Kategorie: Reise

Unterwegs

  • Wieder gemeinsam

    Susi kommt mit dem ersten Ferienflieger der AUA in dieser Saison – sehr zeitig! Abflug in Wien um 04:30 – muss man mögen. Kaum ist sie bei mir im Hafen gibt’s ein Frühstück und wir gehen nocheinmal los unsere Vorräte ergänzen, Brot, Eier, Gemüse – Dinge die halt leicht schlecht werden – von dem Trockenzeugs haben wir noch genug.

    In der Nacht hat es geregnet, so richtig, und der Regen hat was mitgebracht. Ganz viel Staub aus der Sahara. Philia ist ganz gelb. Also den Kübel schwingen und das ganze Schiff abspülen, bevor wir noch hinaus fahren können.

    Im Hafen bewundern wir eine Superyacht. “AIR“ heißt das Ding und der Eigner hat es sich mit der Herstellung von Kaugummi und Zuckerln verdient. Knappe 130 Mio Euro soll sie gekostet haben. Da ist dann der Hubschrauber aber schon mit dabei. Ich hätte großen Spaß daran gehabt, unsere Philia daneben anzulegen – einfach um zu zeigen, wie abnorm groß die AIR ist.

    Abnorm sind auch die technischen Daten davon: 82 m lang, 140 t Treibstoff, 23 Personen Besatzung, 2 Beiboote mit 600 und 300 PS. Selbst das Rettungsboot hat doppelt so viele PS wie Philia. Und das alles für maximal 12 Passagiere. Aber es ist nicht so exklusiv wie es erscheint: AIR kann man chartern, für rund 950.000 € die Woche (+ Verbrauch und Nahrungsmittel). Dafür ist da aber die Masseuse und die Yoga Trainerin auch mit dabei. Ich weiß nur nicht, wie der Heli abgerechnet wird …
    Egal, ist eh nicht meine Liga.
    Ich bin Selbstfahrer 😉

    Gegen Mittag fahren wir hinaus, dicht gefolgt von einem dänischen Pärchen auf ihrer Yacht TIKERAK. Mit unserer Philia wollen wir nach Norden, genauer an den nördlichsten Hafen vom Zakynthos. Der Wind ist schwach, wir sind geduldig, der Motor schweigt. Auch schön und entspannend. Später nimmt der Wind zu, verlangt aber, dass wir aufkreuzen. Kann er haben, wir haben ja Zeit.

    In Agios Nikolaios finden wir eine Mole an der wir längsseits anlegen können – und bei den „Heck am Pier“ Anlegern finden wir TIKERAK. Die haben alles motort, denn sie haben zur Zeit kein Vorsegel. Um das zu montieren muss Mischa erst in den Mast klettern und dazu braucht er einen Bootsmannsstuhl. Der ist schon bestellt und in einem Paket, aber das wehrt seit Tagen mit Händen und Füßen erfolgreich dagegen anzukommen. Da kann geholfen werden: Ich borge den beiden einfach einen unserer Klettergurte. Dass Susi jemals in den Mast steigt ist eher unwahrscheinlich.

    Agios Nikolaios ist der beste Ausgangspunkt, um die Westküste von Zakynthos entlang zu fahren. Sie ist steil, sehr steil. Oft Felswände die über 150 m direkt ins Meer abfallen.

    Und das Material ist sehr weich. Deshalb gibt es eine Vielzahl von Höhlen und Felsbögen, immer wieder einmal einen kleinen Sandstrand und einmal sogar einen Sandstrand mit einem Schiffswrack – die Wreckship Bay.

    Kennt man eh aus dem Griechenland Prospekt. Wir wollen aber trotzdem vorbei schauen, so wir viele andere auch. Üblich war bei den organisierten Touren  immer ein einstündiger Badestop. Das hat dann dazu geführt, dass an dem kleinen Strand so an die 2-300 Menschen unterwegs waren. Und eines Tags ist ein Teil der Felswand herab gestürzt. Niemand ernsthaft verletzt, aber für die Behörden ein Anlass den Strand zu sperren. Und damit es davor nicht noch eine Drängerei durch die Ausflugsboote gibt, wurde das Ankern auch gleich verboten – muss man aber nicht immer gleich wissen.

