Kategorien
Reise

Aufregung im Hafen

Für die nächsten Tage ist etwas Wind angesagt. Etwas, das bedeutet hier knapp an die 40 kt, also gute 70 km/h. Die Richtung ist für diesen Hafen denkbar ungünstig: quer drüber und dann schräg auf die Nase der vor Buganker liegenden Boote. So drückt der Wind heftig auf den Bug und zerrt am Anker. Bricht der aus ist man in Null Komma Nix mit dem Heck in der Mole und seitlich auf den anderen Schiffen drauf. Die zusätzliche Last zerrt nun an deren Ankern und eine Kettenreaktion geht los. Nicht das, wovor wir träumen.

Nach einem Tipp eines Einheimischen Seglers haben wir uns an die alte Fährmole zurückgezogen und gut vertäut. Insgesamt 5 Taue bringen wir aus – vorerst! Als der Wind langsam los geht, also einmal 20 kt hergibt, fühlen wir uns sicher. Bei den anderen, an unserem alten Platz, setzt Bewegung ein. Nicht nur, dass die Schiffe in den Wellen, die sich im Hafen aufbauen, schaukeln, es werden auch an allen möglichen und unmöglichen Stellen weitere Leinen angebracht. Die sollen die seitlichen Kräfte abfangen, ziehen aber dadurch auch verstärkt am Anker.

Je nach Charakter oder Nationalität, ist man mehr oder weniger beschäftigt. Die französische Crew, die wir schon in Poros getroffen haben macht auf cool. Ein Belgier „bereitet sich auf Alles vor, auch darauf, den Motor längere Zeit laufen zu lassen. Damit kann er den Anker entlasten und hofft so das Wetter gut zu überstehen. Eine englische Crew verlängert die Ankerkette, damit der besser hält. Die Einheimischen Segler verwandeln ihren Bereich in ein Spinnennetz mit sehr sehr langen Leinen, auch zwischen den Booten und an Land.

So richtig unberührt lässt die Vorhersage niemanden. Außer vielleicht die Schweizer mit ihrer 54 er Moody „BB“. Die liegen einfach nur auf ihren Cockpitbänken und tun so, also ob sie die Welt nichts angingen. „Immerwährende Neutralität“ kann man auch so ausleben.

Montag Vormittags geht’s noch so. Kaum eine Böe übersteigt die 25 kt. Für uns ist das immer ganz gut zu hören, denn da schaltet sich der Windgenerator ab. Den würde es bei höheren Windgeschwindigkeiten zerreißen und das wäre nicht so nett. Als ich kurz nach 2 vom Flughafen und Autozurückgeben in den Hafen komme, fahren da 3 Schiffe spazieren. Da hat bei einem plötzlich der Anker versagt. Schnell Gas geben und aus der Lücke raus. Beim Anker heben noch schnell die Kette eines weiteren Schiffs ausreißen. Der muss also auch einen Alarmstar hinlegen. Und auch der nimmt eine Kette mit. Bei dem Wind geht das ganz einfach, auch wenn sich die Ketten ursprünglich nicht überkreuzt haben. Ist die Ankerkette schon recht kurz, beginnt der Anker zu rutschen und pflügt quer über den Boden, bis er sich irgendwo verfängt – meist eine andere Ankerkette.

Der unglückliche Dritte erlebt das gleiche Schicksal, ist aber schlau genug, lieber seine Ankerkette ins Wasser zu werfen, als weitere Schiffe ins Verderben zu locken. Jetzt liegt sein Anker und seine ganze Kette am Grund, nur eine dünne Leine verrät noch, wo er ist. Gut gedacht – aber: Wie soll er jetzt selbst festmachen? Er hat keine andere Wahl, als sich längsseits an die Hafenmauer treiben zu lassen. An sich kein Problem, nur ist da viel Bewegung, die Wellen lassen das Boot tanzen und die Hafenmauer tut ihr Bestes, um das Boot zu zerkratzen. Also werden so viele wie möglich Fender zwischen Mauer und Schiff gestopft und gehofft, dass das reicht.

Und bei mir? 38.8 kt hab ich gemessen, noch 2 weitere lange Leinen ausgebracht – eine hab ich erst heute vormittags gekauft 😉. Ich werde von der Gischt nassgespritzt. Philia im Salzmantel, so zu sagen. Der Wind ist immer noch unter 35° auf den Bug und drückt uns von der Mauer weg. Die nun insgesamt 7 Seile müssen die Kräfte aufnehmen. Bevor ich vom Boot gehe, muss ich mir überlegen, wie ich wieder drauf komm. Der Abstand erfordert einen doch sehr großen Schritt, und warten auf eine kurze Windpause garantiert feuchtes Gewand. Also lieber im Boot bleiben – warm und trocken.

Was würde ich tun, wenn was passiert? Eigentlich kann man dann „auf die Schnelle“ nichts tun. Alleine? Motor anlassen, 7 Leinen lösen, nirgendwo hintreiben und dann nirgendwo anfahren – glaube nicht, dass das gelingt. Da ist es wichtiger einen guten Platz zu haben und genügend Leinen, die das Boot halten. Und dann einfach abwarten und hoffen, dass das reicht.

Bei jedem starken Wind lernt man was dazu. Wie geht es anderen Schiffen? Was macht der Wind mit mir und was macht er mit denen? Was passiert, wenn der Anker nicht hält – muss ja nicht meiner sein? Wie kann ich ruhiger liegen und mein Material schonen?
Das Geschaukel führt schon dazu, dass das Philia manchmal ganz schön kräftig an den Tauen ruckt. Das kann man nur durch lange Taue oder durch Ruckdämpfer verhindern.

Lernpunkt: Den ultimativen Festmacher bauen! Man nehme ein 3 m langes Tau, und spleißt an einem Ende ein Auge mit einer Kausch (Kausch, das ist so ein Metalldings, dass man in eine Seilschlaufe legt. Dann kann anderes Metall das Seil nicht durchscheuern. Ein Spließ ist, wenn man die ein Seil etwas aufdröselt und die Enden wieder in das Seil einflechtet). Nach dem Spleiß kommt dann gleich der Ruckdämpfer. Das ist so eine Gummiwurst, um das das Seil 2–3 mal herumgewickelt wird. Wird am Seil gezogen, dehnt sich zuerst die Gummiwurst. Kann die nicht mehr, übernimmt das Seil wieder die Kräfte. Und am zweiten Ende kommt noch eine große Schlaufe, bei der das Seil aber durch einen (alten) Gartenschlauch gezogen wird. Wirft man die Schlaufe über einen Poller, die sind meist sehr rostig und  rau, dann schützt der Schlauch wieder vor dem Durchscheuern.
Der nächste Wind kann kommen. Bin gespannt, wie sich das Ding bewährt. Drei Stück hab ich davon gebaut.

Und nach dem Wind? Na, dann beginnt die Arbeit. Während Susi nicht da ist, verwandle ich Philia wieder in eine Baustelle: Ich möchte zumindest 3 Fenster ersetzten und die Heckdusche soll Warmwasser bekommen, die Schaugläser der Wasserfilter sind undicht uns müssen geklebt werden und meine Kurzwellenfunkanlage soll auch wieder in Betrieb gehen. Da ist dann wieder jede Kiste offen, es wird gefräst und geschliffen, Silikonkleber soll nur dort kleben, wo er auch hin soll, …. Und die Arbeiten dauern mehrere Tage.

Gut, dass ich allein am Schiff bin 😊

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert