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Reise

Non Stop

Um ¾ 5 läutet der Wecker. Draußen kräuseln sich leicht die Wellen, hinter dem Hügel wird der Himmel schon heller. PHILIA ist rasch vorbereitet: Wetter einholen, Logbuch schreiben, Elektronik einschalten, auf das AIS nicht vergessen – für unsere Stalker, Navigationsbeleuchtung an. Ablegen geht einfach, das macht der Radeffekt für uns. Einfach den Retourgang einlegen und warten, bis sich das Heck vom Steg entfernt hat. Sehr elegant! Nur ein paar Minuten vor uns hat ein Fischer abgelegt. Der weist uns nun den Weg zwischen den Untiefen durch in das freiere Wasser.

Noch in der großen Bucht können wir die Segel setzen. Die Genua kommt ganz heraus, das Großssegel zu ¾ , so können wir mit der Genua leicht einmal vom Gas gehen, sollte der Wind zu stark werden. Davon ist aber derzeit noch keine Rede, auch Wellen gibt es noch nicht. Erst außerhalb der Bucht nehmen Wind und Wellen zu, beides aber durchaus im Rahmen. Wellenhöhen unter 50 cm und Wind mit Böen bis 17 kt. Ganz vernünftiges Segeln.

Plötzlich kommt von hinten das Schlauchboot der Küstenwache von Mudros daher geschossen. Sie halten aber Abstand, überholen uns und drehen dann um. Was die genau wollten, oder waren wir nur zufällig da?

Jetzt kommt der lange Schlag nach Bamakale (Türkei). 45 Meilen oder 6-7 Stunden gerade aus. Direkt auf Bamakale zu zu halten, lässt aber der Wind nicht zu, mehr als 30° weichen wir vom Kurs ab. Wenn das so bleibt, würden wir irgendwo an der Westküste von Lesbos aufschlagen. Aber: Der Wind soll sich drehen und wir in einem großen Bogen auf Bamakale hin geführt werden. Und in der letzten Stunden können wir dann die Segeln leicht öffnen, weil der Wind dann schon von weiter hinten kommt, und damit den schwächer werdenden Wind kompensieren. Klingt nach einem genialen Plan und es entwickelt sich auch so.

Fast in der Türkei – Bamakale

Bamakale hat einen netten Hafen mit einem sehr langen Wellenbrecher. Über dem Hafen thront eine mächtige, gut erhaltene Festung. Zumindest sehen wir das in unserem Feldstecher so, denn Anlegen wollen wir dort nicht, auch wenn wir kaum 1 Meile von der Türkei entfernt sind. Unser Plan ist anders: Mit dem schwächer werdenden Wind wollen wir in die Durchfahrt zwischen der Türkei und Lesbos gleiten. Zuerst fast genau nach Osten fahrend, um dann nach Südost abzubiegen. Irgendwo dort soll uns der Westwind ausgehen und später als Ostwind zurückkommen.

Was wir finden ist ein Wind fast exakt von hinten und die Reste der Wellen die uns bisher begleitet haben. Eine Zeit lang fahren wir im Butterfly (Genua und Grosssegel auf verschiedenen seiten). Da schaut unsere Philia aus, wie eine Kragenechse, die sich grad fürchterlich aufregt. So zu fahren erfordert aber viel Aufmerksamkeit, denn entweder fällt die Genua ein, oder das Großssegel. Kaum 15° Toleranz im Kurs sind da gegeben.

Auswüchse des Kapitalismus

Unweit von Bamakale treffen wir auf 3 Siedlungen, mitten im Nirgendwo. Keine Straßen, keine Infrastruktur, keine Menschen. Dafür aber groß und völlig deplatziert. Immobilienfonds haben mit leeren Versprechungen viel Geld eingesammelt und mussten dann „irgendwo“ „irgendwas“ bauen. Haben sie gemacht. Das Ergebnis interessiert aber niemanden, warum auch. Solche Geistersiedlungen gibt es hier in der Türkei aber auch in großem Umfang in Spanien. Der neue Flughafen von Madrid ist beispielsweise 150 km von der Hauptstadt entfernt. Kein Mensch braucht den dort, aber die Investoren und Baufirmen freut es halt.

Als wir eine Klippe umrunden müssen geben wir auf, räumen das Grosssegel weg und fahren nur mit der Genua weiter. Wir sind zwar ½ kt langsamer, aber dafür stabil unterwegs. Die Klippe hat es in sich: Das Wasser ist hier ca. 70 m tief, und mitten drin in der Durchfahrt stehen zwei Erhebungen. Die eine reicht bis 10 m unter die Wasseroberfläche – die ist uns egal. Die andere aber reicht bis auf 1,2 m an die Oberfläche, und das ist bei 1,75 m Tiefgang nicht mehr egal. Zum Glück ist das Ding gut eingezeichnet und kann leicht umschifft werden. Rund herum ist das Wasser ja 70 m tief und das nächste Ufer weit weg.

Diese geometrischen Inseln hat wohl ein Architekturstudent im ersten Semester gezeichnet. 3 gerade Striche – fertig.

So gleiten wir die Nordküste von Lesbos entlang und haben wieder Glück: Der Wind dreht sich um die Insel, so dass wir weiterhin Rückenwind haben. Mit 4 bis 4,5 kt gleiten wir auf Mitilini zu. Langsam senkt sich die Sonne ins Meer und die Lichter an Land gehen an. Das ist nun der perfekte Augenblick sich zu orientieren: Welches Muster bilden die Straßenlaternen unterhalb des Kastells, wie weit reichen die Felsen ins Wasser hinaus. Später gibt es dann nur mehr Lichtpunkte zu sehen, und die Sache wird deutlich schwieriger.

So aber umfahren wir in einem großen Bogen das Kastell, halten Abstand zum Wellenbrecher, bis das grüne Leuchtfeuer der Einfahrt fast genau rechts von uns ist und drehen dann in den Hafen. Zeit das Schiff auf das Anlegen vorzubereiten. Das soll im Stadthafen geschehen, an der nördlichen Mole. Dazu muss man noch die Einfahrt des Stadthafens passieren, aber die ist gerade blockiert: Ein großes Schiff der Küstenwache legt gerade ab. Na, da wollen wir einmal nicht so sein – eigentlich habe in den Hafen einfahrende Schiffe Vorfahrt 😉 – und drehen noch eine Ehrenrunde.

Die Mole ist komplett leer und wir suche uns einen Platz mit Pollern und Ringen in einem guten Abstand für PHILIA.

Um 22:22 habe wir unser Tagwerk vollbracht, 87 Meilen unterwegs, davon 80 unter Segeln – ja klar, Segelschiff!

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