Die Pläne von Seglern sind immer sehr unsicher. Passt der Wind, passen die Wellen, ist das Schiff in Ordnung, passt auch sonst alles?
Klar, dass das alles nicht für längere Zeit vorhersehbar ist. Man kann vielleicht noch die Orte planen, bei denen man vorbei kommen will. Die Zeitpunkte sind da schon bedeutend schwieriger, besonders, wenn man nicht immer im selben Revier unterwegs ist.
Wir wollen aber „wohin“ kommen, unterschiedliche Küsten und Inseln besuchen. Was uns da alles unterkommt, kann sich nur entwickeln. Dennoch gibt es zumindest für den Anfang einen guten Ausblick:
Philia steht zur Zeit noch in Tisno (Murter, Kroatien). Dort wird sie zunächst für eine Woche als „Fahrschulschiff“ dienen. Sophie, Felix und Magdalena werden für den FB2 (Segellizenz) trainieren und kurz vor Ostern – hoffentlich – die Prüfung bestehen. Sobald das erledigt ist, wird Clemens an Bord kommen, Sophie und Felix das Schiff verlassen.
Zu Dritt also – Magdalena, Clemens und Jörg – soll Philia in den darauffolgenden Tagen nach Corfu gebracht werden. Und da wird die Sache schon spannend: Magdalena muss am Mittwoch in der Früh im Flieger nach Wien sitzen, Clemens am Donnerstag in der Früh „sein“ Charterschiff in Gouvia übernehmen, und am Donnerstag Abend kommt dann Susi und Andrea zu mir auf’s Schiff.
400 Meilen, 3 Tage – mindestens
Problem dabei: Ungünstige Südwinde können die Passage, immerhin fast 400 Meilen für fast eine Woche unmöglich machen. Wir haben aber nur 8 Tage Zeit. Andererseits kann die ganze Strecke auch in weniger als 3 Tagen erledigt sein.
Zum Glück ist Kroatien mittlerweile Teil von „Schengenland“. Damit spart man sich viel Zeit für die Abwicklung der Grenz- und Zollformalitäten. Im Prinzip könnte man auch von Tisno nach Corfu in einem Zug durch fahren, ohne bei einer Behörde vorbei zu schauen.
Und was danach kommt, ist ungewiss: Zunächst wollen wir im Ionischen Meer unterwegs sein. Da ist der Charterwahnsinn noch nicht ausgebrochen, also vergleichsweise wenige Schiffe unterwegs. Da wollen wir gemütlich nach Süden bummeln, in Ithaki vorbei schauen – nicht nur wegen der Wäscherei. Ganz toll wäre es in Zakythos Meeresschildkröten bei der Eiablage beobachten zu können. Ob das gelingt?
viele Kurven und Abzweigungen im Jahr 2023
Da der Kanal von Korinth wieder einmal geschlossen ist, wird uns der weitere Weg rund um den Pelopones führen. Und dann träumt Susi von Milos. Das ist dann aber auch schon der letzte Fixpunkt der Reise. Dann könnten wir durch die Kykladen nach Norden, wieder südlich an Euböa vorbei und wieder in die Nördlichen Sporaden. ODER Wir halten uns genau nach Osten, erreichen Kos und fahren dann nach Norden in den Dodekanes ODER Wir machen irgendwas in der Mitte
Man wird sehen, was das Jahr für uns bereit hält. Komm doch einfach mit.
Tisno ist ein kleiner Ort an der Stelle, an der die Insel Murter mit einem kaum 20 m breiten natürlichen Kanal vom Festland getrennt ist. Im Sommer soll da einiges los sein, davon merken wir aber wenig. Schon jetzt, Anfang Oktober, sind viele Geschäfte und Lokale geschlossen. Am Campingplatz ist kaum mehr wer da, da wird nur mehr zusammengekehrt.
Wir sind neu in der Marina, sind aber bald von den anwesenden Skippern in das Leben integriert. Alle sind hilfsbereit und freundlich. Wenn du was brauchst, kennt sich sicher wer aus. Entweder war das (früher) sein Beruf, oder er hat das auch schon einmal erlebt. Sehr schön!
Wir räumen unser Schiff innen auf, bereiten es auf den Besuch von Susi’s Mutter und Magdalena samt Jolly (das Hundetier) vor. Die kommen nämlich heute Nachmittag mit dem Auto, damit wir einen Transport nach Hause haben. Magdalena bekommt dafür noch eine Trainingsausfahrt verpasst. Sie will im nächsten Frühjahr den FB2 Schein (Führerschein für das Boot) machen.
Wir nehmen uns am Nachmittag die Zeit, legen ab und motoren aus der Bucht. Im freien Wasser wird dann geübt: MOB Manöver. Eine recht komplexe Abfolge von Manövern mit dem Ziel eine über Bord gegangene Person wieder aufzufischen. Da wird viel an den Leinen gezogen, Segel verstellt, am richtigen Punkt alle Leinen los gelassen, so dass das Schiff genau neben der Person – wir nehmen aber lieber eine Boje – zum Stillstand kommt. Geht ganz gut.
Als wir kurz vor der Marina Pirovac sind, werfen wir wieder den Motor an. Da sollen noch ein paar Anlegemanöver geübt werden. Mir fällt auf, dass der Motor eine sehr niedrige Leerlaufdrehzahl hat, ungewöhnlich nieder – und er nimmt auch das Gas schlecht an. Muss ich mir einmal ansehen.
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Nach den Manövern wird im Abendlicht wieder zur Bucht von Tisno aufgekreutz. Dort wieder Segel weg und Motor an. Die eine Meile geht so schneller. Außerdem wird es gleich dunkel. Gute Stimmung an Bord, alles passt.
Passt nicht: plötzlich und ohne Vorwarnung bleibt der Diesel stehen. Ein Diesel bleibt aber niemals stehen! Wenn ein Diesel einmal läuft, dann so lange, bis der Treibstoff verbraucht ist! Die beiden Startversuche bleiben erfolglos ☹. Guter Rat ist teuer: Kein Wind, kein Motor, 300 m bis zum Ufer. Ich checke die Wassertiefe: 8 m. Ankern müsste also gehen. Aber wie kommen wir da weg und in die Marina? Freunde muss man haben!
Ich rufe Julian an, die einzige Nummer, die ich schon habe, und schildere die Situation. „Bitte organisiere ein Boot, dass uns in die Marina schleppt“. Julian sprintet los zu Nicola, dem Marina Chef und bittet um Unterstützung. Nicola ist alles andere als glücklich, er wollte eigentlich gerade ins Bett – „aber muss helfen“. Er startet sein großes Fischerboot und tuckert zu uns los. Nahezu wortlos bindet er uns mit einer recht kurzen Schnur fest und es geht langsam zurück in den Hafen. Dort erwarten uns schon alle am Steg. Das Boot wird mit vereinten Kräften noch umgedreht, Heck zum Steg, und festgemacht.
Und jetzt? Fritz, ein ehemaliger Pannenhelfer, bietet an, sich die Sache morgen anzusehen. Das macht er dann auch. Motor händisch durchdrehen – geht, mit dem Anlasser durchdrehen – geht. Kann also nicht ganz so wild sein. Dann das Öl prüfen – nur Öl, kein Wasser, dann einen Finger in die Kühlflüssigkeit – Mayonnaise = Öl im Kühlwasser, gut verquirlt. Und eine dunkle Ahnung beschleicht Fritz und mich:
Zylinderkopfdichtung kaputt! Das Teil gibt es um wenig Geld zu kaufen, aber um es zu wechseln, muss man den halben Motor zerlegen. Was bleibt mir übrig? Die Damen werden auf Besichtigungstour geschickt und ich mache mich ans Werk. Schrauben öffnen ist ja nicht sooo schwierig, auch ohne Anleitung gelingt das ganz gut. Aber das Ding wieder zu montieren??
Ob der jemals wieder läuft – sollte zu schaffen sein!
