Kategorien
Reise

„Könnte heute Samstag sein?“ – „Die Möglichkeit besteht.“

Zeit ist egal. Wir haben uns gestern in die Bucht Planitis auf Kyra Panagias zurückgezogen und jeden Kontakt zur Außenwelt verloren. GSM Netz gibt es hier nicht, damit weder Telefon noch Datenverbindungen. Wer braucht das schon, wenn es hier so wunderschön und geschützt ist.

Wir befinden uns also im „Nichts“. Und was könnte man da am besten tun? Genau, Nichts! Wir üben uns also im nichts tun. Gelegentlich ins warme Wasser steigen, in der Sonne oder im Schatten liegen, was lesen . Einfach nichts tun. Zeit verrinnen lassen, Gedanken nachhängen, Falken oder Ziegen beobachten. Vielleicht auch einmal die Fische füttern oder dem Kolkrabenpaar nachsehen. Oder wir schauen am Abend den Sterne zu, spannendes Programm!

Durch die ausgesetzte Lage, die nächste bewohnte Nachbarinsel ist 12 Meilen entfernt, nach Osten sogar 60 Meilen, gibt es hier kaum künstliches Licht. Ein optimaler Platz, um den Sternenhimmel zu beobachten. Wir legen uns also am Abend in unseren bequemen Decksesseln und schauen was da so passiert. Flugzeuge, Satelliten, einzelne und dank Elon Musk auch Mini-Internet Satelliten in einer Kette von 40 Stück (wer braucht das?).

Und dann das, worauf besonders Susi gewartet hat: Sternschnuppen. Nicht nur eine – viele. Der Perseiden Schauer zeigt sich, aber auch Sternschnuppen aus anderen Richtungen verglühen über uns. Schön ist es da im Nichts. Nur dass wir niemanden daran teilhaben lassen können, ist etwas schade.

So ganz gelingt uns das nicht tun aber noch nicht. Susi will unbedingt die Nachricht an die Familie los werden, dass es uns gut geht. Kann man machen, ist aber beschwerlich:
1. Dinghi an Deck aufblasen
2. Dinghi ins Wasser lassen
3. Mit dem Dinghi durch die Bucht rudern, um zum Haus der Fischer zu kommen
4. Anlegen ohne das Schauchboot zu zerstören
5. Einen Abhang ohne wirklichem Weg hinauf steigen
6. Dann hoffen einen Punkt zu finden, an dem das Handy funktioniert

Telefonzelle für das cell phone

Dieser Punkt ist natürlich nicht der höchste Punkt der Insel und es sind auch nicht alle Mobilfunkbetreiber die dort funktionieren. Susi hat Glück: Auf ¾ der Höhe findet sie einen Baum, der ihr als „Telefonzelle“ und Schattenspender dient. Telefonieren geht, Datenverbindungen gehen nicht. Na, wenigstens ist die Familie wird informiert.

Was ist das? Hinweise in den Kommentaren erbeten.

Der Ausflug hat aber auch noch andere Erkenntnisse geliefert: Die Insel hat rote Erde, die eigentlich recht fruchtbar ist (Eisen), andererseits besteht sie aus Kalkgestein, dass oft seltsam erodiert ist. So haben viele Steine Löcher oder Rinnen an der Außenseite. Das Gestrüpp ist irgendeine trockenresistente Pflanze, die zurzeit viele rote Beeren trägt. Die dürften für die allgegenwärtigen Ziegen aber ungenießbar sein. Die Bäume, oder sind es hochgewachsene Büsche, haben kleine fleischige Blätter, die in deren Jugend sehr stachelig sind, später die Stacheln aber nicht mehr so zeigen. Auch eine Ziegenabwehr.

Wunderbarerweise gedeihen hier zwischen all dem trockenen Zeug Zyklamen. Bei uns hätte ich die ja eher dem feuchten Waldboden zugerechnet. Der Platz hier ist aber das genaue Gegenteil. Selbst zwischen Felsen strecken sie ihre Blüten ins Licht.

Wovon lebt diese Zyklame?

