Der nächste Tag zerrinnt zwischen den Fingern, also wir lassen ihn zerrinnen. Nachmittags bringe ich Susi an Land, um sie glücklich zu machen: Shoppen ohne Jörg!
Erst gegen 6 ruft sie mich an und wir treffen uns im Hafen. Das Dinghi wird festgemacht und wir schlendern los. Ganz zufällig kommen wir zum alten Kastell. Das ist eine recht seltsame Konstruktion, denn die Überreste griechischer Tempel wurden hier ganz offensichtlich in die Mauern eingebaut. Wenn sich heute jemand sowas trauen würde! Aber es geht noch ärger: Die christlichen Missionare haben die Bevölkerung aufgefordert, den Marmor zum Kalkbrennen zu verwenden. Marmor ist ja reiner Kalk, geht also prima. So wurden Kunstwerke und Tempel systematisch vernichtet. Fast so endgültig wie die Hexenverbrennung. Ganze Arbeit in der Vergangenheitsbewältigung.
Ziellos schlendern wir weiter und kommen auf einen kleinen Platz vor einer Kirche. Der Platz ist erhöht vor dem Ufer, höher als die Palmen. Damit gibt es ungehinderten Blick auf den Sonnenuntergang. Das hat aber noch Zeit. Gleich daneben ist ein kleines Lokal in 2 Ebenen.
Unten ist reger Betrieb, viele der kleinen Tische sind besetzt. Oben, da wo der Blick zum (zukünftigen) Sonnenuntergang ungestört ist, stehen nur 2 Tische, einer ist besetzt. Wir fragen nach, ob wir den anderen haben können. Können wir. Glück muss man haben.
So genießen wir bei bester Aussicht und Laune unser Abendessen – und den Sonnenuntergang – und den Blick auf den Platz vor der Kirche. Mir fällt auf, dass von den Zusehern mindestens 80% junge Frauen sind. Da also kann man die kennen lernen! Muss ich einmal meinen Schülern sagen 😉
Nach dem Essen schlendern wir das Ufer entlang zum Masutis = Supermarkt und decken uns dort ein. Dann ist es nur mehr über die Straße bis zu unserem Wassermoped, dem Dinghi und zu Philia.
Eigentlich ein genialer Nachmittag und Abend, oder?
Wir machen wieder einmal auf „faule Tage“. Hinter dem Boot ins Wasser zu springen, was zu lesen oder den einen oder anderen Handgriff am Schiff zu tun, erschöpft uns vollkommen. Erst am Abend machen wir das Dinghi klar und fahren in den Hafen. An einer kleinen Rampe machen wir fest. Sofort sind wir an den für Seglern wichtigsten Hot Spots: Masoutis = eine der griechischen Supermarktketten und daneben ein Schiffsausrüster. 10 Schritte weiter noch ein Mopedverleiher. 25 € will er für einen Tag, 40 für zwei. Gut, später.
Wir schlendern ziellos durch die Stadt und kommen bei einer großen Kirche vorbei. Was heißt „einer großen“. Es ist die größte in der Ägäis und es sind eigentlich vier Kirchen an einem Platz. Was von außen irgendwie aussieht wie eine alte Bibliothek ist innen ein wunderbarer Innenhof mit Arkaden und hohen Bäumen. An einem starken Aste einer Zeder hängen zwei Glocke – originell, hab ich so noch nicht gesehen.
In der „Hauptkirche“ beginnt gerade der orthodoxe Abendgottestdienst. Erkennbar zunächst, dass in der Kirche zwei Popes herum laufen und dann die Kirchenglocken hektisch zu bimmeln beginnen. Nicht so wie bei uns, wo zwischen zwei Glockenschlägen die Glocke oder der Klöpel hin und her schwingt. Hier sind es elektromagnetische Hämmer, die auch 4x pro Sekunde anschlagen, wenn das gewünscht ist. Und das machen dann bis zu vier Glocken gleichzeitig und durcheinander. Also mich würde das nicht zur Besinnlichkeit aufrufen.
Das ist hier offensichtlich auch nicht nötig. Bald beginnt der Singsang des Pope, aber wir sehen nicht woher. Die werden es doch nicht so machen wie der Ruf des Muezin, der auch vom Tonband kommt? Nein, machen sie nicht! Der Pope ist echt, steht aber hinter irgendeiner Säule, nicht irgendwo prominent in der Mitte. Ist aber auch egal: Es gibt nämlich niemanden, der sich um den Gottesdienst kümmert. Nicht einmal ein altes Muaterl ist da, so wie bei uns greise Damen oft das einzige Publikum in der Abendmesse sind.
Das muss für den Pope schon frustrierend sein. Ist er im Dorf unterwegs, bekreuzigen sich die Griechen drei Mal und tun recht gottesfürchtig. Gibt es dann einen Gottesdienst, die große Show, ist das komplett wuascht. So hat er in seiner Gemeinde wahrscheinlich noch weniger Wichtigkeit als bei uns, eher so ein traditionelles Showelement.
Kurz darauf versacken wir in den Seitengassen. Ich wollte nur durchschlendern, Susi „schauen“ – also im Zick Zack zwischen den Geschäften hin und her pendeln und jeweils für eine gefühlte Ewigkeit drinnen verschwinden. Hab ich mir anders vorgestellt. Immerhin wollten wir noch bei Masoutis einkaufen und dann auf der Philia ein gemütliches Abendessen beim Sonnenuntergang essen.
Mit dem Versprechen, später wieder zu kommen hab ich es geschafft, Susi los zu eisen. Ist aber ein sehr netter Ort, dieses Pariki.
Nach einem gemütlichen Frühstück soll es heute „nur“ in den Hafen von Parikia (Paroikia) gehen. Das ist der Hauptort von Paros und eine sehr gut geschützte Bucht. Immerhin ist wieder einmal stärkerer Wind angesagt. Dort hin gibt es zwei Wege: Östlich um Antiparos herum, aber da ist der Wind mit Sicherheit genau auf die Nase = aufkreuzen. Zusätzlich gibt es beim Ort Antiparos eine nur 3 m tiefe Passage, um die sich allerlei Geschichten ranken. Mit Bojen oder Leuchtfeuern abgesichert ist das natürlich nicht. Die Griechen kennen sich aus und die Touristen sollen halt aufpassen.
Der zweite Weg führt rund um Despotiko und dann im Westen von Antiparos die Küste entlang. Da ist viel Platz und mit ein wenig Glück könnte sich ein Kurs hart am Wind ausgehen. Susi ist da sehr dafür, wegen dem Platz und der Tiefe und der Aussicht auf eine einfache Strecke. Aufkreuzen zwischen zwei nahen Küsten ist doch immer mit viel Anspannung und Arbeit verbunden.
Um 10 geht es los, fast zeitgleich mit der LAUSA. Die Beiden wollen aber Richtung Westen, nach Athen und weiter nach Isthmia. Aufmerksame Leser der Homepage kennen das schon. Isthmia liegt am östlichen Eingang zur Straße von Korinth. Die Gegend könnte auch für uns noch wichtig werden.
LAUSA in voller Pracht. 2 Stunden später hing das Vorsegel in Fetzen
Schon kurz nach der Abfahrt passieren wir einen mächtigen Großsegler, die MALTHESE FALCON. Der 88 m lange Dreimaster trägt bis zu 2400 m² Segelfläche. Um 480.000 USD / Woche kann man das Ding chartern. Wir sehen sie leider nur vor Anker liegen, mit langen Landleinen gesichert. Klar, bei der Länge und dem Tiefgang kommt man halt in kaum eine Bucht hinein.
Malthesian Falcon: 88 m lang, 6 m Tiefgang, 114 Mio teuer
LAUSA verabschiedet sich von uns und wir biegen ab in die Durchfahrt zwischen Despotiko und Strongylo. Natürlich nimmt der Wind da zu, gut 18 kt sind’s und wir haben immer noch Vollzeug stehen ☹.
