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Reise

80 Meilen


Um 3:15 wache ich auf, ok 15 Minuten vor dem Wecker. Passt so, denn ein langer Tag steht uns bevor. Wir wollen nach Milos, 80 Meilen bei nicht sehr kräftigem Wind und natürlich über das „offene“ Meer. Routiniert machen wir Philia startklar: Navigationslichter einschalten, damit wir gesehen werde, Radar und AIS damit wir auch was sehen. Das ist wichtig, denn die ersten 25 Meilen führen entlang einer vielbefahrenen Schifffahrtsstraße. Alles, was von Athen, Istanbul oder dem Schwarzen Meer nach Westen will, fährt da durch. Die Anzeigen im Cockpit werden auf Rotlicht umgestellt – das blendet nicht in der Nacht. Über das Hecklicht, dass ohnehin vom Dinghi verdeckt wird kommt eine rote Badehose, denn selbst die Reflexion des weißen Lichts würde blenden. Eine Taschenlampe übernimmt die Funktion des Hecklichts. Nicht exakt nach guter Seemannschaft, aber besser als gar kein Licht ist das allemal.

Wir ziehen uns noch wirklich warm an, es ist Nacht und wir erzeugen zumindest Fahrwind, der uns weiter abkühlen wird. Die Müdigkeit wird auch zur gefühlten Kälte beitragen. Dann geht’s los – 03:50. Anker auf und Abfahrt in  die mondlose Nacht. Zunächst auf eines der wenigen Leuchtfeuer zu, doch das führt uns geradewegs in die Route der Großschifffahrt. Da kommt so alle 20 min ein richtig dicker Frachter an uns vorbei. Auch der zeigt nur 3 Lichter, zwei Mal weiß, ein Mal grün. Das sind die, die entgegenkommen. Gut so!

Sommersegeln bei besten Bedingungen
Dick angezogen, Haube, Schwimmweste und angeleint – man kann ja nie wissen!

Nach 1 Meile ändern wir den Kurs. Von den Klippen halten wir uns damit frei, von der Großschifffahrt auch. Dennoch sind wir als „Geisterfahrer“ unterwegs. Wir sollten auf der anderen Seite der Meerenge fahren, aber das ist uns einfach zu weit. Da am Rand geht es auch recht gut, und wir sehen die Großen ja immer am Radar und AIS – und hoffentlich sie uns auch.

Die ersten Stunden sind einfache Nachtfahrt: 1 ½ Stunden bis zu einem Leuchtfeuer auf der linken Seite und dann nach leichter Kursänderung zum Kap Maleas.

Kap Maleas um 6 Uhr. Da waren wir schon 2 Stunden unterwegs

Bis wir dort sind, geht schon fast die Sonne auf. Dieses Kap hat einen schlechten Ruf: Da treffen sich zwei Windsysteme. Der mitunter recht kräftige Meltemi aus NE und die W Winde vom Peloponnes. Zusätzlich dürfte dort viel Tiefenwasser nach oben gedrückt werden. Alles zusammen gibt unangenehme Wellen und Fallböen. Fallböen erleben wir keine, da ist der Wind zu schwach, aber für unangenehme Wellen reichts allemal.

Wenn das Kap Maleas im Kielwasser liegt, schaut es nicht so schrecklich aus

In einigem Abstand vom Kap Maleas trauen wir uns dann die Segel zu setzen. Und nun beginnt das Spiel: Laut Wettervorhersage wir der Wind von NNW über N nach NNE und dann NE drehen. NE ist für uns unfahrbar, denn da wollen wir hin. Wir müssen also in Milos sein, bevor der Wind so weit gedreht hat. Und damit wir ihn möglichst lang nutzen können, müssen wir nördlich unserer Kurslinie fahren. Dann haben wir ein wenig Spielraum, wenn er dreht. Fahren wir jetzt in der Früh aber zu weit nach Norden, dann weichen wir 40 oder mehr Grad vom Kurs ab und machen damit nur mehr wenig Strecke nach Milos. Dann wären wir wieder zu spät, wenn der Wind vollends auf Nordost dreht.