Spannend ist es auch unsere Philia als einziges Schiff in der ganzen Bucht zu sehen. Eine ganze Bucht, nur für uns. Dabei hat es uns heute schon beunruhigt, dass alle anderen Schiffe in der Früh abgefahren sind und am Himmel hochquellende Wolken zu sehen waren. Flüchten die vor Gewittern und wir machen einen großen Fehler? Oder sind wie die, die im geschützten Bereich bleiben, während die anderen in einen nur scheinbar sicheren Hafen ausweichen wollen?

Noch haben wir Gesellschaft, noch ist der Himmel freundlich

Wir entscheiden uns zu bleiben und abzuwarten. Wir haben ja noch eine Menge Ankerkette, die wir notfalls auch noch auslegen könnten. Wir verlängern vorsichtshalber von 30 auf 45 m bei 9 m Wassertiefe. Weitere 25m haben wir noch als Reserve, wobei der neue Jambo-Anker wirklich gut hält. Da kann schon ganz ordentlicher Wind aufkommen, bevor wir uns wirklich fürchten müssen.

Aber nichts ist auch nicht perfekt, auch das Nichts nicht! Aus zwei Richtungen ziehen Gewitterwolken auf. Ob wir hier wirklich richtig liegen? Zunächst sind wir noch alleine, aber dann kommen nach und nach weitere Yachten dazu, die vor dem Gewitter Zuflucht suchen. So ganz falsch, kann unsere Entscheidung also doch nicht sein.

Der Himmel wird dunkler, im Westen, hinter den Hügel sehen wir Wetterleuchten und einzelne Blitze. Gelegentlich grummelt es ganz schön laut und der Donner bricht sich mehrfach in den Hügeln rund um die Bucht. Mehr Lärm als Wirkung.

Eines der einlaufenden Motorboote gehört einer Stiftung für Meeresforschung und dem Schutz der Mönchsrobben. Die werden wohl wissen, dass sie da sicher sind. Und die bekommen dann auch noch Besuch: Ein Schiff der Sea Shepherds kommt vorbei. Die Sea Shepherds sind eine Gruppe von Freiwilligen, die mit manchmal brachialen Methoden Wale, hier aber offensichtlich auch alle Tiere des Meeresschutzgebietes verteidigen. Sie machen zuerst bei ihren Kollegen fest, dann bei einer französichen Segelyacht vor uns. Die bekommen dann für 20 min Besuch und Belehrungen von den Sea Shepherds, bevor die sich wieder auf den Weg machen.

Inzwischen hat leichter Regen eingesetzt. Es tröpfelt auf den gut gespannten Stoff der Bimini. In einer er Geschichten von Christine Nöstlinger hieß so was „Regentrommel“. Ich liebe dieses Geräusch, besonders wenn man selbst im Trockenen sitzt. Das ist dann so ein Gefühl der Geborgenheit.

Unser „Nichts“ ist doch perfekt!

Mehr „Nichts“ geht nicht.

Nachtrag:
Später haben wir erfahren, dass für die bloße Befahrung der Zone A des Marine Nationalparks, also auch unseren Stopp im Panagia, so was wie Eintrittsgeld verlangt wird: 5 € pro Person und 33 € je Schiff x 2 Tage = 86 €
Haben wir natürlich nicht bezahlt, und schlechtes Gewissen haben wir jetzt auch keines. Es waren ja auch keine Robben da. Gleicht sich also wieder aus.

6 Antworten auf „„Könnte heute Samstag sein?“ – „Die Möglichkeit besteht.““

Wir haben das in google unter Griechenland. Immergrüner Strauch mit roten Beeren gefunden – sieht aus unserer Sicht dem Photo ähnlich

Liebe Heidi,

Nichts tun, das muss man erst erlernen. Uns gelingt es auch nicht immer. Es ist doch auch viel zu tun, auf so einer Reise. Technik, Wetter, Tagesziele, …
Vieles hälts und vom Nichts tun ab.

Aber so echt schlecht is unser Schicksal auch nicht 🙂

Alles liebe
Susi und Jörg

ca. 10 Meilen S von Lefkas

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert