Kategorie: Reise

Unterwegs

  • 80 Meilen


    Um 3:15 wache ich auf, ok 15 Minuten vor dem Wecker. Passt so, denn ein langer Tag steht uns bevor. Wir wollen nach Milos, 80 Meilen bei nicht sehr kräftigem Wind und natürlich über das „offene“ Meer. Routiniert machen wir Philia startklar: Navigationslichter einschalten, damit wir gesehen werde, Radar und AIS damit wir auch was sehen. Das ist wichtig, denn die ersten 25 Meilen führen entlang einer vielbefahrenen Schifffahrtsstraße. Alles, was von Athen, Istanbul oder dem Schwarzen Meer nach Westen will, fährt da durch. Die Anzeigen im Cockpit werden auf Rotlicht umgestellt – das blendet nicht in der Nacht. Über das Hecklicht, dass ohnehin vom Dinghi verdeckt wird kommt eine rote Badehose, denn selbst die Reflexion des weißen Lichts würde blenden. Eine Taschenlampe übernimmt die Funktion des Hecklichts. Nicht exakt nach guter Seemannschaft, aber besser als gar kein Licht ist das allemal.

    Wir ziehen uns noch wirklich warm an, es ist Nacht und wir erzeugen zumindest Fahrwind, der uns weiter abkühlen wird. Die Müdigkeit wird auch zur gefühlten Kälte beitragen. Dann geht’s los – 03:50. Anker auf und Abfahrt in  die mondlose Nacht. Zunächst auf eines der wenigen Leuchtfeuer zu, doch das führt uns geradewegs in die Route der Großschifffahrt. Da kommt so alle 20 min ein richtig dicker Frachter an uns vorbei. Auch der zeigt nur 3 Lichter, zwei Mal weiß, ein Mal grün. Das sind die, die entgegenkommen. Gut so!

    Nach 1 Meile ändern wir den Kurs. Von den Klippen halten wir uns damit frei, von der Großschifffahrt auch. Dennoch sind wir als „Geisterfahrer“ unterwegs. Wir sollten auf der anderen Seite der Meerenge fahren, aber das ist uns einfach zu weit. Da am Rand geht es auch recht gut, und wir sehen die Großen ja immer am Radar und AIS – und hoffentlich sie uns auch.

    Die ersten Stunden sind einfache Nachtfahrt: 1 ½ Stunden bis zu einem Leuchtfeuer auf der linken Seite und dann nach leichter Kursänderung zum Kap Maleas.

    Bis wir dort sind, geht schon fast die Sonne auf. Dieses Kap hat einen schlechten Ruf: Da treffen sich zwei Windsysteme. Der mitunter recht kräftige Meltemi aus NE und die W Winde vom Peloponnes. Zusätzlich dürfte dort viel Tiefenwasser nach oben gedrückt werden. Alles zusammen gibt unangenehme Wellen und Fallböen. Fallböen erleben wir keine, da ist der Wind zu schwach, aber für unangenehme Wellen reichts allemal.

    In einigem Abstand vom Kap Maleas trauen wir uns dann die Segel zu setzen. Und nun beginnt das Spiel: Laut Wettervorhersage wir der Wind von NNW über N nach NNE und dann NE drehen. NE ist für uns unfahrbar, denn da wollen wir hin. Wir müssen also in Milos sein, bevor der Wind so weit gedreht hat. Und damit wir ihn möglichst lang nutzen können, müssen wir nördlich unserer Kurslinie fahren. Dann haben wir ein wenig Spielraum, wenn er dreht. Fahren wir jetzt in der Früh aber zu weit nach Norden, dann weichen wir 40 oder mehr Grad vom Kurs ab und machen damit nur mehr wenig Strecke nach Milos. Dann wären wir wieder zu spät, wenn der Wind vollends auf Nordost dreht.