    Wir haben also arglos dort geankert und gefrühstückt. Ist ja eine tolle Kulisse! Bis uns ein sehr freundlicher Ausflugsschiffkapitän ein herzliches „Schleichts Eich, oder i hol die Polizei“ – zugerufen hat. Naja war zwar auf Englisch, aber so ähnlich halt.

    Bei solch freundlicher Aufforderung den Ankerplatz zu verlassen, konnten wir natürlich nicht da bleiben. Unfreundliche Menschen gibt es offensichtlich auch in dem Business. Was sich seine ca. 40 Gäste von ihm gedacht haben, wenn er jedes dort ankernde Schiff so anschnauzt …

    Wir setzen unsere Reise jedenfalls fort und freuen uns an den vielfältigen Küstenformen, die Zakynthos uns so bietet. Kaum ein Schiff kommt uns entgegen oder überholt uns. Wohl nicht so sehr beliebt dieser Abschnitt, es gibt ja auch auf 25 Meilen (45km, 5h Fahrzeit) nur 2 kleine Buchten, um vor schlechtem Wetter zu flüchten.

    Ganz im Süden setzt wieder Tourismus ein: Von Keri und Lagana kommen die gemieteten Motorboote daher. Hinz und Kunz können sich da ohne Lizenz ein Motorboot borgen und sind unterwegs zu einsamen Stränden und Höhlen im Süden der Insel. Gefährliches Volk, denn sie wissen nicht, was sie tun. Ausweichregeln – unbekannt. Also lieber einen großen Bogen um diese Heerscharen von Urlaubern machen. Das Meer ist groß genug.

    Hier ist der endlich aufkommende Wind gnädig und bietet noch etwas besonderes: Ohne die Segelstellung zu verändern, führt er uns um das gesamte Kap im Süden von Zakynthos herum. Immer eng der Küste entlang und immerhin eine Kursänderung von 70°.

    Den Abend beschließen wir in der Bucht von Keri. Flach, Sand der den Anker gut hält, kaum Wind.

    Passt so.

  • Aufregung im Hafen

    Für die nächsten Tage ist etwas Wind angesagt. Etwas, das bedeutet hier knapp an die 40 kt, also gute 70 km/h. Die Richtung ist für diesen Hafen denkbar ungünstig: quer drüber und dann schräg auf die Nase der vor Buganker liegenden Boote. So drückt der Wind heftig auf den Bug und zerrt am Anker. Bricht der aus ist man in Null Komma Nix mit dem Heck in der Mole und seitlich auf den anderen Schiffen drauf. Die zusätzliche Last zerrt nun an deren Ankern und eine Kettenreaktion geht los. Nicht das, wovor wir träumen.

    Nach einem Tipp eines Einheimischen Seglers haben wir uns an die alte Fährmole zurückgezogen und gut vertäut. Insgesamt 5 Taue bringen wir aus – vorerst! Als der Wind langsam los geht, also einmal 20 kt hergibt, fühlen wir uns sicher. Bei den anderen, an unserem alten Platz, setzt Bewegung ein. Nicht nur, dass die Schiffe in den Wellen, die sich im Hafen aufbauen, schaukeln, es werden auch an allen möglichen und unmöglichen Stellen weitere Leinen angebracht. Die sollen die seitlichen Kräfte abfangen, ziehen aber dadurch auch verstärkt am Anker.

    Je nach Charakter oder Nationalität, ist man mehr oder weniger beschäftigt. Die französische Crew, die wir schon in Poros getroffen haben macht auf cool. Ein Belgier „bereitet sich auf Alles vor, auch darauf, den Motor längere Zeit laufen zu lassen. Damit kann er den Anker entlasten und hofft so das Wetter gut zu überstehen. Eine englische Crew verlängert die Ankerkette, damit der besser hält. Die Einheimischen Segler verwandeln ihren Bereich in ein Spinnennetz mit sehr sehr langen Leinen, auch zwischen den Booten und an Land.

    So richtig unberührt lässt die Vorhersage niemanden. Außer vielleicht die Schweizer mit ihrer 54 er Moody „BB“. Die liegen einfach nur auf ihren Cockpitbänken und tun so, also ob sie die Welt nichts angingen. „Immerwährende Neutralität“ kann man auch so ausleben.