Fritz kennt wen, der wen kennt und der könnte uns weiterhelfen. Also packt Fritz den abmontierten Zylinderkopf in sein Auto. In Wien werde ich ihn wieder sehen, den Zylinderkopf und Fritz. Wir beide sind zuversichtlich und Fritz will sogar im November, wo ich Zeit für den Motor habe, auch noch einmal nach Tisno kommen. Wenn der Motor zurück ins Leben kommt, da will er dabei sein! Schön, dass es Freunde und eine gute Gemeinschaft der Segler gibt.
Die letzten beiden Tage sind dann für Philia reserviert. Da wird das Schiff dann winterfest gemacht, die Festmacherleinen mit Ketten vor dem Schaben an Betonkanten geschützt, Gummiwürste werden in die Leinen eingebunden, damit das Schiff nicht so ruckt – das mögen die Klampen nicht so sehr. An das Heck kommen vier Leinen, statt sonst nur zwei, und am Bug sind 3 verschiedene Mooringleinen befestigt. So sollte Philia jeden Wintersturm aushalten.
Und dann kommt das Wichtigste: Segel herunternehmen und fachgerecht falten. Die kommen dann über den Winter wieder ins Boot. Bimini und Sprayhood werden demontiert. Die Stoffe kommen auch ins Schiff. Alle Taue werden entweder abgenommen oder zumindest so verstaut, dass sie möglichst trocken bleiben.
Am letzten Morgen werden die Matrazen hochgestellt, damit Luft auch auf die Unterseite kommt. Zwei Luftentfeuchter werden aufgestellt. Zu guter Letzt wird aus der Backskiste noch eine Plane hervorgezaubert, die da gesamte Cockpit abdeckt. Jetzt schaut Philia richtig nach Winterschlaf aus.
bis bald – versprochen!
Der wird nicht lange dauern, denn Anfang November will ich wieder da sein. Da gibt es einiges zu tun: Den Motor zusammenbauen, eine Heizung einbauen – das sind die großen Projekte. Und dann gibt es noch ein paar kleinere: Susi wünscht sich Warmwasser bei der Heckdusche, und ich will endlich sehen, ob die Idee mit den neuen Fensterscheiben auch tatsächlich umsetzbar ist. Ich werde jedenfalls berichten.
Anfang März kümmere ich mich dann in einer nahen Werft um den Unterwasseranstrich – und dann werden wir die Träume für unsere längste Segelsaison in die Tat umsetzen. Fixiert ist jetzt schon, dass Philia in der ersten Woche im April als Schulschiff fungiert. Da wird für die Segellizenz trainiert und dann sogar die Prüfungsfahrten damit unternommen! Und Mitte April geht es wieder in Richtung Süden.
Ich wünsche allen, die uns auf dieser Reise begleitet haben eine schöne Zeit und hoffe, dass ihr nächstes Jahr wieder mit dabei seid.
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Alles Liebe und einen schönen Winter, Susi und Jörg
Jetzt treibt es uns immer mehr „nach Hause“. Immerhin sind wir in vertrauten Gewässern und freuen uns auch auf ein nahes Ende – so sehr wir die letzten 13 Wochen auch genossen haben.
Für ein Frühstück in Vinisce ist aber schon noch Zeit. Dann lockt uns der Wind hinaus auf’s Meer. Zwischen den Inseln weht er wenig und natürlich ungünstig. Sobald wir in freieres Wasser kommen setzen wir die Segel und – ja, es ist kein „Fahren“, mehr ein Balance Akt. Wieder steht der Wind so, dass wir unser Wunschziel nur erreichen können, wenn wir mit Philia ganz achtsam umgehen, jede noch so kleinen Winddrehung ausnützen, um in die richtige Richtung zu kommen und das Schiff in Fahrt zu halten.
Bis Rogosniza ist am Meer wenig los. Bei der Ausfahrt von Rogosniza ist es aber betriebsam wie vor einem Bienenstock. 12 Schiffe fahren gleichzeitig aus dem Hafen aus. Fast alle sind vom gleichen Typ, fast alle fahren in die gleich Richtung. Schaut aus wie eine geführte Tour, Flottillenfahrt heißt das im Prospekt der Verchaterer. Wäre nichts für uns. Wir fahren ohnehin höher am Wind um in Richtung Zirje zu kommen. Entspanntes Segeln mit doch einer Aufgabe dabei und gutem Fortschritt.