    Wie man das also optimal anlegt, weiß man aber immer erst am Tag danach. Also muss das mit viel Gefühl geschehen. Ständig den Wind beobachten, schauen wohin der Autopilot steuert, Segelstellung optimieren. Schnell und hoch am Wind, ist das was wir versuchen. Hoch am Wind geht, schnell – naja – 3,7 kt, 4,2 kt … Susi will gerne den Motor zu Hilfe nehmen, ich will noch mit den Segeln und dem Wind spielen. Der nimmt wenigstens zu, die Fahrt auch, dafür dreht er nach vorne, was den Kurs näher an die Kurslinie heranrückt. Das geht übeber Stunden so

    Irgendwann sind wir dann fast parallel, aber immerhin 3 Meilen nördlich. Das Spiel kann beginnen. Das bedeutet dann aber auch manuelle Steuerung = selber machen, konzentriert arbeite. Der Autopilot wäre nicht so präzise um jede Winddrehung und Böe auszunutzen. Nicht nur einmal kurz bis zum nächsten Eck, nein das Eck ist die Einfahrt in die Bucht von Milos und die ist noch 50 Meilen entfernt. 10 Stunden volle Konzentration und Kampf um jeden Grad nördlicheren Kurs. 10 Stunden, nahezu ohne Pause – sehr sehr anstrengend.

    Ein Schiff, dass am selben Weg war wie wir, beherrscht das Spiel nicht so gut. Aus einer Position höher am Wind und schneller (geschummelt – mit Motor), verlieren sie nun kontinuierlich an Höhe und fallen zurück. Wenigstens das motiviert. Nach ein paar Stunden kann man nur mehr ihre Mastspitze am Horizont und deutlich südlich der Kurslinie erkennen. Wo die wohl hinkommen werden?

    Wir kämpfen weiter, vorerst mit Erfolg. Nur langsam nähert sich der von uns fahrbare Kurs dem direkten Kurs zum Zielpunkt an. Der Wind frischt auf, wir müssen beide Segel etwas einreffen. Das ist nie ein gutes Zeichen, denn dann läuft Philia nicht mehr so hoch am Wind. Trotzdem bemühen wir uns, heraus zu quetschen, was nur irgendwie möglich ist.

    Plötzlich erkennen wir aus den Augenwinkeln mehrere Schatten auf die Philia zuflitzen. Keine 6 m neben uns, springen 2 junge Delphine aus dem Wasser – so direkt auf Kollisionskurs. Knapp neben der Bordwand tauchen sie ab. Auf der anderen Seite sind sie kurz parallel zu uns, springen elegant aus dem Wasser. Einer dreht noch eine Ehrenrunde. Dann sind sie wieder weg. Toll.

    8 Meilen vor Anti Milos müssen wir doch den Diesel zünden. Wir brauchen Höhe zum Wind, um dann wieder Segeln zu können. Nach ½ Stunde geht es wieder und wir können die Einfahrt zu Milos anlegen. Milos, das ist eigentlich der Überrest eines sehr großen Vulkans, so ähnlich wie Santorin (Tira) nur ist hier die Kaldera (der Krater) besser erhalten. Durch eine sehr breite Einfahrt kann man in dieses Becken einfahren, dass unglaubliche 2 nm im Durchmesser misst.

    Und selbst die Einfahrt ist schon spektakulär. Mächtige rote Felssäulen auf der einen Seite, ein fast reinweißer Kegel schmückt die andere. Darüber, am Kamm des Hügels liegt die Chora, die Hauptstadt. Fast 5 Meilen sind von den roten Säulen bis in den Hafen zu fahren, noch eine gute Stunde! Genug Zeit, um die unterschiedlichen Felsformen und Farben, weiß, rostrot, grünlich und Schichtungen zu bewundern.

    Auf der linken Seite fällt uns ein Dorf auf, bei dem die Häuser extrem nahe am Wasser stehen. Jedes Häuschen hat in einer anderen Farbe bemalte Türen. Hübsch, erinnert irgendwie an das Bild von Murano bei Venedig.

    Der eigentliche Hafen ist nicht unser Ziel, wir wollen davor ankern. Da gibt es ein großes Ankerfeld, das auch uns noch großzügig Platz bietet. Um 20:15 bohrt sich der Anker in den Grund. 80,8 Meilen (150 km in etwas mehr als 16 Stunden.

    Fertig, aus.

