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Wild entschlossen

Freitag, da muss es sein, da fahren wir nach Pagani, eine der östlichsten Inseln der nördlichen Sproraden. Auch der größte Geographie-Verweigerer kennt sie: „Die Mamamia Inseln“. Das ist aber nicht unser Antrieb, dort hinzufahren.

Zuvor steht aber noch eine Menge an Vorbereitungen an. Der Wassertank ist ja schon gefüllt, aber Strom könnten wir noch gebrauchen. Dann ist da noch die letzte Hafengebühr zu bezahlen. Da wird ein Tischrechner angeworfen, die exakte Länge des Schiffes erfragt, multipliziert, addiert, es passiert auch noch was mit Prozenten und dann steht der Preis fest: unglaubliche 6,70 €! Echt kein Scherz jetzt. In Kroatien darf man um das Geld gerade einmal die Tür zum Marinabüro aufmachen. Brot und Obst haben wir schon, aber ein Paket müssen wir noch nach Wien schicken. Da gibt es TNT auf der Insel – um viel Geld – aber immerhin, es funktioniert.

Und dann müssen wir uns noch in die Pole Position bringen. Die letzten Wochen waren wir doch von der Superyacht eingezwickt. Damit es leichter wird, haben sich hinter uns 2 dicke Motorboote im Paket an die Mauer gestellt. OK, einen können wir dazu bewegen sich vor seinen Freund zu legen und die exorbitanten Marinagebühren in Kauf zu nehmen. Also vorne haben wir eine Überlappung von 2 m mit dem Bug der Superyacht, 2 m hinter uns steht das Motorboot.

Irgendwas mit „eindampfen in die Vorspring“ und „wenn der Wind passt, einfach weg treiben lassen“ kommt uns da in den Sinn. Wir machen, ganz langsam und zielgerichtet eine Kombination aus beidem und legen geräuschlos ab. Also den Motor hört man schon, aber keinerlei Kratzgeräusche an den Rümmpfen. Gut gemacht. Susi ist ganz stolz auf das Manöver. Nur ein paar Minuten später ankern wir im Hafenbecken. Ein ganz anderes Gefühl, wenn sich das Schiff wieder bewegt.

Zu zweit, geräuschlos und ohne Kratzer, wir sind richtig stolz auf uns!

Der Plan war früh schlafen zu gehen, es gab aber noch so viel zu tun. Das Schiff segelfertig machen, Abendessen kochen, ein Milchreis als Proviant für unterwegs wird auch noch gezaubert. Naja, es wird wieder einmal Mitternacht – aber diesmal stehen wir um 4 Uhr auf, versprochen!

Ist schon irgendwie unheimlich, oder?

Das machen wir dann auch und beginnen mit den Vorbereitungen für die Abfahrt: Ankerball runter nehmen (ja, wir zeigen den tatsächlich), Navigationslichter und Dampferlicht an, Ankerlicht aus, Navigationsinstrumente an, Autopilot an, Spray Hood weg klappen, Check nach Leinen die ins Wasser hängen könnten, die Ankersicherung abbauen, Ankerwinde einschalten und Bedienung nach draußen legen, Motor starten.

Ach ja, wir sollten noch was Anziehen, bei unserer Müdigkeit und der frühen Stunde ist es noch recht  kühl. Die Schwimmweste darüber und den Gurt zum Einhängen am Boot fehlt auch noch. In 40 min sind wir bereit den Anker aus dem Sand zu ziehen. Die Fahrt durch den Hafen ist schon etwas unheimlich, denn die Orientierung ist schon stark eingeschränkt. In dem Fall aber leuchtet uns das Deckslicht eines Frachters und die beiden Leuchtfeuer der Einfahrt. Dort wartet schon der Vollmond auf uns, um uns in den nächsten Stunden zu begleiten.

Was noch wartet ist eine unangenehme Dünung. Wellen bis zu 1,5 m hoch, natürlich von der Seite, so dass das Schiff schön rollt und das Geschirr in den Kasteln bei jeder Bewegung klirrt und scheppert, als ob wir am Abend nur mehr Scherben aus den Regalen nehmen können.

Susi sitzt mit dem Rücken zur Fahrtrichtung auf einer Cockpit Bank, ich versuche sie durch Fußmassagen zu beruhigen und der Autopilot tut sein Bestes. Dabei klammern sich Susis Augen an den Lichtern von Myrina und Lemnos fest und hoffen möglichst bald, den ersten Schimmer des Sonnenaufgangs zu erhaschen. Was ich hingegen in der anderen Richtung erblicke ist der Vollmond, der ganz langsam auf das Meer herabsinkt – und Wetterleuchten über dem Festland. Jetzt nur darauf achten, dass Susi das nicht sieht.

so fängt’s an …

Der Sonnenaufgang wird fantastisch: Aus einem zarten Schimmer wird ein immer hellerer Streifen, der aber noch nicht verrät, an welcher Stelle die Sonne erscheinen wird. Kurz bevor es so weit ist, verrät sie sich durch ein kräftiges rotes Leuchten hinter den Bergen von Lemnos. Und dann – bamm – helles Licht und volle Energie! Der Tag hat begonnen – um 6 Uhr 5. Wir sind da schon die ersten 9 Meilen unterwegs. 9 Meilen von geplanten 55, der erste Schritt ist gemacht.