Eigentlich ist diese Passage ja breit und tief genug – wenn da nicht diese verdammt schnellen Fähren wären, die sich da auch durchzwicken wollen. Gegen deren 33 bis 40 kt Geschwindigkeit können wir natürlich nichts ausrichten, und es kommt, wie es kommen muss: An der engsten Stelle der Durchfahrt rast die erste an uns vorbei. Die zweite kommt etwas später und biegt unmittelbar vor der Durchfahrt nach rechts, Richtung Parikia ab.
Zum Gruß schickt sie uns zwei mächtige Wellen, die uns plötzlich überraschen. Wir schießen mit zu viel Segel und zu viel Wind in die zwei sehr steilen Wellen. Philia bäumt sich auf und schlägt zwei Mal krachend in die Wellentäler. Wasser spritzt hoch auf. Mit einem Schlag ist unsere Geschwindigkeit weg. Die Gewalt des Meeres und die unglaublichen Kräfte ängstigen Susi. „Ich will das nicht! Das ist kein Urlaub mehr!“
Gut, die Wellen sind heute etwas höher, also ehrliche 1,4 m sind das schon. Und das bedeutet dann, dass da auch ein paar 2 m Wellen dabei sind. Bei denen sieht man nicht mehr über den Wellenkamm, wenn Philia gerade im Wellental schwimmt. Irgendwie gruselig. Gruselig ist auch, was der Wind so macht: In der Nähe der Insel, wir müssen ja die Küste hinauf, pfeift es mit bis zu 28 kt. Für uns heißt das, beide Segel auf „sehr klein“ verkleinern. Philia macht dann immer noch 4 – 5 kt Fahrt, legt sich nur wenig auf die Seite und benimmt sich wie ein ganz braves Schifflein. Das Stampfen in den Wellen ist aber trotzdem keine Freude.
Kommt man dann so 2 – 3 Meilen von der Küste weg, schläft der Wind fast ein, also weniger als 10 kt und die Wellen sind nur mehr halb so hoch. So, mit den kleinen Segeln, schaffen wir aber auch kaum 3 kt, stehen also mehr oder weniger in der Gegend herum. Was hilft da dagegen? Ausreffen = Segel wieder groß machen. Da wir aber nicht nach Siphnos oder Seriphos wollen, müssen wir wenden, also näher an die Küste von Antiparos – und dort lauert der Wind und die Wellen.
So beginnt das Spiel bei jeder Wende von neuem: Wind und Wellen nehmen zu, wir schießen mit fast 7 kt dahin – Segel klein machen. Wende, Wind und Wellen nehmen ab, Philia mach kaum mehr 4 kt – Segel groß machen, Wende … so geht das gut 3 Stunden lang! Immer wieder garniert mit hohen Wellen, in die Philia tief eintaucht. Zum Glück aber, kommt nur wenig Wasser an Deck, so dass wir sogar die Sprayhood offenlassen können. Nur das Schiebeluk am Niedergang machen wir zu, damit innen nicht alles salzig wird. Mühsam nähern wir uns der Einfahrt nach Parikia.
Diese Einfahrt hat es auch in sich. Insgesamt 4 Felsgruppen sind dem Hafen vorgelagert und müssen richtig umfahren werden. Dazu kommen dann viele Freizeitskipper, die auch dort hin wollen. Damit es aber so richtig spannend wird, ist Parikia auch noch der Fährhafen von Paros. Bis zu 3 Fähren liegen gleichzeitig im Hafen, dazu kommen dann noch Frachtschiffe für Gefahrgut-LKW oder das Treibstoff-Tankschiff.
Da ist richtig was los und wir kommen hart am Wind, mit einer Menge Abdrift in Richtung der Felsen daher. Den Kampf geben wir uns nicht und schalten den Diesel dazu, trotz Wellen und Schräglage! Für Fahren bei Schräglage ist ein Marinediesel ja gebaut, nur wenn die Wellen zu arg sind, dann zieht der Propeller Luft ein und sprudelt für ein paar Sekunden geräuschvoll, aber wirkungslos vor sich hin. Geduld, Geduld, aber wir nähern uns dem Hafen. Also eigentlich der Bucht davor, denn der Hafen von Parikia ist winzig und immer voll belegt.
Zu allem Überfluss hat es eine Charterfirma geschafft, an den Wochenenden auch noch die gesamte Außenseite der Mole in Beschlag zu nehmen. So ist gerade einmal Platz für 10 Schiffe, aber von der schmalen Sorte. Wenn nötig werden da noch weitere 5 mit dem Bug voran dazwischen hinein gestopft. Wenn das beim Korken im Wein hält, warum dann nicht auch bei Schiffen. Bestechende Logik!
Dass wir da keine Chance haben, ist uns ohnehin klar, also suchen wir sofort einen schönen Platz in der Bucht. Da kann man wählen zwischen „hohen Wellen von den Fähren“, das ist nahe zum Fähranleger, „sehr flachem Wasser“, das wäre dann bei den Badestränden im Scheitel der Bucht, „Beach Club Musik auf Vollgas“, das wäre bitte schön links beim Hügel, oder „griechische Schlager“ auf der rechten Seite. In der Mitte gibt es dann die bunte Mischung, je nach Windrichtung und Fährenfahrplan.
Wir entscheiden uns für Mitte Links, eher weiter hinten. Hinten war uns wichtig, denn falls wirklich der vorhergesagte Meltemi kommt, könnten wir noch die Ankerkette verlängern.
Für uns passt das so, und wir steigen einmal zum Entsalzen ins „kühle“ Salzwasser. Naja, die dicken Salzkrusten gehen so schon weg, so ist das nicht!
Beim Ablegen in Milos bläst der Wind – genau auf die Nase, was sonst. Wir geben uns aber sportlich und kreuzen auf. Damit es nicht zu einfach wird, wollen wir noch in Klima mit den nette Syrmata (Bootshäusern) vorbeischauen. Für uns bedeutet das, zweimal quer durch die Bucht zu fahren und dann aber genau vor Klima anzukommen. Ich will noch näher hin, Susi will schon abdrehen – das alte Spiel. Egal, wir machen ein paar Fotos von den bunten Bootshäusern und wenden.
Noch zwei Schläge braucht es, bis wir aus der Bucht von Milos draußen sind. Und dann – statt nun mit Wind von der Seite, kommt er – wieder von vorne. Hart am Wind, aber immerhin segelbar. So ziehen wir an der Nordküste von Milos vorbei und zielen auf die SW Ecke von Kimolos. Dort erhoffen wir und in einer großen Bucht Windschutz und ruhiges Wasser. Das mit dem Windschutz gelingt, das mit dem ruhigen Wasser nicht so ganz. Zumindest am Nachmittag ist es noch etwas rollig. Gegen Abend machen wir einen Strandspaziergang. Feiner Sand, wenig touristisches Angebot, sehr griechisch – nett!
Für uns ist Kimolos aber nur ein Zwischenstopp, denn wir wollen weiter. Kimolos heben wir uns für später auf, denn mit der Gegend sind wir noch nicht fertig. Viel zu schön ist es in dieser Ecke.
Gleichgesinnte
Am Morgen bläst am Ankerplatz wenig Wind, was sich sofort verändert, sobald wir hinter einer vorgelagerten Insel hervorschauen. Da sind dann plötzlich 14 kt Wind, die sich mit unserer Fahrt auf 18 kt addieren. Das ist für Vollzeug schon ganz schön stramm, also etwas reffen – und natürlich aufkreuzen. Zumindest bis zur SE Ecke von Kimolos. Dann wird der Wind gleichmäßiger und etwas schwächer. So können wir dann eine Bucht im Süden von Sifnos anpeilen.