    Ein schnelles Abendessen geht sich noch aus, dann fallen wir in die Kojen

  • Am Ende der Welt

    Die Ausfahrt von Kalamata ist uns ja schon bekannt, aber diesmal geht es nicht in Richtung Koroni, sondern wir halten uns östlich der Küste entlang. Tagesziel ist die Bucht von Limeni. Ja, wir wissen, die ist nicht ideal, doch sie ist groß und der Grund hält gut. Leider steht die Dünung der letzen Tage genau in Richtung der Bucht und der wenige Wind kommt von der anderen Seite. Alles andere als ideal.

    Zusätzlich zeigt sich dann die konfuse Welle vor der Einfahrt zur Bucht. Da steigt der Meeresgrund rasch an und Wellen bauen sich auf, die aber von den Flanken der Bucht reflektiert werden. Da schüttelt es uns ordentlich durch, auch wenn jede einzelne Welle nicht wirklich hoch ist.

    Ist man da durch, gibt es den nächsten Willkommensgruß: Regenschleier hängen genau über der Ankerzone. Also auch noch das Schiff regenfest gemacht, selber das Ölzeug hervor gekramt und – so wie den ganzen Tag schon – gegen den Wind an motort. Wenigstens der Anker hält sofort. Der hat uns eigentlich bisher noch nicht enttäuscht. Bei Steinplatten hat er halt nichts zu melden, aber das schafft kein Anker.

    Sobald wir den Motor abgestellt haben, beginnt das große Rollen. Der nachlassende Wind hält das Schiff nicht mehr im rechten Winkel zu den Wellen und so beginnt es zum Teil heftig hin und her zu schwanken. Was unter Tags ja vielleicht noch lustig ist, wird in der Nacht zur Tortur. Schön ist das alles nicht, aber wir müssen da durch. Limoni ist der einzige Ankerplatz zwischen Kalamata und dem Kap Tainaro.

    Dieses Kap ist das Ende einer sehr langen, hohen und schmalen Landzunge und ragt weit ins Meer hinaus. Wind und Strömung werden da massiv behindert und zeigen sich in unangenehmen Wellen die oft doppelt so hoch sind, wie nur ein paar Meilen davor oder danach. Morgen sollen die Bedingungen gut sein, und nur deshalb haben wir heute den ganzen Tag Diesel verbrannt und nehmen diese Nacht in Kauf.

    Wie zu erwarten ist die Nacht kurz. Schon um 8 treten wir die Flucht an. Auch so früh gelingt das Segeln nur bedingt und es bleibt bei einem kurzen Versuch. Naja, kein Wind heißt auch keine Wellen. Und keine Wellen doppelt so hoch, sind immer noch keine Wellen. Also für da Kap Tainaro ist das eine gute Prognose.

    Zuerst geht es aber nach Süden zum Kap Grosso – und das hat seinen Namen verdient. Ein Felsblock, der 200 m in das Meer hinabstürzt, mit senkrechten Wänden und im Wasser noch einmal 150 m in die Tiefe. Was da für Kräfte gewirkt habe müssen, um so was zu formen? Nach dem Kap Grosso geht es in Richtung Süd Ost weiter zum gefürchteten Kap Tainaro. Es ist uns aber gnädig und erst kurz davor kommt etwas Wind auf. Dank des frühen Starts sind wir schon zu Mittag dort und da haben die Nachmittagswinde noch nicht richtig eingesetzt.

    Gleich danach, auf Kurs Nord, geht es aber richtig los mit dem Wind. Segel rauf und wenigstens noch 5 Meilen gesegelt. Immer nahe die Küste entlang und auf der Suche nach der Einfahrt nach Porto Kagio. Das ist eine fast 300° umschlossene Bucht mit einer schmalen Einfahrt, die man erst aus der Nähe richtig erkennt.