… und so geht’s weiter.

Jetzt wo wir sehen, wie das Meer rund um uns ist, setzen wir das Vorsegel und lassen uns Richtung Westen ziehen. Geht erstaunlich schnell, bis zu 6 kt, nie langsamer als 5. Holprig bleibt es trotzdem. Die Wellen, einzelne sind bis zu 2 m hoch, kommen von schräg hinten und bringen das Schiff nicht nur zum Schaukeln, sondern auch tüchtig vom Kurs ab. Der Autopilot kann das schon, wenn man selbst steuert kann man das Schiff aber ruhiger fahren. Also ran an das Steuerrad und rechtzeitig, gefühlvoll aber bestimmt die Bewegung der Wellen ausgleichen. Keine Einfache Übung, aber heute haben wir ja mehr als genug Zeit das zu lernen.

Gegen Mittag wird das Meer ruhiger, leider auch der Wind. Wir schaffen aus eigenem Antrieb nur mehr 4 kt, finden aber eine Strömung vor, die uns mit gut einem Knoten in die richtige (!!) Richtung trägt. Sonst ist sie immer gegen uns 😉 Bald entdeckt Susi die ersten Inseln der Sporaden und wir haben es leichter Kurs zu halten. Bei dem diesigen Wetter, ohne Anhaltspunkte fällt das echt schwer.

Als wir näherkommen, fällt Susi auf, dass in den Karten eine Notiz vermerkt ist: „Rund um die nördlichste der Inseln, baut sich bei richtigem Wind eine sehr unangenehme See auf“. Und dann erinnert sie sich an ein Erlebnis in der Nähe von Dubrovnik und Mljet, wo uns ein Wechsel der Wassertiefe einmal sehr hohe Wellen beschert hat. So an die 4 m sollten das damals gewesen sein. Und jetzt zeigt die Navionics Karte auch wieder ganz viele Höhenstufen.

Ich wäre ja für den direkten Weg nach Panagia. Immerhin kann man die Insel schon lange sehen. Susi besteht auf einen Kurswechsel: Wir fahren außen um diese Insel herum. Der Weg ist schnell abgesteckt, kaum 8 Meilen Umweg. Erst als ich ihr sage, dass das fast 2 Stunden sind, zögert sie kurz. Ega,l ihr Entschluss steht fest! Also Segelstellung anpassen und schauen was kommt – und es kommt genug: Die Wellen sind zwar rund, also eher angenehm, kommen aber mit ihren 1,5 m wieder so von halb hinten. Wieder schieben sie das Schiff kräftig aus der Richtung. Wobei oft nicht die höchsten Wellen, die unangenehmsten sind, oft ist es erst die 2. oder 3. die mich kämpfen lässt. Eine richtige Waschmaschine, in der wir da mehr als 1 Stunde herumtanzen. Aber wenn es die Frau glücklich macht – was soll man dann tun?

Dein Wille geschehe! 🙂

Dann erst erfolgt der Kurswechsel zurück auf Pangania, doch so einfach ist das nicht: Jetzt haben wir den Wind genau von hinten und der Kurs kann bei Wellen und wenig Wind eigentlich nicht gefahren werden. Elende Schaukelei. 1 Stunde vor dem Ziel geben wir auf. Segel einholen, Motor an. Ist zwar auch nicht viel ruhiger, aber wenigstens schlägt sich das Segel nicht selbst kaputt.

Die Einfahrt in die gesuchte Bucht ist nicht leicht zu finden: Die Küste selbst hat drei größere Buchten und die Einfahrt ist hinter einer vorgelagerten Insel versteckt. Die Wellen treiben uns darauf zu, Wind ist ja keiner. Damit es spannend wird: Die Einfahrt ist ca. 60 m breit und „nur“ 6 m tief. Das reicht uns aber völlig. Einmal drinnen angekommen teilt sich die Bucht in zwei größere „Blätter“. Wir gehen in das nördlichere und ankern neben einem anderen Schiff. Also dem einzigen anderen Schiff – vorerst. Im Laufe des Abends kommen dann noch 3 weitere dazu. Irrer Verkehr hier! 😉

Fantastisch zerfurchte Klippen in der Einfahrt. Perfekte Verstecke für Mönchsrobben

Außer den Schiffen und deren Besatzungen gibt es hier keinerlei Bewohner. Also irgendwo soll sich auf der Insel ein Mönch verstecken. Das wars dann aber auch. Sonst vor allem Ziegen, und Kolkraben und Eleonoren Falken und Fische die aussehen wie „Forelle blau“ aber quick lebendig sind.

Pause machen, ab ins Wasser

Fertig!

2 Antworten auf „Wild entschlossen“

Ja, das war schon auch für uns was Neues. Nicht gefährlich, aber lange und doch auch anstrengend.
Solange wir auf die Wellen herab schauen und nicht sie auf uns, ist das nicht so wild. Philia läuft recht trocken, selten sprüht Wasser an Deck.
Die Überfahrt hat sich sich aber gelohnt.

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