Kathedrale von Kimolos
Als wir ankommen, sind erst 4 Boote da, da hat die Bucht von Platys Gialos noch wirklich viel Platz. Im Lauf des Tages kommen aber noch 12 weitere Schiffe dazu. Eines davon ein 30 m Segler, Vollkarbon, verchartert. Mit Crew natürlich, 4 Personen bedienen das Vehikel. Und 4 Gäste, ein Ehepaar mit 2 Mädchen machen darauf Urlaub. Was kostet der Spaß? Schlappe 55.000 € je Woche, plus Nebenkosten (supplies) versteht sich. Muss man auch einmal haben und wollen. Lustig für uns zuzusehen, dass das kleinere Mädchen vor diesem Millionending so gar keinen Respekt hat. Da wird geklettert und geturnt, was das Zeug hält – kenn ich von wo 😊
Da die Strecke nur kurz war, nutzen wir die Zeit zum Baden im glasklaren 24° warmen Wasser. Das kühlt noch gut ab, ist aber nicht erschreckend kalt, wenn man hineinsteigt. Unter der Philia sind immer wieder Seegrasflächen. Die sind wichtige Laichgründe und Kinderstuben für allerlei Fischzeugs. Entsprechend bevölkert ist das Wasser rund um Philia. Ein bisschen wie Fischsuppe, nur dass die kleinen Mönchsfische noch alle quietsch vergnügt sind.
Seenotrettung im Dienst
Da wir wieder etwas Brot und Gemüse brauchen, fahren wir an Land. Das Dorf ist vor allem Tourismus, kaum ein Haus wirkt „alt“ und traditionell. Die erste Häuserzeile steht mit den Füßen schon fast im Wasser, die Wellen schlagen gegen die Terrassenmauern. Was sich da bei Winterstürmen abspielen wird? Auf der Rückseite der Häuser verläuft „die“ Dorfstraße und danach nur mehr G’stettn. Also am Wasser Bars, zu denen gehören Appartements und hinter der Dorfstraße Parkplätze für die Gäste. AUS
Eine 800 m lange und 30 m breite Geldmaschine, die 4 Monate im Jahr Gold ausspuckt und dann wieder in einen Winterschlaf verfällt. Eh sauber, eh nett, ja schaut aus wie ein Kykladen-Dorf, passt ja auch. Und wenn wir unser Brot und Gemüse finden ist der Zweck für uns erfüllt.
Am Morgen, also gegen 11 holen wir den Anker hoch und segeln weiter nach Nordost. Dort liegt die Insel Paros und die dazugehörigen kleinen vorgelagerten Inseln: Anti Paros – muss sein, fast jede größere griechische Insel die auf sich was hält, hat ihr eigenes „Anti“ Inselchen. Aber auch so kingende Namen die Strongylo – das könnte eine Comicfigur sein oder Despotiko. Wir wollen in die Bucht zwischen Despotiko und Anti Paros. Die soll flach und gemütlich sein.
Der Wind spielt mit, also fast. Wieder einmal hoch am Wind, wieder einmal Wellen bis knapp unter 2 m – zumindest einzelne waren so hoch. Sonst aber läuft es gut. In gerader Linie kommen wir bis zur Südspitze von Strongylo und dann hart die Küste entlang bis zur Einfahrt in die Bucht zwischen den Inseln. Ein Ankerplatz ist leicht gefunden, es ist ja wirklich viel Platz da.
Trotzdem schaue ich mir an, wo der Anker liegt und was sich am Boden so abspielt. Und, zu meiner Überraschung, läuft doch unsere Kette nur 1 m neben einem am Boden liegenden, verlassenen Anker vorbei. Würde sich die Philia am Ankerplatz drehen, gäbe das sicherlich einen netten Kettensalat. Brauchen wir nicht! Also Anker wieder hoch und 30 m weiter zur Küste erneut ankern. Jetzt passts.