    Die ersten Hinweise sind ein kleines Kirchlein auf einem Hügel und später der dünne Pfahl eines Leuchtfeuers. Später dann blinzelt der Mast eines Segelschiffs über den Hügel herüber. An der Einfahrt selbst ist das Wasser noch über 80 m tief. In der Runden Bucht wird es aber bald flacher, so dass wir auf 10 m in Sand ankern können. Und das ist gut so: Einerseits ist dann noch Platz zum Ufer, falls der Wind dreht, andererseits können wir genügend Ankerkette legen, um auch stärkeren Wind auszuhalten. Und der Wind kommt bald. Mit 15 bis fast 20 kt (35 km/h) kommt er vom Berg herunter und wirbelt in der Bucht herum. Sieht seltsam aus, wenn die Schiffe alle irgendwie anders stehen.

    Als wir gekommen sind waren wir 4, am Abend stehen dann 15 da – und immer noch Platz für mehr. Sehr angenehm. Susi und ich fahren dann an Land. Das Dinghi wird an einem Steg festgemacht und wir sind mitten im Dorf. Also Mitten drin ist bei 10 Häusern ja recht einfach. Der Ort Porto Kagio besteht aus einer langen steilen gewundenen Straße. So steil, dass der Müllwagen nicht ganz herunter kommt. Die „Infrastruktur“ besteht aus 25 Strandschirmen, wobei fast die Hälfte zu den beiden Tavernen gehören. Da gibt es dann zu den Calamari fritti nasse Füße. Dann gibt es noch ein Hotel mit Restaurant, aber nur für die eigenen Gäste (!). Ach ja, eine Bar mit Aussicht gibt es auch noch. Die Hauptattraktion ist das Kirchlein in der Einfahrt. Zur Unterhaltung der Touristen gibt es da eine Glocke im Freien, die man – wenn man sich traut – auch mehr oder minder zart anschlagen kann.

    Das war’s dann.

    Kein Souvenir Geschäft, keine Standl mit Klumpat, kein Fast Food, kein Touristenzug. Nicht einmal ein Mini Market ist da. Mini, das bedeutet hier unter 10 m² Geschäftsfläche. Kurz, da ist wirklich nix. Einmal am Tag kommt der Bäcker und der Gemüsemann mit dem Auto vorbei. Der Gemüsemann hupt, dem Bäcker ist das zu mühsam. Den kann man aber leicht stoppen, denn es gibt ja nur die eine Straße und wenn er schon im Ort ist, dann muss er diese Straße auch wieder zurück kommen.

    Was macht man also da? Mit allen Sinnen genießen. Zum Beispiel am Weg zum Kirchlein, da geht man durch das niedere Gestrüpp und da blüht es zartlila. Und wenn man da hinschaut, erkennt man wilden Tymian. Und wenn man dann riecht – herrlich!
    Man kann aber auch den Weg entlang hetzen, eine Kirche finden, die 1000 anderen Kirchen gleicht, sich an einem Stein die Zehen stoßen und im Dorf nicht das bekommen, was man sucht. Ist das laaaangweilig hier!

    Der junge Tavernenwirt, der findet das schön. Der ist stolz darauf, am Ende der Welt zu leben, auch wenn der nächste Supermarkt 12 km Bergstraße weit weg ist. Auch wenn der Wind mit 40 kt durch die Bucht pfeift, dass alles wegfliegt. Er weiß, dass das noch lange so bleiben wird, denn keine Familie, die ein Haus im Paradies besitzt, will es verkaufen. Wer in dieses Paradies will, darf hier nur für ein paar Nächte zu Gast sein.

    Nach einer Nacht brechen auch wir wieder auf. Nicht weil wir Porto Kagos langweilig finden, sondern weil wir dem Wetterfenster nach Milos nachjagen. Übermorgen soll eine angenehme Überfahrt möglich sein und dazu müssen wir erst zu einem günstigen Startpunkt kommen.

    Der heutige Start ist vielversprechend: In Porto Kagos weht der Wind – und das aus der richtigen Richtung. Wobei, eigentlich hat er nur zwei wirkliche Möglichkeiten: aus dem Osten, oder aus dem Westen. Hinter Porto Kagos liegt nämlich eine Lücke im Gebirgskamm und das schränkt die Windrichtung einfach ein. Heute bläst er nach Osten, also genau richtig!