An der Südost Ecke von Zirje gibt es eine große Bucht, Veli Stupica, in der viele Bojen verankert sind. Da wird sich doch eine für uns finden. Und so ist es dann auch. Kurz nach 2 machen wir fest und vertrödeln den Tag in der herbstlichen Sonne. Auch was Schönes.
Zu unserer Unterhaltung kommen mehr und mehr Boote, bis am Abend 35 Schiffe hier versammelt sind. Nicht allen gelingt das Bojenmanöver auf Anhieb. Es gibt halt geschicktere und ungeschicktere, oder erfahrenere und unerfahrenere Skipper. Bei den ungeschickten, unerfahrenen gibt es dann was zum Lästern und Kichern. Da wird zuviel Gas gegeben, nicht gegen den Wind angefahren, der Bootshaken versenkt, … Waren wir auch einmal so?
Am Abend gibt es bei uns, zur langsamen Gewöhnung an Österreich, einen Kaiserschmarren. Dabei fällt auch, dass sich unsere Vorratslager zwar langsam leeren, aber immer noch Futter für mindestens 6 Wochen da ist. Was verderblich ist, wird in den nächsten Tagen verbraucht oder muss mit nach Wien. Der Rest kann über den Winter am Schiff bleiben. Außerdem brauchen wir noch etwas Vorrat, für die ca. 2 Wochen die ich im November für Wartungs- und Verbesserungsarbeiten am Schiff sein will.
Der nächste Morgen beginnt, wie der Abend geendet hat: windarm. Wir wollen aber trotzdem weiter und fahren schon um ½ 10 los. Wind nur in Ansätzen, dann wieder ein bisschen. Wenn die Segel ziehen, experimentieren wir mit ihnen herum. Etwas mehr Spannung in den Tauen, den Holepunkt versetzen, … steigt die Geschwindigkeit schon? Zum Schluss schaffen wir aus 3,2 kt wahrem Wind (das ist der, den man an Land spürt, also ohne Fahrtwind) 2,7 kt Geschwindigkeit heraus zu holen. Wieder was gelernt. Da der Wind aber nicht sehr konstant ist, haben wir heute auch nochmal das Segelsetzen und -bergen geübt. Insgesamt haben wir fünfmal von Segeln auf Motor und wieder zurück umgestellt – und das auf einer Strecke von kaum 16 Meilen.
Als wir das Leuchtfeuer Prisnjak passieren, kommt uns das vor, als würden wir nach Hause fahren. Das Leuchtfeuer steht kurz vor der sehr flachen Einfahrt nach Murter. Flach, heißt in dem Fall 2,5 m tief – aber nur in der Mitte – und sehr breit ist sie auch nicht. Dazu kommt dann eine Menge Gegenverkehr, da im Bereich rund um Murter 3 Marinen voller Charterbooten liegen. So oft, wie wir da aber bisher schon gefahren sind, bei Tag und bei Nacht, ist aber auch das keine wirkliche Herausforderung.
Dann wird es aber spannend: wir müssen weiter in die Bucht von Tisno, und die ist eigentlich recht seicht und uns unbekannt. Dazu kommt noch, dass das Tabet, das wir zur Unterstützung ins Cockpit mitnehmen, gerade keinen Strom hat. Am Ende der Bucht ist eine kleine private Marina wo Georgi und Julian von der Tast*Life auf uns warten. Diese Marina ist fast so was wie eine Feriensiedlung, jeder kennt jeden, jeder hilft jedem. Und neues Mitglied in der Gemeinschaft, wird man fast nur über Einladung und wir wurden von Taste*Life eingeladen und den Besitzern bekannt gemacht.
Also, ein letztes Anlegemanöver, Leinen fest machen, Motor aus.
Hinweis: das ist nicht das Ende der Berichte. Bitte weiter neugierig bleiben und nachsehen, was noch kommt.
Aufwachen in Vis – gut. Aber da ist noch was zu erledigen. Das Projekt heißt „Einklarieren“, also die Einreise und Zollkontrolle. Bei einem Schiff ist das ein wenig komplizieter als auf der Straße. Um überhaupt an Land zu kommen, muss ich zuerst das Dinghi aufblasen. Bei dem großen Dingh und unserem kleinen Deck nicht ganz einfach, aber doch rasch erledigt. Wegen des weiten Wegs durch den ganzen Hafen beschließe ich, den Außenbordmotor zu bemühen. Der ist ohnehin schon seit vielen Wochen nicht mehr gelaufen. Das zeigt er mir auch beim Anstarten. Da lässt er sich ein wenig bitten.
Am anderen Ende des Hafens einen Anlegeplatz für das Dinghi suchen, und dann den Hafenmeister, meine erste Anlaufstelle. Trotz Nachfrage bei einigen Leuten werde ich nicht fündig, bis – ja bis er mir höchstselbst über den Weg rennt. Den Weg in sein Büro über der Touristeninformation hätte ich nie gefunden. Hinter das Haus, durch einen Gastgarten, eine kleine Treppe hinauf und dort, dann.
Ein bisschen Bürokratie, Schiffspapiere herzeigen, ein langes Formular am Computer befüllen, 375 Kunar (so um die 50 €) „Leuchtfeuergebühr“ bis zum Jahresende, Crewliste in dreifacher Ausführung, ein paar Stempel. Erledigt. Der nächste Weg ist auf die Polizei. Der Hafenmeister erklärt mir noch was mit Fußgängerzone und „fruit market“. Wird sich doch finden lassen.
Ich tipple also los und frag zur Sicherheit einen Einheimischen: „One Kilometer, in Kut“ Kut, das ist der Ort am anderen Ende der Bucht. Irgendwas passt da nicht. Da kommt mir der Zufall zu Hilfe. Ich seh, wie ein Polizeiauto die Schranke zur Fußgängerzone öffnet, verstecke mich hinter einer Palme und werfe mich dann vor das Polizeiauto.
Nein, so war’s nicht. Ich hab der netten Polizistin gewunken, sie ist stehen geblieben und sie hat mir das dann erklärt: „straight, fruit market, Pizzaria“. Na dann. Dort angekommen ist tatsächlich ein Polizeikammerl, mit einer Telefonnummer an der Türe. „please call telefon number“ Auch gut, in 5 min ist der Polizist da und beginnt mich „amtszubehandeln“. Also er will die Pässe sehen, fragt ganz unverbindlich, wie lange ich schon in Kroatien bin – jetzt keinen Fehler machen, sonst wird es teuer. „Seit gestern späterer Abend“. Die Kroaten sind da ein bisschen pingelig bei den Schifferlfahrern. Dann wird ewig in den Computer getippt, mit lautem Knallen ein Stempel auf’s Papier gehauen. Das war’s. Wir sind eingereist und ich kann die gelbe Flagge wieder runternehmen und wegräumen.
Zurück am Schiff gibt es ein Frühstück mit frischem Brot, dass mir „zufällig“ in die Tasche gesprungen ist. Ein entspannter Tag beginnt. Erst wenige, dann immer mehr Schiffe drängen aus dem Hafen. Draußen sehen wir sogar schon einige mit Segel. Na , das mach ma auch. Wir sind ja schnell abfahrtsbereit und dieseln aus der Bucht von Vis. Draußen ein netter schwacher Wind, gerade genug um uns anzutreiben. Leider passt die Richtung nicht, wir fahren viel zu weit östlich und wollten lieber westlich fahren.