    Montag Vormittags geht’s noch so. Kaum eine Böe übersteigt die 25 kt. Für uns ist das immer ganz gut zu hören, denn da schaltet sich der Windgenerator ab. Den würde es bei höheren Windgeschwindigkeiten zerreißen und das wäre nicht so nett. Als ich kurz nach 2 vom Flughafen und Autozurückgeben in den Hafen komme, fahren da 3 Schiffe spazieren. Da hat bei einem plötzlich der Anker versagt. Schnell Gas geben und aus der Lücke raus. Beim Anker heben noch schnell die Kette eines weiteren Schiffs ausreißen. Der muss also auch einen Alarmstar hinlegen. Und auch der nimmt eine Kette mit. Bei dem Wind geht das ganz einfach, auch wenn sich die Ketten ursprünglich nicht überkreuzt haben. Ist die Ankerkette schon recht kurz, beginnt der Anker zu rutschen und pflügt quer über den Boden, bis er sich irgendwo verfängt – meist eine andere Ankerkette.

    Der unglückliche Dritte erlebt das gleiche Schicksal, ist aber schlau genug, lieber seine Ankerkette ins Wasser zu werfen, als weitere Schiffe ins Verderben zu locken. Jetzt liegt sein Anker und seine ganze Kette am Grund, nur eine dünne Leine verrät noch, wo er ist. Gut gedacht – aber: Wie soll er jetzt selbst festmachen? Er hat keine andere Wahl, als sich längsseits an die Hafenmauer treiben zu lassen. An sich kein Problem, nur ist da viel Bewegung, die Wellen lassen das Boot tanzen und die Hafenmauer tut ihr Bestes, um das Boot zu zerkratzen. Also werden so viele wie möglich Fender zwischen Mauer und Schiff gestopft und gehofft, dass das reicht.

    Und bei mir? 38.8 kt hab ich gemessen, noch 2 weitere lange Leinen ausgebracht – eine hab ich erst heute vormittags gekauft 😉. Ich werde von der Gischt nassgespritzt. Philia im Salzmantel, so zu sagen. Der Wind ist immer noch unter 35° auf den Bug und drückt uns von der Mauer weg. Die nun insgesamt 7 Seile müssen die Kräfte aufnehmen. Bevor ich vom Boot gehe, muss ich mir überlegen, wie ich wieder drauf komm. Der Abstand erfordert einen doch sehr großen Schritt, und warten auf eine kurze Windpause garantiert feuchtes Gewand. Also lieber im Boot bleiben – warm und trocken.

    Was würde ich tun, wenn was passiert? Eigentlich kann man dann „auf die Schnelle“ nichts tun. Alleine? Motor anlassen, 7 Leinen lösen, nirgendwo hintreiben und dann nirgendwo anfahren – glaube nicht, dass das gelingt. Da ist es wichtiger einen guten Platz zu haben und genügend Leinen, die das Boot halten. Und dann einfach abwarten und hoffen, dass das reicht.

    Bei jedem starken Wind lernt man was dazu. Wie geht es anderen Schiffen? Was macht der Wind mit mir und was macht er mit denen? Was passiert, wenn der Anker nicht hält – muss ja nicht meiner sein? Wie kann ich ruhiger liegen und mein Material schonen?
    Das Geschaukel führt schon dazu, dass das Philia manchmal ganz schön kräftig an den Tauen ruckt. Das kann man nur durch lange Taue oder durch Ruckdämpfer verhindern.

    Lernpunkt: Den ultimativen Festmacher bauen! Man nehme ein 3 m langes Tau, und spleißt an einem Ende ein Auge mit einer Kausch (Kausch, das ist so ein Metalldings, dass man in eine Seilschlaufe legt. Dann kann anderes Metall das Seil nicht durchscheuern. Ein Spließ ist, wenn man die ein Seil etwas aufdröselt und die Enden wieder in das Seil einflechtet). Nach dem Spleiß kommt dann gleich der Ruckdämpfer. Das ist so eine Gummiwurst, um das das Seil 2–3 mal herumgewickelt wird. Wird am Seil gezogen, dehnt sich zuerst die Gummiwurst. Kann die nicht mehr, übernimmt das Seil wieder die Kräfte. Und am zweiten Ende kommt noch eine große Schlaufe, bei der das Seil aber durch einen (alten) Gartenschlauch gezogen wird. Wirft man die Schlaufe über einen Poller, die sind meist sehr rostig und  rau, dann schützt der Schlauch wieder vor dem Durchscheuern.
    Der nächste Wind kann kommen. Bin gespannt, wie sich das Ding bewährt. Drei Stück hab ich davon gebaut.

    Und nach dem Wind? Na, dann beginnt die Arbeit. Während Susi nicht da ist, verwandle ich Philia wieder in eine Baustelle: Ich möchte zumindest 3 Fenster ersetzten und die Heckdusche soll Warmwasser bekommen, die Schaugläser der Wasserfilter sind undicht uns müssen geklebt werden und meine Kurzwellenfunkanlage soll auch wieder in Betrieb gehen. Da ist dann wieder jede Kiste offen, es wird gefräst und geschliffen, Silikonkleber soll nur dort kleben, wo er auch hin soll, …. Und die Arbeiten dauern mehrere Tage.

    Gut, dass ich allein am Schiff bin 😊

  • MAYDAY – MAYDAY

    [ 14. Juni 2023, Kalamata ]

    Am Mittwoch sind wir früh auf, also gegen 7:20, und werden sofort auf Aktivitäten auf der Mole aufmerksam. Da sind 10 Männer am Werk und versuchen ein Zelt aufzubauen. UNHCR steht in hellblauen Buchstaben drauf. Einer kommt zu uns: “Could you leave? We get immigrants and that can get dangerous for you.” Na Hallo, was ist da jetzt wieder los? Also wenn das denen wichtig ist, kann ich ja wo anders hin, aber vorher muss ich noch Wasser tanken. Deshalb steh ich ja auf diesem Platz.

    Dazu muss ich aber zur Hafenbehörde, die eigentlich erst um 9 Uhr aufsperrt – heute sind sie aber schon um ¾ 8 aktiv. Ich frag kurz was los ist. „We get about 115 immigrants, 7 might be dead“ – Na Prack, das wollte ich eigentlich nicht miterleben. Wir tanken 350 lit Wasser, Susi und die Kinder verlegen die Philia auf unseren Standardplatz, während ich bezahle. Dabei schalten sie auch das Funkgerät ein:

    „Mayday Relais, Mayday Relais – All ships, all ships – This is Hellenic Coast Guard – At position 36° 17,6’ N  021° 03,7 E a ship was sinking. Unknown number of persons in water. If you are close by, please report to Hellenic Coast Guard.” Der Ruf kommt alle 30 Minuten. Später hören wir, wie Frachtschiffe, Tanker und große Passagierschiffe zur Unfallstelle umgeleitet werden „Thank you for your cooperation, please report to warship Canaris for coordination at the rescue site“
    Das Schiff Canaris ist vor Ort und koordiniert die Maßnahmen, teilt Suchbereiche ein, nimmt Beobachtungen entgegen.

    „0,2 to 0,3 miles to starboard we identified a survivor. We turn around to pick him up.” “Helicopter is coming to assist the pickup”

    Das war der einzige Funkspruch, bei dem von einem Überlebenden gesprochen wurde. Das war ca. um 10 Uhr.

    Dort wo wir gelegen sind, stehen nun 15 Rettungswagen, Feuerwehr, viel Polizei, Zelte. Die Lagerhalle dahinter ist mit Matratzen ausgelegt. Man wartet auf das anrollende Drama. Kurz nach 11 kommt eine 93 m Superyacht, die Mayan Queen, in den Hafen geschlichen. Langsam, sehr langsam legt sie bei den Zelten an. Nach und nach, werden die Überlebenden von Bord gebracht, alle barfuß, alle in Decken gewickelt. Sie werden medizinisch erstversorgt, registriert und je nach dem in ein Spital verfrachtet oder in der Halle einquartiert. 4 Stunden liegt die Superyacht da.

    Welche Ironie des Schicksals: Alles aufgegeben, eine lange gefährliche Reise angetreten, das wenige was man hatte auch noch verloren, fast auch noch das Leben – und dann kommt einen strahlend weiße Superyacht mit Allem in größtem Überfluss, nimmt Dich mit und  – und bringt Dich in eine Lagerhalle! In einem Land, das Dich nicht will und in das Du auch nicht wolltest. Und mit größter Wahrscheinlichkeit wirst Du Dich am Startpunkt Deiner Reise wieder finden. In Syrien, Pakistan, Afghanistan. Oder Du tauchst unter, wirst illegal und vielleicht auch kriminell, nur um zu überleben.

    Natürlich ist jetzt die Presse da, man will Betroffenheit und Entschlossenheit zeigen – und ins Fernsehen kommt man auch. Auf einem Bild des ORF erkennen wir im Hintergrund die aufgerollten Segel der Philia. Hätte ich nicht gebraucht. Die Presse ist hartnäckig und sucht nach einer Wahrheit, die man verschleiern will. So nach dem Motto: Da muss doch jemand Schuld haben, zum Beispiel die Küstenwache.

    Am Abend nimmt der Trubel ab. In der Dunkelheit fahren zwei einfache Lastkähne in den Hafen und legen sich an die Mole hinter uns. Gabelstaper rücken an und verladen übergroße Paletten mit schwarzen Säcke in Kühlcontainer. Die aufgesammelten Toten, 79 an der Zahl. Weitere 3-400 (!!!) werden im versunkenen Wrack vermutet.

    Uns nimmt die ganze Sache sehr mit. Es ist halt ein Unterschied, ob man das im Fernsehen als 45 Sekunden Meldung präsentiert bekommt, oder ob das den ganzen Tag unmittelbar vor Dir passiert. Hätten die Überlebenden irgendetwas gerufen, wir hätten sie gehört. 100 m und ein Zaun, das war alles, was uns von dem Drama getrennt hat.

    Am Abend stolpert ein Fischer an der Philia vorbei, und bekommt mit, dass wir über das Unglück reden. „Aber über die Frau in xxx verstorben ist, weil die Rettung nicht gekommen ist, über die redet niemand. Weil ja auch alle Rettungen den ganzen Tag „bei denen da“ stehen.“ Volksseele – auch in Griechenland.

    Ich hab dann bei der Hafenbehörde gefragt, wie oft sie denn Immigranten Anlandungen haben. 3 bis 6 x pro Jahr kommt das schon vor – aber in viel weniger dramatischem Ausmaß und damit fast unbemerkt.

    Am selben Tag ist übrigens auch ein Segelboot gesunken, dass mit Migranten in der Türkei beladen wurde und auch am Weg nach Italien war. Kaum ein Wort war darüber zu hören. Da waren dann aber „nur“ 27 Personen drauf. Philia ist für 8 Personen zugelassen.

    Wir überlegen lange, was man tun kann, wenn man auf so einen Seelenverkäufer trifft. Eigentlich nichts. Man kann aus sicherer Entfernung die Küstenwache rufen, aber die Funkgeräte gehen nur bis zum Horizont. Handy – Spielzeug! Kurzwelle – geht vielleicht, falls grad wer zuhört und die Verbindung klappt. Hinfahren? Dann wird unser Boot gestürmt und in der sich entwickelnden Unruhe am Seelenverkäufer kippt der dann vielleicht auch noch um.
    Vielleicht könnte man versuchen ein Frachtschiff zu erreichen, dass in Rufreichweite ist. Die haben Satellitentelefonie und können dann zumindest die Küstenwache verständigen.

    Türkische Segler haben uns berichtet, dass sie in den Meerengen zwischen den Ländern schon öfter Flüchtlingsboote gesehen haben. Sie haben versucht am Notrufkanal die beiden Küstenwachen zu verständigen – eine Reaktion – von beiden Seiten.

    Und dann …

    Ratlos und ernüchtert bleiben wir zurück.

  • Landgang – der Norden

    Der zweite Tag mit dem Auto führt uns in den Norden von Zakynthos, weg von den Touristenhochburgen, hin in die gebirgigeren Regionen. Zakynthos ist immerhin fast 800 m hoch, und da tut sich in der Landschaft so einiges, am Weg nach oben. Klar, gewundene Straßen, aber daneben ….
    Hohe Pinien, blühendes Buschwerk, Wiesen, die auch unsere Bergbauern erfreuen würden. Kleine Dörfer, meist an einen Hang oder auf einen Hügel gepickt. Überraschend für uns: Wirklich viele Tankstellen – ist da so viel Verkehr? Und die immer gleichen, hässlichen Schulgebäude. Die müsste man doch freundlicher gestalten können.

    Daneben zum Teil wirklich ärmliche Häuser. Reich ist der Norden nicht. Der Tourismus ist weit, auch wenn viele versuchen mit einer Cafe & Snack Bar oder dem Verkauf von „handgemachtem“ etwas Geld zu machen.

    Natürlich bleiben auch wir bei einem Standl stehen, in der Nähe von Vromi, einem Dorf im Nirgendwo. Eleni und Susi finden einen Weg zu kommunizieren und wir bekommen ihre Schätze gezeigt: Zeugs aus Olivenholz, eher grob gefertigt, dafür „home made“, Honig von den eigenen Bienen, ein Bild vom Imker muss als Beweis herhalten. Wir dürfen kosten und ein Glas würziger Thymian Honig wandert in unser Frühstücks-Schapp. Der Rest interessiert uns wenig: Tischdecken mit verschiedenen Mustern, Keramik-Zeugs, Schuldkröten aus Stoff, denen die Glupschaugen herausquellen – Souvenirs der einfacheren Sorte.

    Was wir sehen wollen, ist aber was anderes:  Am 2. Oktober 1980 ist das Schiff von (vermutlich) Zigarettenschmugglern bei schlechtem Wetter uns schlechter Sicht am Strand von Agios Georgios gestrandet. Heute ist das verrostende Wrack wohl eines der berühmtesten Fotomotive Griechenlands, wenn nicht Europas. Wegen Felsstürzen ist der Zutritt zum Strand derzeit nicht gestattet, wobei man ohnehin nur vom Meer her hinkommen könnte. Aber es gibt einen Aussichtspunkt, von dem aus man einen Blick erhaschen kann. Dort wollen wir hin.

    Und es zahlt sich wirklich aus. Ein Blick über 200 m in die Tiefe auf ein unglaublich türkisgrünes Wasser, den halbrunden hellen Strand und – als hätte man es geplant – dem malerisch da liegenden Schiffswrack. Wirklich toll.

    Weniger toll war dann, dass eine kleine Reisegruppe es plötzlich an der Aussichtsplattform hat mächtig stauben lassen. Wir dachten zunächts an eine Windböe, aber es war was ganz anderes: Da wollte wohl jemand seine Asche an diesem Ort verstreut haben. Soll sein, aber dass alle Umstehenden auch ein paar Krümel von der Oma mit nach Hause nehmen, hätte nicht sein müssen.

    Auf der Rückfahrt haben wir dann eine Straße, quer durch das Gebirge gewählt – gute Wahl. Wieder Hochflächen mit Landwirtschaft, Wald, Buschwerk. Und dann taucht die Straße in eine immer enger werdende Schlucht hinab. Enge Kehren, LKW als Gegenverkehr, atemberaubende Felswände und Ausblicke hinaus in die Küstenebene.

    Dort geht es dann zwischen kleinen Ortschaften, Äckern und Gärten durch. Susi entdeckt einen Orangenhain, bei dem sogar jemand da ist und ein paar Säcke mit Orangen bewacht. Wir parken da ein, Susi fragt nach. `s ist aber schwierig, dem alten Herrn klarzumachen, was wir wollen. Einen großen Sack verkauft er um 10 €, aber das sind viel zu viele für uns. Susi macht ihm klar, dass wir nur um 5 € Orangen haben wollen, und der Wunsch wird ihr erfüllt.

    Nicht aber ohne den Beweis zu sehen, wie viel Saft in den Orangen steckt: In der Mitte fast durchgeschnitten und zerdrückt. Der Saft läuft auf den Boden, die ausgequetschte Schale wird weggeworfen. Schade darum! Naja, ist halt Natur, und davon haben die Griechen so viel davon. Außerdem sind die Bäume voll von Früchten und Blüten.

    Ein himmlischer Duft!

  • Landgang – der Süden

    Gleich in der Früh fragen wie einen einheimischen Segler, ob unser Platz denn ein guter und wo denn ein besserer wäre. Er weist uns auf eine kurzen Abschnitt am alten Fähranleger hin. Durch die Fährmole von den Wellen geschützt und satt vor Anker seitlich angelegt. Klingt spannend, schauen wir uns an und verlegen dann Philia an diese Stelle. Insgesamt 5 Leinen, später sogar 6 halten uns sicher an Ort und Stelle. Wind ist immer spannend, aber so sollte eigentlich nichts passieren.

    Wir sind beruhigt und mieten einen Fiat Panda um unglaubliche 25 € pro Tag (+ Sprit natürlich). Damit wollen wir uns die Insel anschauen fahren. Zuerst interessieren uns die Strände, an denen die Carett-Schildkröten ihre Eier legen. Dass wir welche sehen, ist extrem unwahrscheinlich, denn die Weibchen kommen fast ausschließlich in der Nacht an die Strände.

    Die kommen zwischen Mitte Mai und Mitte Juli bis zu 3x an den Strand, um da ihre Eier zu legen. Jeweils zwischen 40 und 120 Stück. Die sind dann für 50 bis 70 Tage im Nest, bevor die Jungen sich auf den Weg ins Meer machen. Erst in 15 Jahren kommen die wenigen Überlebenden wieder genau an ihren Geburtsstrand – wenn es den überhaupt noch gibt. So an die 250 Nester werden in Zakynthos jährlich beobachtet. Klar, dass es da einen Meeresnationalpark gibt. Was die zugehörige Organisation aber genau macht, hält sie sehr im Hintergrund. Ein paar Tafeln, die am Strand stehen, eine Homepage die immer auf die selben Bildergalerien verweist, … Von unseren Nationalparks könnten die noch viel lernen!

    Die Schildkröten werden oft durch die Touristen gestört. Die wenigen Strände, die sie zur Brut nutzen, haben sehr feinen Sand und sind breit genug, damit immer ein Streifen trockener Sand übrigbleibt. Das wollen die Touristen aber auch, und so kommt es, dass sich diese Spezies in die Quere kommen. Trotzdem spannend zu sehen, wo sich das alles abspielt. Schon alleine die Geologie in der Gegend ist faszinierend. Eine schnelle Abfolge unterschiedlichster Gesteinsformen und Schichten.

    Das ist aber teuer erkauft. Gilt doch Zakynthos und das Ionische Meer als die Gegend mit den meisten schweren Erdbeben. Alle 20 bis 30 Jahre krachts da ordentlich, immer mit vielen Schäden an Gebäuden, oft mit Verlusten von Menschenleben. In vielen Orten sind alle Häuser jünger als 1960, nur ganz wenige, von Pflanzen überwucherte Ruinen kann man noch finden.

    Was man aber auch finden kann, sind uralte Olivenhaine. Bei vielen ist der Boden überwuchert, jetzt eine blühende Wiese. Manchmal sind grad Schafe dabei, die Pracht etwas zu stutzen, seltener Mulis. Kühe sind kaum einmal zu sehen.

    Die Straßen – griechisch halt. Sehr kurvenreich, zur Dekoration mit einer doppelten Sperrlinie versehen. Oder man begibt sich auf Nebenstraßen. So breit oder schmal, wie es das Gelände gerade zulässt, sehr gewunden. Oder überhaupt steile Betonstrasserln, deren Belag auch schon bessere Tage gesehen hat. Wenn es mal nicht so steil ist, reicht auch Schotter. Griechische Inselstraßen – für jeden was dabei, Abenteuer garantiert!

  • Ein wilder Ritt

    [ Sorry, aber der Tag war so aufregend, da haben wir wirklich nicht an Fotos gedacht]

    Wieder wollen wir früh los. Das Ziel ist Zakynthos und das ist 25 Meilen weit von Poros entfernt. Schwierig wird es durch ein recht kleines Wetterfenster. In der Früh soll’s noch zu wenig Wind sein, dann kommt ein er aus dem Golf von Korinth, hält aber nicht lange an. Wenn man das Fenster richtig trifft, sollte sich die Strecke aber gut unter Segeln ausgehen. Wenn und sollte, und überhaupt nur eine Vorhersage.

    Susi wacht relativ früh auf und wir legen schon kurz nach 8 ab. Der Wind im Hafen ist nur schwach, draußen ist auch kaum mehr. Dafür aber eine lange, recht hohe Dünung. Die lässt das Schiff immer wieder stark schaukeln und dabei fetzt es die Segel hin und her. Die knallen und reißen – also wieder weg damit, um sie zu schonen.

    So können wir wenigstens den Motor testen. Sean, der Motorlieferant aus England, hat gestern noch am Telefon gemeint, ich soll einmal probieren, das Motorsteuergerät vom Motor abzuschrauben und wo anders hin zu hängen – mit Kabelbindern, oder so. Er hat schon erlebt, dass dann dieses unmotivierte „Motor ist heiß“ Geschrei aufhört. Na, da hab ich halt ein bisschen geschraubt und gebastelt und bin nun neugierig was passiert.
    Nix passiert – und genau so sollte es sein.
    Das heißt aber, dass das Steuergerät einen Fehler hat, der nur auftritt, wenn das Gerät warm wird und gleichzeitig vibriert. Eine defekte Lötstelle vielleicht. Sean wird mir ein neues Gerät schicken, braucht aber das alte zurück. Dann kann er das bei Volvo zum Umtausch einreichen und muss nicht so viel zahlen. 500 € kostet das Kastel, dass eigentlich nicht viel mehr macht, als ein paar simple Signale (ein/aus) digital an das Anzeigegerät  im Cockpit zu schicken. Früher war das einfach ein Kabel, ganz normal und analog. Und wenn das hin ist, hat man den Fehler gefunden und mit 4 € ein neues Kabel gekauft und eingebaut. Aber digital ist schick, das brauchen wir jetzt für den Motor aus dem Jahre Schnee auch!
    Fortschritt der uns weiter bringt? Ich zweifle!

    Währen der Tests am Motor hat aber heimlich der Wind zugenommen. So weit, dass wir einen Kurs finden, der einerseits die Segel gut im Wind stehen lässt und uns andererseits fast direkt nach Zakynthos bringt. Naja, 25° zu weit links, aber das wird schon noch.

    Was aber auch noch wird, sind die Wellen. Die kommen von schräg hinten und sind gut 1 m hoch, manche deutlich höher. Und Wellen von hinten verdrehen das Schiff fürchterlich. Das einzige was man da tun kann ist, den Autopiloten ausschalten und selbst fahren. Dann kann man wenigstens die Wellen vorausahnen und verhindern, dass das Boot aus der Richtung läuft. Rollen tut es aber trotzdem! Unten im Salon rutscht und purzelt alles durcheinander, was nicht vorsorglich vorher festgemacht wurde. Jetzt aufs Klo zu gehen ist schon eine akrobatische Übung. Zusammenkneifen ist einfacher. Wenn man sich durch konzentriertes Steuern ablenkt, gelingt das ganz gut. Immer wieder tauschen wir durch. Nicht beim Zusammenkneifen, beim Steuern. Einfach, weil das Konzentration und Kraft erfordert. Was werden wir heute gut schlafen.

    Fast 4 Stunden dauert der Ritt nach Zakynthos. Eigentlich wird es erst im Hafen selbst ruhiger. Dort ist aber genügend Platz, um in Ruhe Philia vorzubereiten und einen Platz auszusuchen. Der dort, zwischen den weißen Segelschiffen, in der Nähe von der alten Fährmole, der wäre doch gut. Also, gehen wir’s an.

    Susi steuert das Schiff rückwärts zur Lücke, ich lass den Anker hinunter. Damit ich ihr dann mit den Leinen helfen kann, hab ich die Fernsteuerung eingesteckt und sehe nicht, wie sich die Ketter vor der Winde verknotet. Damit aber wird der Anker über den Grund gezogen und nimmt mit, was er so findet. In dem Fall den Anker eines anderen Schiffes – Autsch. Manöver abbrechen. Unseren Anker hochziehen, dabei den anderen mit herauf ziehen. Der ist derweil so nett und sticht uns ein Loch ins Dinghi – Depp!

    Dann balanciere ich auf unserer Bugspitze – ein dreifaches Hoch für den Konstrukteur der die so breit gebaut hat – und fädle ein Tau unter dem anderen Anker durch. Jetzt noch meinen auf den Grund sinken lassen und dann den feindlichen Anker versenken – geschafft!
    Geschafft? Beim Hochziehen unseres Ankers, kommt schon wieder Beute mit: Ein dickes Seil und eine 12 mm Kette. Beide gut gespannt – noch einmal Autsch! Wieder der Trick mit dem Seil, unseren Anker versenken, und aus der Schlinge ziehen, dann die Beute endlich im trüben Wasser verschwinden lassen.

    Ich schwitze, denn das ist wirklich Arbeit, Susi schwitzt, denn sie musste die ganze Zeit Philia auf engem Raum halten, ohne an den Schiffen neben und hinter ihr anzukommen und gleichzeitig mir die Möglichkeit geben, unseren Anker klar zu bekommen.

    An einem anderen Platz war das Manöver dann bilderbuchmäßig. Vielleicht verlängern wir in den nächsten Tagen noch die Ankerkette. 15 m bei 3 m Wassertiefe ist zwar ganz gut, aber 25 m ist besser.  Immerhin soll Philia 13 Tage hier stehen und da soll es einige Male ganz schön windig werden.

    Die Zweifel werden an uns schon noch nagen!


    [Und beim nächsten Bericht, gibt es dann wieder ganz viele Bilder, versprochen]