    Optimistisch wie wir sind, werden sofort nach dem Hochholen des Ankers die Segel gesetzt. Vollzeug, what else! Bis zur Ausfahrt ist ja alles gut, aber die ist nach ein paar hundert Metern da. Dann fächert sich der Wind auf, dreht nach links, dreht nach rechts, wird schwächer, stirbt. Blöder Hund!
    Nur zwei Schiffe mit Leichtwindsegeln haben den Motor noch nicht angeworfen. Die sind aber trotz der riesigen Segel sehr geduldig und plätschern mit 3 ½ kt dahin. Wir schaffen 2 ½ – deutlich unter unserem Limit für eine 25 Meilen Strecke. 10 Stunden wollen wir nicht brauchen. Mit Motor geht’s schneller, vielleicht kommt er ja noch, der Wind. Und er kommt, zuerst zart, dann brauchbar. Brauchbar heißt für uns schwach, aber von vorne. Der Wind + der Fahrtwind geben dann eine gute Kombination ab. Philia springt an und nimmt Fahrt auf. Die beiden anderen Schiffe müssen ihre großen Segel einholen – und sind dann sogar langsamer als wir. Regatta time – again!

    Das wird aber eher ein Slalom, denn immer wieder liegen große Frachtschiffe im Weg. Die treiben da einfach im Lakonischen Golf und warten bis die Zeit vergeht. 16 haben wir am AIS gezählt – und wir quer durch.

    Bei Elafonisos haben wir eine schwere Entscheidung zu treffen: Da gibt es 2 Sandbuchten, nur durch einen schmalen Landstreifen getrennt. Die kleinere Bucht im Osten ist etwas besser geschützt, aber schon mit 12 Schiffen gut gefüllt. Die andere Bucht im Westen ist gut 1 km lang, weniger geschützt und leer. Links oder rechts? Also dann rechts, aber dann ganz rechts. Zwei Segler stehen schon dort, wir stellen uns dazu. 3 m Wassertiefe, glasklar und türkisgrün – Bilderbuch, kaum zu glauben!

    Mit dem Dinghi geht’s an Land. Ein paar Sonnenschirme und Liegen stehen da. Irgendwas von einem Campingplatz steht da, sehen tun wir ihn nicht. Was wir aber sehen du fühlen ist feiner Sand. Wir gehen also los, einmal ganz ans Ende. Sand, viel Sand, dahinter Dünen mit Hügeln und unterschiedlichsten Gewächsen. Und an manchen Stellen im Sand seltsam geschliffene Felsplatten. Ja, für Geologen ist diese Gegend ein wahres Paradies. Das wird sogar noch besser, wenn man zu den Vulkaninseln kommt.

    Zurück am Schiff nur ein kurzes Abendessen und rasch ins Bett. Der morgige Tag wird lang, sehr lang. 80 Meilen stehen am Programm! Eine der längsten Strecken, die Susi und ich uns bisher vorgenommen haben.

    Und so ganz simpel soll das auch nicht sein – sagt man.

  • Wir ziehen weiter


    Seit 18 Tagen sind wir, mit Unterbrechungen, in Kalamata. Eine nette Stadt in der man sich gut versorgen kann, aber irgendwann reichts dann einfach. Der Drang weiterzuziehen wird immer größer. Zuvor müssen aber noch ein paar kleinere Arbeiten am Schiff erledigt werden.

    Der Kühlschrank bekommt zum ersten Mal seit 22 Jahren ein Service und einen neuen Thermostaten. Die Temperatur driftet willkürlich durch die Gegend und der Thermostat ist so verrostet, dass man ihn nicht mehr verstellen kann. Ein Kühltechniker unterstützt uns. Er füllt Gas nach, baut einen Mechanischen Thermostat ein, empfiehlt aber, wenn möglich auf einen elektronischen umzurüsten. Mach ma doch gleich. Im Elektrogeschäft gleich ums Eck gibt es so ein Teil und wir basteln das ins Schiff.

    Und dann – nix. Der Kühlschrank springt nicht mehr an. Wir brauchen den aber. Die telefonische Fernwartung zwischen 9 und 10 am Abend bringt auch nichts. In der Früh wird dann eine neue Steuerung eingebaut und der elektronische Thermostat justiert – passt. Für die Kalibrierung des Thermoelements besorge ich mir in der Pizzeria nebenan ein paar Eiswürfel. Gewusst wie, 0° kann man ja ganz einfach mit Eis im Wasserglas herstellen. Geschafft.

    Dann experimentieren wir noch mit einem zweiten Ladegerät für die Lithium Batterie herum. Mein Versuch mislingt. Das Problem lässt auch den herbei gerufenen Elektriker ratlos zurück. Nach 90 min messen, schauen und gübeln gibt er auf. Keinen Cent will er dafür haben, denn „er konnte uns nicht helfen!“ Sehr ehrliche Haut. Nicht einmal Trinkgeld nimmt er an.

    Bei den Einkäufen im Marinehandel unseres Vertrauens lernen wir Sarina und Peter kennen. Die beiden haben vor 3 Jahren in Wien alles verkauft und leben nun am Schiff. Die haben unheimlich viel Erfahrung mit den Gegebenheiten in Griechenland und kennen sich auch in Kalamata super aus. So lernen wir durch die beiden „das Schwein“ kennen: Bei einer Fleischerei wird zwei Mal in der Woche eine halbe junge Sau gebraten und dann scheibchenweise Verkauft. Da müssen wir hin – zur Frühstückssau. Die wird ganz einfach am Papier am Edelstahltisch serviert. Getränke und Brot dazu muss man sich mitbringen – es ist ja eine Fleischerei. Aber der Getränkekiosk und die Bäckerei sind nur ein paar Schritte entfernt. Herrlich das Vieh. Ich nehm gleich noch eine Portion auf die Philia mit. Gibt ein prima Abendessen in den nächsten Tagen.

    Zum Abschluss gibt es noch einen Besuch auf dem traditionellen Markt von Kalamata. Ein Markt, so wie er bei uns vor 40 oder mehr Jahren üblich war: Fischer, Fleischer, Gemüsehändler, aber auch welche mit Raritäten bieten ihre Waren an. Da findet man Stände voll mit duftenden Kräutern, ein alter Mann verkauft Schüsserln mit schwarzen Maulbeeren, ein jüngerer hat zwei Körbchen mit Eiern und ein paar Bilder davor um zu beweisen, dass die Eier von seinen überaus glücklichen Hühnern stammen, und er deren Chef ist. Eine Fischhalle darf auch nicht fehlen. Imker bieten ihre Honige an. Geheimtipp: Einmal einen Thymianhonig probieren – äußerst würzig, toll!

    Gegen Ende der Marktzeit, so um 12 wird dann alles billiger oder bei der Waage aufgerundet. Wobei, 1 kg frische Orangen um 80 Cent ist ja eh schon geschenkt, oder? Bevor Ware liegen bleibt, wird sie wo dazu gepackt. So haben wir dann zwei etwas traurige Bund Dille, die aber mit etwas Wasser aufgepeppt werden. Die geben dann eine prima Dillsauce.Und so wird der Kühlschrank noch voller 😊

    Eine Ladung Wäsche waschen geht sich auch noch aus. Hin und wieder muss das sein. In den Selfservice Wäschereien geht das zu einem akzeptablen Preis.

    Trotzdem geht es am Sonntag Vormittags dann endlich los, in unbekannte Gewässer.

  • Regen fällt …

    … auf Milos. Ein Lied von STS, dass uns beiden ganz besonders gefällt, ist der Antrieb für den nächsten Abschnitt und einen längeren Aufenthalt.

  • Ab in den Hades!


    Die mittlere Halbinsel des Peloponnes war bei den antiken Griechen das Ende der Welt. Zusätzlich ist der Kalkstein dort sehr weich und deshalb von hunderten Höhlen durchzogen. Eine davon ist eine zugängliche Tropfsteinhöhle, und die wollen wir sehen. So an die 80 km ist sie von Kalamata entfernt. Erst als wir im Auto sitzen, erklärt uns Google, dass das eine lange Reise wird. Fahrzeit mehr als 2 Stunden.

    Was wir unterschätzt haben: Die Gegend ist unheimlich gebirgig, und so schlängelt sich die Straße in vielen Kurven durch enge Schluchten und Bergdörfer und dann wieder hinunter zur Küste, und wieder hinauf und wieder hinunter. Immer wieder ist die Straße so eng, dass zwei Autos im Gegenverkehr nicht durch den Ort passen. Aber schön ist das schon auch.

    Bei der Höhle von Dyran angekommen gibt’s eine kurze Pause samt Stärkung. Die Höhle selbst ist spektakulär:
    Da der Kalk sehr brüchig ist, dringt viel Wasser in die Höhle ein. Gleichzeitig ist die Lufttemperatur rund 17 °C, also die Verdunstung funktioniert gut und somit wachsen die Tropfsteine. Tausende dünne Sinterröhrchen hängen von der Decke, dazwischen ganz viele ältere Steine, viele bereits zu Säulen verbunden. Was aber dann wirklich besonders ist: Die Höhle ist zum größten Teil geflutet. Die Besucher werden mit einem flachen Kanu rund 1,5 km durch die Höhle gepaddelt.

    Diese 1,5 km sind aber nur ein kleiner Teil der erforschten Höhle. 12 km sind bisher bekannt. Die größte Tiefe, in der Tropfsteine gefunden wurden ist 71 m unter dem heutigen Meeresspiegel, und damit natürlich unter Wasser. Das heißt aber, dass das Mittelmeer bei der Entstehung der Höhle so viel tiefer war. OK, ausgetrocknet war es auch schon einmal – wie der Neusiedler See, nur länger. Aber das anfüllen war dafür schnell. In rund einem ¾ Jahr soll das erfolgt sein, nachdem sich die Landenge von Gibraltar geöffnet hat – ist aber eine andere Geschichte.

    Auf der Rückfahrt machen wir in einem Bergdorf „Jausenpause“. Eine riesige Platane gibt dort kühlen Schatten. Andere Bäume ergänzen den Schatten. In der Taverne gibt es sehr lokale Speisen zu sehr moderaten Preisen. Feine Sache!

    Und dann hat Magdalena einen Zugang zum Strand entdeckt. Den müssen wir unbedingt ausprobieren

    Zurück geht es dann zügig durch die viel Kurven wieder nach Kalamata. Dann noch rasch das Auto zurückgeben und den Tag ausklingen lassen.

    Schön war’s!

  • Zeus und der Sport

    Für die nächsten zwei Tage haben wir ein Auto gemietet. 90 € für einen Seat Ibiza (mit Klimaanlage !!) geht eigentlich. Jetzt sind also Touristen Tage angesagt. Die erste Tour geht nach Norden. Zuerst ein Stück Autobahn, mit Maut (1,90 €) und dann viel Landstraße. Das Ziel? Ancient Olympia! Das ist so ziemlich das Epizentrum der griechischen Antike – ein must see.

    Als wir ankommen, fahren einige Busse schon wieder weg, gut so. An der Kasse eine Überraschung: Ich frage nach 5 Tickets. „Where do you come from?“ „Avstria“ „3 Persons are free“ ??? Wegen Österreich? Ich frag nach. Ah, die 3 “Kinder” warden als unter 25 eingeschätzt, und junge Menschen sind gratis. Auch ein schöner Zug!

    1 – Überdachte 200 m Laufbahn
    2 – Trainingsgebäude für Ringkämpfe etc. Innenhof als Sandfläche
    4 – Werkstatt für die Zeus Statue, später byzanthinische Kirche
    5 – Leonidaion / Wohnort für hohe Gäste (IOC und so)
    7 – Ort für den Olympischen Schwur über Fairness und so
    8 – Zeustempel
    9 – Echohalle mit 7fachem Echo
    11 – Stadion
    12 – Schatzhäuser mit den Opfergaben einzelner aber nicht aller Städte
    22 – hier wird seit 1936 die Olympische Flamme entzündet

    Und was bekommt man da jetzt zu sehen? Lauter alte Steine, umgefallene Säulen, gute Schautafeln. Naja, ist ja schon recht alt hier. Als Olympia begonnen wurde, vor 3000 Jahren, haben bei uns die Kelten mit dem Salzabbau ihr Geld verdient. Andererseits waren die Pyramiden von Gizeh auch schon wieder 2000 Jahre alt und Ötzi ebenso lange bereits tiefgekühlt.

    Olympia ist ein riesen Komplex aus Sport und Trainingsanlagen. Häuser mit Seitenlängen von 60 bis 80 m, lange Säulengänge. Für den olympischen Sprint (fast 200 m) gab es einen eigenen Säulengang. Klar gibt es auch eine Anlage für die Ehrengäste, also das IOC, so zu sagen. Da war dann im Innenhof nicht eine Sandfläche für die Ringer und das Sandbad, sondern eine große Brunnenanlage. Offensichtlich wollten schon damals die „hohen Herren“ beim Sport keinesfalls mit machen. Gesehen werden war offensichtlich schon genug.

    Für den Herrn Nero, er war einmal da, wurde ein eigener Komplex errichtet. Naja, immerhin war der ja Kaiser von Rom. Für das niedrige Volk hingegen, gab es das Stadion mit 40.000 Stehplätzen. Deren Probleme waren damals die gleichen wie heute beim Nova Rock Festival: Trinkwasser, Abwasser, Futter. Das Stadion gibt noch einen guten Eindruck, was dort los war. Sogar die Starlinie für die Laufbewerbe ist noch vorhanden: In den Boden eingelassene Marmorblöcke mit zwei parallelen Rillen, die als „Startmaschine“ dienten.

    Aber Olympia war auch ein Weiheort. Da gab es einige Tempel für verschiedene Gottheiten, allen voran Zeus. Für den wurde ein Tempel errichtet, dessen Säulen 15 m hoch waren. Im inneren ein Standbild, das alles in der Antike übertraf. Natürlich war das Darbringen von Opfern, Teil der Olympischen Spiele. So wurden am Ende der Spiele 100 Stiere geopfert und deren Hinterbeine rituell verbrannt. Der Altar des Zeus war also eigentlich ein riesiger Aschehaufen. Für den Rest der 100 Stiere wurden sicher auch dankbare Abnehmer gefunden, die dann mit dem Feuer aber vorsichtiger umgegangen sind. Asche nährt nicht sonderlich.

    Und wie auch in den christlichen Kirchen gab es Bauwerke und Kunstgegenstände, die von reichen Menschen gestiftet wurden, um sich die Gunst der Götter zu erkaufen.

    Vieles davon wird im angeschlossenen Museum gezeigt. In Summe eigentlich viel mehr Information als ein einzelnes Hirn an einem Tag sammeln kann. Man müsste viel mehr Zeit hier verbringen, um all das zu erfassen.

    Der Rückweg führt uns an Kypirissa vorbei – richtig, der Hafen mit den Schildkröten. Die wollen wir den Kindern auch noch zeigen. Eine haben wir ja bei der Abfahrt von Kalamata vor 3 Tagen schon gesehen, aber hier hoffen wir auf bessere Beobachtungen. Und es gelingt: die Köpfe der Schildkröten tauchen im raschen Wechsel an verschiedensten Plätzen auf, nur aus der Nähe will sich vorerst keine zeigen.

    Später dann aber gelingt es. Eine Schildkröte schwimmt die Mole entlang, immer nur ein oder zwei Meter von mir entfernt, zum Teil unter den dort liegenden Booten durch, zum Teil an deren Heck vorbei. Einmal verhängt sie sich sogar in den Mooring-Leinen. Ist aber kein Problem für das Tier, Retourgang einlegen und aus den Tauen befreien.

    Am gesuchten Futterplatz taucht sie ab und beginnt Seegras, aber auch alle Arten von Weichtieren, Muscheln und kleinen Krebsen abzuweiden. Der kräftige Schnabel hilft, wenn der nicht reicht kommen die Vorder-„Paddel“ zum Einsatz. Aufgetaucht wird nur alle 3 – 5 Minuten – sie hat ja Zeit.

    Und wenn das Meer schon nahe ist, wird auch noch der Strand besucht. Erst kurz nach 8 sind wir zurück beim Schiff.
    Gut, dass die Sonner erst um 20:35 untergeht.