Andere Segler finden da Wetter auch lustig. Wir zählen 70 (!) Schiffe, bei einem Rundumblick. Im ionischen Meer waren das 15, in der Ägäis hatten wir einen Tag, wo wir ein einziges anderes Schiff gesehen haben. Was hier aber auffällt ist, dass diese 70 Schiffe nur am späteren Vormittag zu sehen sind. Schon um 2 Uhr sehen wir nur mehr 12. Alle anderen haben sich schnell in eine Bucht verkrochen, damit sie noch einen Platz in der Marina oder an einer Boje bekommen. Gerade aber am Nachmittag gibt es hier meist den besten Wind, den Maestrale, der parallel zur Küste bläst. Seltsame Leute, diese Charterskipper!
Irgendwann hat der heutige Wind eine Einsicht und stellt um. Nur ein schmales Flautenband trennt die Gebiete mit N und W Wind. Jetzt passts, aber Haarscharf. Hart am Wind gleiten wir dahin, immer bedacht, den Wind aus dem richtigen Winkel zu haben. Gehen wir zu sehr in den Wind, reagiert Philia lustlos oder bleibt gar stehen. Gehen wir etwas weniger hart an den Wind, 10° reichen da völlig, rennt sie freudig los. ABER: wenn wir 20° weniger machen, oder der Wind dreht sich ein wenig, dann schaffen wir die Einfahrt zu unserem Ziel nicht mehr. Es wird also ein Tag des konzentrierten Schwachwindfahrens. Macht aber auch Spaß, wenn man dann sieht, dass der Kurs genau zwischen zwei Inseln hindurch passt, ganz so wie schon seit 3 Stunden erhofft und angepeilt 😊.
Das Tagesziel heißt Vinisce, eine tief eingeschnittene Bucht, die bei nahezu jedem Wind sicher ist. Diesmal enttäuscht sie uns ein bisschen. Es sind zwar nur 3 weitere Schiffe da, aber es steht eine Welle in die Bucht – wo kommt die eigentlich her in einer windstillen Nacht – und trifft uns genau von der Seite. Und dann beginnt Philia mächtig zu rollen.
Ich habe den Wecker auf meinem Tablett gestellt. Kaum läutet er, husche ich leise aus dem Bett. Türe möglichst zu, um Susi noch ein paar Minuten zu schenken. Schnell in mehreren Schichten warm anziehen. Das Thermometer zeigt 15° – innen. Außen kommt dann Feuchtigkeit und Fahrtwind dazu. Also lieber eine Schicht mehr. Strom abstecken, die Leinen so vorbereiten, dass man trotz Morgendusel beim Ablegen nichts falsch machen kann. Pasarella hoch ziehen und festbinden.
Dann gehe ich wieder ins Schiff, um Susi zu wecken. Da fällt mir auf, dass die Borduhr 03:25 Zeit! Ich checke das mit meiner Armbanduhr – auch 03:25. Was ist da los? Klar, das Tablet ist noch auf griechische Zeit eingestellt, und die sind den Italienern um eine Stunde voraus. Und was mach ich jetzt? Ausziehen und niederlegen? Wegfahren? Ich entscheide mich für’s Wegfahren – und zwar solo. Nicht dass ich Susi augenblicklich über Bord werfe, aber ich lasse sie im Bett. Es ist überhaupt kein Wind und viel Platz. Außerdem ist niemand da, den ich stören könnte.
Motor starten, Navigationslichter einschalten, Bugleinen lösen, Heckleinen lösen und ich schleiche durch den Hafen, im Leerlauf und ganz langsam. So habe ich Zeit die Umgebung zu prüfen und könnte jederzeit abbremsen oder ausweichen. Am Tablet ist noch unsere Spur vom Hereinfahren gespeichert. Der fahre ich einfach nach, bis ich zwischen den beiden Leuchtfeuern der Hafeneinfahrt bin. Was ich schon im Hafen gehört habe, laute brechende Wellen, zeigt sich jetzt auch. Also es zeigt sich eigentlich nichts, denn es ist stockdunkel, aber ich spüre die hohen Wellen vor der Einfahrt. Sobald wir in tiefes Wasser kommen, wird sich das ein wenig beruhigen. Vor mir liegt das Meer, hinter mir die Stadt Vieste und Italien, und in der Bugkabine liegt Susi. Sie muss sich eine neue Schlafposition suchen, denn der Bug ist der Ort, der sich bei einem Schiff am meisten bewegt.
Wenn ich zurückschaue, sehe ich den Leuchtturm, der mit seinem Lichtfinger den Seefahrern den Weg weist. Wenn ich nach vor schaue, sehe ich aber auch einen Lichtstrahl der sicher nicht von Vieste kommen kann. Palagruzza? Palagruzza ist eine Insel auf halbem Weg nach Vis, schon kroatisch. Natürlich gibt es dort ein Leuchtfeuer, aber das sieht man „nur“ 14 Meilen weit und wir sind fast doppelt so weit entfernt. Kann das wirklich Palagruzza sein? Muss es! Da zeichnet sich der Lichtstrahl in den niedrigen Wolken ab, lange bevor ich das Feuer sehen kann. Gut, dort muss ich also hin.
Ich hab mit Susi vereinbart, dass die Segeln drinnen bleiben bis es hell ist. Daher die ersten Stunden Motorfahrt, außerdem ist der Wind eh zu schwach. Durch meinen Fehler mit dem Wecker, heißt das jetzt eine Stunde länger Lärm machen – na, soll sein. Ich wechsle häufig von oben nach unten. Oben, im Cockpit schaue ich, ob ich die Lichter andere Schiffe sehe. Ja eines, so hell wie das ist, ist das wahrscheinlich eine Passagierfähre und die ist schnell und weit weg – keine Gefahr.
Unten schaue ich auf den Kartenplotter, die elektronische Seekarte. So ähnlich wie das GPS im Auto, aber mit mehr Funktionen. Eine ist das Radar, dass mir alle Schiffe zeigt, die sich im Umkreis von 12 Meilen herumtreiben. Regen könnte es mir auch zeigen, aber da ist keiner. Und dann ist da noch das AIS = automatic identification system. Da senden die Schiffe Daten über ihren Kurs und ihre Geschwindigkeit aus. Mein Gerät zeigt die Position der Schiffe am Kartenplotter an. Außerdem, und das ist der eigentliche Sinn der Sache, berechnet es, welche Schiffe mir wann wie nahekommen. Ist es zu nahe, gibt es einen Alarm. Sehr sehr praktisch, besonders bei Nacht oder bei schnellen Schiffen. Die Schnellfähren sind immerhin mit 26 kt unterwegs, Da abzuschätzen, ob sie vor oder hinter mir vorbei fahren werden, und wie nahe sie mir dabei kommen, ist schlichtweg unmöglich. Die Daten und ein wenig Mathe und das Rätsel ist zuverlässig gelöst.
Mond ist heute keiner mehr zu sehen, an den Sternen erkenne ich, dass die Wolken weniger werden – gut so! Und dann zeigt sich ein erster Schimmer am Horizont. Jaaa, ich weiß, bis die Sonne tatsächlich kommt, dauert es noch ewig. Aber irgendwann ist es dann so hell, dass ich das Meer rundum gut erkennen kann: Die Wellen haben „normale“ rundeFormen und angenehme Höhen angenommen und der Wind hat auch zugelegt, ein bisschen, genauso wie wir das wollten. Kurz vor Sonnenaufgang setze ich die Segel – ich sagte „wenn es hell wird“, also darf ich. Inzwischen ist Susi zu mir ins Cockpit gekommen, schaut sich den Sonnenaufgang an und schleicht wieder in die Kajüte.
Und wir gleiten lautlos über das Meer. Schön wär’s. Klar, der Motor macht keinen Lärm, aber wenn sich Wellen in den Weg stellen, werden die von Philia geteilt. Dann spritzt es heftig. Jedesmal wenn höhere Wellen und Philia in Streit geraten, gibt es ein heftiges Aufklatschen des Rumpfs auf das Wellental. Das macht richtig Krach und kostet jedesmal 1 bis 1,5 kt Geschwindigkeit. Trotzdem läuft Philia mit gut 5 kt ganz stabil ihre Bahn, selbst der Autopilot hat wenig zu tun. Sehr fein! Und im Dunst vor uns sehen wir schon Palagruzza, und hinter uns noch Italien. Wir haben also nicht das Gefühl am offenen Meer ganz alleine zu sein, sondern wir fahren von Land zu Land.