Was uns ganz besonders freut ist, dass Barbara und Stefan mit ihrer LAUSA auch in diese Bucht kommen. Schnell ist vereinbart, gemeinsam Abendessen zu gehen. Wird ein langer Abend, sehr griechisch! Sind wir doch von 7 bis ½ 12 in der Taverne gesessen und haben uns prächtig unterhalten.
Nach Milos sind wir sehr ungeplant unterwegs. Die Trauminseln war erreicht und erobert – und jetzt? Immer noch geistert die regelmäßige Gefahr des Meltemi in unseren Köpfen herum. Also muss die Reise von sicherer Bucht zu sicherer Bucht gehen. So kommen wir in die kleinen Kykladen. Für uns sind das die bekannteren Inseln Paros und Naxos und all der Kleinkram, der sich in deren Süden aufhält. Wir erwarten Besuche und müssen auch auf einen Sprung „nach Europa“ zurück kehren
Wir haben uns in den Süden der großen Bucht von Milos zurückgezogen, denn es ist kräftiger SW Wind vorhergesagt. Kräftig heißt in dem Fall bis über 35 kt. In der großen Bucht bilden sich dann unangenehme Wellen, je weiter im Norden, umso höher werden sie. Das hat mit der Entfernung vom Ufer zu tun. Der Hafen liegt 2 Meilen im Norden, ist vielleicht also kein guter Platz.
Da alle Segler die Wettervorhersagen studieren, sammeln sich im Laufe des Tages immer mehr Schiffe in der Bucht an. Zum Schluss dann waren es 17. Im Gegenzug dazu konnte man sehen, dass der Hafen komplett leer war. Kein einziges Schiff auf den nach Süden ungeschützten Liegeplätzen. Ein paar verwegene sind an den nach Norden ausgerichteten Plätzen geblieben. Da sind dann die Heckleinen die wichtigste Verbindung und denen vertrauen die offensichtlich mehr als dem Anker.
Ruhe vor dem Sturm
Bei uns geht das Spiel zu Mittag los und bald heult der Wind mit jenseits von 30 kt im Rigg. Einige Segler sitzen vorne bei der Ankerkette und beobachten, was sich da so abspielt. Bleibt die Kette in den Böen gespannt oder wird sie lose. Das würde nämlich heißen, dass der Anker rutscht. Bei uns bleibt sie immer hart gespannt. Das bestätigt auch der Ankeralarm. Da bewegt sich nichts, und die Positionen von Philia beschreiben eine nach Lee klar abgegrenzte Banane – alles gut und kuschelig.
Am Abend kommt eine Superyacht, der es im Norden offensichtlich zu wild geworden ist und ankert neben uns. Also am Anfang neben uns. Schön langsam driftet sie zurück, gute 100 m. Dann schickt die Crew ein Dinghi aus, um besseren Ankergrund zu suchen. Bei dem bewegten Wasser sieht man aber kaum was. Sie probieren es ein zweites Mal und rutschen wieder. Dann beißen sie in den sauren Apfel und kehren zurück nach Norden. Lieber Wellen und einen gut haltenden Anker als herumrutschen. Der Chef war vermutlich nicht an Bord, da merkt er auch nicht, wie seine Crew agiert.
Wir fühlen uns auf Philia aber sehr sicher und schlafen beruhigt. In der Früh ist der Spuk eigentlich vorbei. Der Wind hat nach W gedreht und bläst mit kaum mehr als 10 kt. Meltemi war das keiner, denn der müsste aus dem Norden kommen. Der Wind war aber eine gute Übung, wie wir mit starkem Wind auf Ankerplätzen umgehen können und was unsere Philia dabei macht, nämlich nichts aufregendes. Sie schwoit um +/- 30° und das ist gar nicht viel. Große Schiffe wie Motorboote und Superyachten haben wir auch schon bei Drehungen um +/- 90° gesehen. Die stehen dann so quer zum Wind, dass sie alleine dadurch Schräglage bekommen. Brave Philia!
Wir beschließen Milos zu verlassen und weiterzuziehen.