann man machen, ist aber beschwerlich: 1. Dinghi an Deck aufblasen 2. Dinghi ins Wasser lassen 3. Mit dem Dinghi durch die Bucht rudern, um zum Haus der Fischer zu kommen 4. Anlegen ohne das Schauchboot zu zerstören 5. Einen Abhang ohne wirklichem Weg hinauf steigen 6. Dann hoffen einen Punkt zu finden, an dem das Handy funktioniert
Telefonzelle für das cell phone
Dieser Punkt ist natürlich nicht der höchste Punkt der Insel und es sind auch nicht alle Mobilfunkbetreiber die dort funktionieren. Susi hat Glück: Auf ¾ der Höhe findet sie einen Baum, der ihr als „Telefonzelle“ und Schattenspender dient. Telefonieren geht, Datenverbindungen gehen nicht. Na, wenigstens ist die Familie wird informiert.
Was ist das? Hinweise in den Kommentaren erbeten.
Der Ausflug hat aber auch noch andere Erkenntnisse geliefert: Die Insel hat rote Erde, die eigentlich recht fruchtbar ist (Eisen), andererseits besteht sie aus Kalkgestein, dass oft seltsam erodiert ist. So haben viele Steine Löcher oder Rinnen an der Außenseite. Das Gestrüpp ist irgendeine trockenresistente Pflanze, die zurzeit viele rote Beeren trägt. Die dürften für die allgegenwärtigen Ziegen aber ungenießbar sein. Die Bäume, oder sind es hochgewachsene Büsche, haben kleine fleischige Blätter, die in deren Jugend sehr stachelig sind, später die Stacheln aber nicht mehr so zeigen. Auch eine Ziegenabwehr.
Wunderbarerweise gedeihen hier zwischen all dem trockenen Zeug Zyklamen. Bei uns hätte ich die ja eher dem feuchten Waldboden zugerechnet. Der Platz hier ist aber das genaue Gegenteil. Selbst zwischen Felsen strecken sie ihre Blüten ins Licht.
Wovon lebt diese Zyklame?
Spannend ist es auch unsere Philia als einziges Schiff in der ganzen Bucht zu sehen. Eine ganze Bucht, nur für uns. Dabei hat es uns heute schon beunruhigt, dass alle anderen Schiffe in der Früh abgefahren sind und am Himmel hochquellende Wolken zu sehen waren. Flüchten die vor Gewittern und wir machen einen großen Fehler? Oder sind wie die, die im geschützten Bereich bleiben, während die anderen in einen nur scheinbar sicheren Hafen ausweichen wollen?
Noch haben wir Gesellschaft, noch ist der Himmel freundlich
Wir entscheiden uns zu bleiben und abzuwarten. Wir haben ja noch eine Menge Ankerkette, die wir notfalls auch noch auslegen könnten. Wir verlängern vorsichtshalber von 30 auf 45 m bei 9 m Wassertiefe. Weitere 25m haben wir noch als Reserve, wobei der neue Jambo-Anker wirklich gut hält. Da kann schon ganz ordentlicher Wind aufkommen, bevor wir uns wirklich fürchten müssen.
Aber nichts ist auch nicht perfekt, auch das Nichts nicht! Aus zwei Richtungen ziehen Gewitterwolken auf. Ob wir hier wirklich richtig liegen? Zunächst sind wir noch alleine, aber dann kommen nach und nach weitere Yachten dazu, die vor dem Gewitter Zuflucht suchen. So ganz falsch, kann unsere Entscheidung also doch nicht sein.
Der Himmel wird dunkler, im Westen, hinter den Hügel sehen wir Wetterleuchten und einzelne Blitze. Gelegentlich grummelt es ganz schön laut und der Donner bricht sich mehrfach in den Hügeln rund um die Bucht. Mehr Lärm als Wirkung.
Eines der einlaufenden Motorboote gehört einer Stiftung für Meeresforschung und dem Schutz der Mönchsrobben. Die werden wohl wissen, dass sie da sicher sind. Und die bekommen dann auch noch Besuch: Ein Schiff der Sea Shepherds kommt vorbei. Die Sea Shepherds sind eine Gruppe von Freiwilligen, die mit manchmal brachialen Methoden Wale, hier aber offensichtlich auch alle Tiere des Meeresschutzgebietes verteidigen. Sie machen zuerst bei ihren Kollegen fest, dann bei einer französichen Segelyacht vor uns. Die bekommen dann für 20 min Besuch und Belehrungen von den Sea Shepherds, bevor die sich wieder auf den Weg machen.
Inzwischen hat leichter Regen eingesetzt. Es tröpfelt auf den gut gespannten Stoff der Bimini. In einer er Geschichten von Christine Nöstlinger hieß so was „Regentrommel“. Ich liebe dieses Geräusch, besonders wenn man selbst im Trockenen sitzt. Das ist dann so ein Gefühl der Geborgenheit.
Unser „Nichts“ ist doch perfekt!
Mehr „Nichts“ geht nicht.
Nachtrag: Später haben wir erfahren, dass für die bloße Befahrung der Zone A des Marine Nationalparks, also auch unseren Stopp im Panagia, so was wie Eintrittsgeld verlangt wird: 5 € pro Person und 33 € je Schiff x 2 Tage = 86 € Haben wir natürlich nicht bezahlt, und schlechtes Gewissen haben wir jetzt auch keines. Es waren ja auch keine Robben da. Gleicht sich also wieder aus.
Freitag, da muss es sein, da fahren wir nach Pagani, eine der östlichsten Inseln der nördlichen Sproraden. Auch der größte Geographie-Verweigerer kennt sie: „Die Mamamia Inseln“. Das ist aber nicht unser Antrieb, dort hinzufahren.
Zuvor steht aber noch eine Menge an Vorbereitungen an. Der Wassertank ist ja schon gefüllt, aber Strom könnten wir noch gebrauchen. Dann ist da noch die letzte Hafengebühr zu bezahlen. Da wird ein Tischrechner angeworfen, die exakte Länge des Schiffes erfragt, multipliziert, addiert, es passiert auch noch was mit Prozenten und dann steht der Preis fest: unglaubliche 6,70 €! Echt kein Scherz jetzt. In Kroatien darf man um das Geld gerade einmal die Tür zum Marinabüro aufmachen. Brot und Obst haben wir schon, aber ein Paket müssen wir noch nach Wien schicken. Da gibt es TNT auf der Insel – um viel Geld – aber immerhin, es funktioniert.
Und dann müssen wir uns noch in die Pole Position bringen. Die letzten Wochen waren wir doch von der Superyacht eingezwickt. Damit es leichter wird, haben sich hinter uns 2 dicke Motorboote im Paket an die Mauer gestellt. OK, einen können wir dazu bewegen sich vor seinen Freund zu legen und die exorbitanten Marinagebühren in Kauf zu nehmen. Also vorne haben wir eine Überlappung von 2 m mit dem Bug der Superyacht, 2 m hinter uns steht das Motorboot.
Irgendwas mit „eindampfen in die Vorspring“ und „wenn der Wind passt, einfach weg treiben lassen“ kommt uns da in den Sinn. Wir machen, ganz langsam und zielgerichtet eine Kombination aus beidem und legen geräuschlos ab. Also den Motor hört man schon, aber keinerlei Kratzgeräusche an den Rümmpfen. Gut gemacht. Susi ist ganz stolz auf das Manöver. Nur ein paar Minuten später ankern wir im Hafenbecken. Ein ganz anderes Gefühl, wenn sich das Schiff wieder bewegt.
Zu zweit, geräuschlos und ohne Kratzer, wir sind richtig stolz auf uns!
Der Plan war früh schlafen zu gehen, es gab aber noch so viel zu tun. Das Schiff segelfertig machen, Abendessen kochen, ein Milchreis als Proviant für unterwegs wird auch noch gezaubert. Naja, es wird wieder einmal Mitternacht – aber diesmal stehen wir um 4 Uhr auf, versprochen!
Ist schon irgendwie unheimlich, oder?
Das machen wir dann auch und beginnen mit den Vorbereitungen für die Abfahrt: Ankerball runter nehmen (ja, wir zeigen den tatsächlich), Navigationslichter und Dampferlicht an, Ankerlicht aus, Navigationsinstrumente an, Autopilot an, Spray Hood weg klappen, Check nach Leinen die ins Wasser hängen könnten, die Ankersicherung abbauen, Ankerwinde einschalten und Bedienung nach draußen legen, Motor starten.
Ach ja, wir sollten noch was Anziehen, bei unserer Müdigkeit und der frühen Stunde ist es noch recht kühl. Die Schwimmweste darüber und den Gurt zum Einhängen am Boot fehlt auch noch. In 40 min sind wir bereit den Anker aus dem Sand zu ziehen. Die Fahrt durch den Hafen ist schon etwas unheimlich, denn die Orientierung ist schon stark eingeschränkt. In dem Fall aber leuchtet uns das Deckslicht eines Frachters und die beiden Leuchtfeuer der Einfahrt. Dort wartet schon der Vollmond auf uns, um uns in den nächsten Stunden zu begleiten.
Was noch wartet ist eine unangenehme Dünung. Wellen bis zu 1,5 m hoch, natürlich von der Seite, so dass das Schiff schön rollt und das Geschirr in den Kasteln bei jeder Bewegung klirrt und scheppert, als ob wir am Abend nur mehr Scherben aus den Regalen nehmen können.
Susi sitzt mit dem Rücken zur Fahrtrichtung auf einer Cockpit Bank, ich versuche sie durch Fußmassagen zu beruhigen und der Autopilot tut sein Bestes. Dabei klammern sich Susis Augen an den Lichtern von Myrina und Lemnos fest und hoffen möglichst bald, den ersten Schimmer des Sonnenaufgangs zu erhaschen. Was ich hingegen in der anderen Richtung erblicke ist der Vollmond, der ganz langsam auf das Meer herabsinkt – und Wetterleuchten über dem Festland. Jetzt nur darauf achten, dass Susi das nicht sieht.
so fängt’s an …
Der Sonnenaufgang wird fantastisch: Aus einem zarten Schimmer wird ein immer hellerer Streifen, der aber noch nicht verrät, an welcher Stelle die Sonne erscheinen wird. Kurz bevor es so weit ist, verrät sie sich durch ein kräftiges rotes Leuchten hinter den Bergen von Lemnos. Und dann – bamm – helles Licht und volle Energie! Der Tag hat begonnen – um 6 Uhr 5. Wir sind da schon die ersten 9 Meilen unterwegs. 9 Meilen von geplanten 55, der erste Schritt ist gemacht.
… und so geht’s weiter.
Jetzt wo wir sehen, wie das Meer rund um uns ist, setzen wir das Vorsegel und lassen uns Richtung Westen ziehen. Geht erstaunlich schnell, bis zu 6 kt, nie langsamer als 5. Holprig bleibt es trotzdem. Die Wellen, einzelne sind bis zu 2 m hoch, kommen von schräg hinten und bringen das Schiff nicht nur zum Schaukeln, sondern auch tüchtig vom Kurs ab. Der Autopilot kann das schon, wenn man selbst steuert kann man das Schiff aber ruhiger fahren. Also ran an das Steuerrad und rechtzeitig, gefühlvoll aber bestimmt die Bewegung der Wellen ausgleichen. Keine Einfache Übung, aber heute haben wir ja mehr als genug Zeit das zu lernen.
Gegen Mittag wird das Meer ruhiger, leider auch der Wind. Wir schaffen aus eigenem Antrieb nur mehr 4 kt, finden aber eine Strömung vor, die uns mit gut einem Knoten in die richtige (!!) Richtung trägt. Sonst ist sie immer gegen uns 😉 Bald entdeckt Susi die ersten Inseln der Sporaden und wir haben es leichter Kurs zu halten. Bei dem diesigen Wetter, ohne Anhaltspunkte fällt das echt schwer.
Als wir näherkommen, fällt Susi auf, dass in den Karten eine Notiz vermerkt ist: „Rund um die nördlichste der Inseln, baut sich bei richtigem Wind eine sehr unangenehme See auf“. Und dann erinnert sie sich an ein Erlebnis in der Nähe von Dubrovnik und Mljet, wo uns ein Wechsel der Wassertiefe einmal sehr hohe Wellen beschert hat. So an die 4 m sollten das damals gewesen sein. Und jetzt zeigt die Navionics Karte auch wieder ganz viele Höhenstufen.
Ich wäre ja für den direkten Weg nach Panagia. Immerhin kann man die Insel schon lange sehen. Susi besteht auf einen Kurswechsel: Wir fahren außen um diese Insel herum. Der Weg ist schnell abgesteckt, kaum 8 Meilen Umweg. Erst als ich ihr sage, dass das fast 2 Stunden sind, zögert sie kurz. Ega,l ihr Entschluss steht fest! Also Segelstellung anpassen und schauen was kommt – und es kommt genug: Die Wellen sind zwar rund, also eher angenehm, kommen aber mit ihren 1,5 m wieder so von halb hinten. Wieder schieben sie das Schiff kräftig aus der Richtung. Wobei oft nicht die höchsten Wellen, die unangenehmsten sind, oft ist es erst die 2. oder 3. die mich kämpfen lässt. Eine richtige Waschmaschine, in der wir da mehr als 1 Stunde herumtanzen. Aber wenn es die Frau glücklich macht – was soll man dann tun?
Dein Wille geschehe! 🙂
Dann erst erfolgt der Kurswechsel zurück auf Pangania, doch so einfach ist das nicht: Jetzt haben wir den Wind genau von hinten und der Kurs kann bei Wellen und wenig Wind eigentlich nicht gefahren werden. Elende Schaukelei. 1 Stunde vor dem Ziel geben wir auf. Segel einholen, Motor an. Ist zwar auch nicht viel ruhiger, aber wenigstens schlägt sich das Segel nicht selbst kaputt.
Die Einfahrt in die gesuchte Bucht ist nicht leicht zu finden: Die Küste selbst hat drei größere Buchten und die Einfahrt ist hinter einer vorgelagerten Insel versteckt. Die Wellen treiben uns darauf zu, Wind ist ja keiner. Damit es spannend wird: Die Einfahrt ist ca. 60 m breit und „nur“ 6 m tief. Das reicht uns aber völlig. Einmal drinnen angekommen teilt sich die Bucht in zwei größere „Blätter“. Wir gehen in das nördlichere und ankern neben einem anderen Schiff. Also dem einzigen anderen Schiff – vorerst. Im Laufe des Abends kommen dann noch 3 weitere dazu. Irrer Verkehr hier! 😉
Fantastisch zerfurchte Klippen in der Einfahrt. Perfekte Verstecke für Mönchsrobben
Außer den Schiffen und deren Besatzungen gibt es hier keinerlei Bewohner. Also irgendwo soll sich auf der Insel ein Mönch verstecken. Das wars dann aber auch. Sonst vor allem Ziegen, und Kolkraben und Eleonoren Falken und Fische die aussehen wie „Forelle blau“ aber quick lebendig sind.
Die Ägäis hat einen Vorteil und Nachteil zu gleich – Wind. Der Wind ist für das Segeln gut, macht aber auch Wellen, und die Wellen muss man auch mögen. Dieses Mögen müssen wir noch lernen.
Von Lemnos bieten sich zwei Richtungen an. Entweder man segelt nach Südosten und kommt zu den östlichen Sporaden (Lesbos, Chios, Samos) oder man segelt nach West-Süd-West und kommt in die nördlichen Sporaden (Skiatos, Skopelos, Alonyssos und noch ein paar kleinere). Die Distanzen sind ungefähr gleich groß. Lesbos ist etwas näher, dafür ist dort mit mehr Wind zu rechnen. Die weiteren Inseln sind bei gemäßigtem Rückenwind anzusteuern, verlangen aber immer noch große Sprünge.
Links oder Rechts – das ist die Frage, die uns schon lange beschäftigt
Die nördlichen Sporaden sind nach einer längeren Fahrt bei tendenziell weniger Wind und Welle in ca. 15 Stunden zu erreichen. Dann sind die Distanzen sehr kurz. ABER: Dort gibt es auch Charterflotten und wir sind gerade in der Hochsaison.
Jörg würde lieber nach Lesbos und dann weiter in den Dodekanes, um dann nach Milos abzubiegen. Susi will weg von Wind und Welle und am liebsten direkt in das ionische Meer fahren. Das ist aber auch nicht gerade „ums Eck“.
Bei uns führt diese Entscheidung zu langen Überlegungen und Diskussionen. Zusätzlich werden alle befragt, die das Wort „Meer“ unfallfrei aussprechen können. Viel wird auf die Meinung unseres Superyachtkapitäns gegeben. Der meint, dass der Weg nach Westen sicher der einfachere ist. Und, was noch wichtiger ist, er sieht ein günstiges Wetterfenster am Ende der Woche. Das sehen wir auch, habe nun aber zu entscheiden, an welchem Tag es los gehen soll. Warten wir auf ganz wenig Welle, haben wir keinen Wind ☹, Warten wir auf brauchbaren Wind, gibt es auch auseichend Welle. Wo also liegt der „sweet spot“?
Wir machen uns für eine Abfahrt am Donnerstag in der Früh fertig. Boot aufräumen, Wasser auffüllen, Batterien laden, Wäsche waschen, letzte Einkäufe, … . Natürlich muss noch die Liegegebühr bezahlt werden. Da gibt es eine komplizierte Formel und eine noch kompliziertere, aber sehr bemühte Dame im Hafenbüro. Nach langer Berechnung und dreifachem Nachfragen über Aufenthaltsdauer und Schiffslänge, schreibt sie uns eine Rechnung: 69,65 € für 11 Tage, längsseits an der Mole. In Kroatien wäre das ein Tag (!!) in einer günstigen Marina.
im Waschsalon 🙂 muss auch sein und ist ein beliebter Treffpunkt für Segler
Zur Verabschiedung besuchen wir noch einmal Martin und Daniela in der Bucht bei Manos, und bleiben dort gleich zum Abendessen hängen. Ja, und dann kommen die Zweifel, wie das mit den Vorhersagen so ist, wie die Wettertendenzen so sind, was uns wer geraten hat, …. OK, wir bleiben noch eine Nacht.
Und gut so: Der Tag begrüßt und mit 20 kt Wind im Hafen und nagelt uns förmlich an die Mole. Auch ein Zeichen – und eine gute Ausrede noch einen Tag zu bleiben.