So zwei Stunden vor Palagruzza wird es spannend: Wir überqueren eine Schnellstraße für schwimmende Schwerfahrzeuge. Normalerweise müssen die den Seglern ausweichen, ja die großen machen das wirklich. Dass sie uns am AIS sehen, hilft natürlich sehr. In der Schnellstraße, eigentlich heißt das „Verkehrstrennungsgebiet“ müssen aber wir den anderen die Vorfahrt lassen. Und da sind so einige unterwegs heute. Bis auf 350 m, 1 1/2 Rumpflängen von den Großen, kommen sie uns nahe. Sieht nicht sehr gemütlich aus, wenn so ein Containerschiff direkt auf einen zukommt. Kompass Radar und AIS beruhigen uns aber wieder.
Vor lauter Großschifffahrt haben wir nicht bemerkt, dass die Wellen immer weniger geworden sind. Hauptsächlich Dünung kommt noch vorbei. Dünung, das sind die langen runden Wellen, die uns langsam emporheben und sanft wieder absetzen. Wobei „empor“ ist relativ. Unsere Dünung ist kaum ½ Meter hoch. Gut so, denn das stört Philia nun nicht mehr und die Fahrt steigt auf fast 6 Knoten an. 6 Knoten, Sonnenschein, kaum Welle, eine Stunde Vorsprung – wozu so eine Zeitumstellung auch gut sein kann – herrlich. So kann es noch lange weiter gehen.
Palagruzza zieht vorbei, die ersten Umrisse von Vis werden erkennbar, Italien verschwimmt im Dunst. Zeit für ein Mittagessen. Nudelsalat wird es. Bei dem Schwankenden Schiff und konstant 15 ° Schräglage nicht ganz einfach, aber gut machbar. Irgendwie rechnet mein Hirn die Schräglage weg, nur die Bodenhaftung hält mich nicht immer am Platz. Und das Hantieren mit Wasser ist gefährlich, besonders mit heißem. Das folgt nämlich nicht dem zurechgerechneten Raum, sondern immer noch der Schwerkraft. Das rinnt dann eben woanders hin als man vorhat.
Wir genießen unbeschwerte Stunden im Cockpit, ich mach mal eine Schlafpause in der Kajüte – immerhin bin ich schon seit 3 Uhr wach und der Tag wird noch dauern. Der Plotter berechnet eine Ankunftszeit im Hafen von Vis für 18:30 – vorausgesetzt, wir können die Geschwindigkeit halten. Und bis wir an der Südost-Ecke von Vis angekommen sind, gelingt das auch – unglaubliche 5,3 kt Durchschnittsgeschwindigkeit über fast 60 Meilen! Im Windschatten der Insel nimmt der Wind ab, so dass wir kaum 3,3 kt fahren können. Da kämen wir in die Dunkelheit, was in einem fremden Hafen nicht so fein ist. Wir nehmen wieder den Diesel zur Hilfe. So erleben wir genau vor der Einfahrt in die Bucht, wie die Sonne wieder im Meer verschwindet. Punktlandung!
Punktlandung, gleich nach der Landzunge ist die Einfahrt nach Vis
Kurz vor dem Ort Vis kommt ein Motorboot auf uns zu: „Both Marinas are full, no space for more boats. Go to a buoj“ Unser Hinweis, dass wir unter der kroatischen Flagge auch die gelbe Flagge führen, also erst einklarieren (einreisen) müssen und daher zur Zollmole fahren müssen, wird ignoriert. „There is no customs pier, since years“. Nun denn, eine Nacht an der Boje ist auch nicht schlecht, es sind ja genügend frei. Wir werden das morgen beim Hafenmeister und der Polizei schon klären können. Das Manöver die Boje zu „fangen“ und Philia fest zu machen gelingt wie im Bilderbuch.
Angekommen – fertig – Pause und 10 Stunden schlafen