Wie man das also optimal anlegt, weiß man aber immer erst am Tag danach. Also muss das mit viel Gefühl geschehen. Ständig den Wind beobachten, schauen wohin der Autopilot steuert, Segelstellung optimieren. Schnell und hoch am Wind, ist das was wir versuchen. Hoch am Wind geht, schnell – naja – 3,7 kt, 4,2 kt … Susi will gerne den Motor zu Hilfe nehmen, ich will noch mit den Segeln und dem Wind spielen. Der nimmt wenigstens zu, die Fahrt auch, dafür dreht er nach vorne, was den Kurs näher an die Kurslinie heranrückt. Das geht übeber Stunden so

Irgendwann sind wir dann fast parallel, aber immerhin 3 Meilen nördlich. Das Spiel kann beginnen. Das bedeutet dann aber auch manuelle Steuerung = selber machen, konzentriert arbeite. Der Autopilot wäre nicht so präzise um jede Winddrehung und Böe auszunutzen. Nicht nur einmal kurz bis zum nächsten Eck, nein das Eck ist die Einfahrt in die Bucht von Milos und die ist noch 50 Meilen entfernt. 10 Stunden volle Konzentration und Kampf um jeden Grad nördlicheren Kurs. 10 Stunden, nahezu ohne Pause – sehr sehr anstrengend.

Ein Schiff, dass am selben Weg war wie wir, beherrscht das Spiel nicht so gut. Aus einer Position höher am Wind und schneller (geschummelt – mit Motor), verlieren sie nun kontinuierlich an Höhe und fallen zurück. Wenigstens das motiviert. Nach ein paar Stunden kann man nur mehr ihre Mastspitze am Horizont und deutlich südlich der Kurslinie erkennen. Wo die wohl hinkommen werden?

Wir kämpfen weiter, vorerst mit Erfolg. Nur langsam nähert sich der von uns fahrbare Kurs dem direkten Kurs zum Zielpunkt an. Der Wind frischt auf, wir müssen beide Segel etwas einreffen. Das ist nie ein gutes Zeichen, denn dann läuft Philia nicht mehr so hoch am Wind. Trotzdem bemühen wir uns, heraus zu quetschen, was nur irgendwie möglich ist.

Plötzlich erkennen wir aus den Augenwinkeln mehrere Schatten auf die Philia zuflitzen. Keine 6 m neben uns, springen 2 junge Delphine aus dem Wasser – so direkt auf Kollisionskurs. Knapp neben der Bordwand tauchen sie ab. Auf der anderen Seite sind sie kurz parallel zu uns, springen elegant aus dem Wasser. Einer dreht noch eine Ehrenrunde. Dann sind sie wieder weg. Toll.

Anti Milos: ein unbewohnter Lavafelsen, der uns aber den Weg gewiesen hat

8 Meilen vor Anti Milos müssen wir doch den Diesel zünden. Wir brauchen Höhe zum Wind, um dann wieder Segeln zu können. Nach ½ Stunde geht es wieder und wir können die Einfahrt zu Milos anlegen. Milos, das ist eigentlich der Überrest eines sehr großen Vulkans, so ähnlich wie Santorin (Tira) nur ist hier die Kaldera (der Krater) besser erhalten. Durch eine sehr breite Einfahrt kann man in dieses Becken einfahren, dass unglaubliche 2 nm im Durchmesser misst.

18:30 – noch immer unterwegs. Hinter uns liegt nun Anti Milos und bis Milos ist es echt nicht mehr weit.

Und selbst die Einfahrt ist schon spektakulär. Mächtige rote Felssäulen auf der einen Seite, ein fast reinweißer Kegel schmückt die andere. Darüber, am Kamm des Hügels liegt die Chora, die Hauptstadt. Fast 5 Meilen sind von den roten Säulen bis in den Hafen zu fahren, noch eine gute Stunde! Genug Zeit, um die unterschiedlichen Felsformen und Farben, weiß, rostrot, grünlich und Schichtungen zu bewundern.

Auf der linken Seite fällt uns ein Dorf auf, bei dem die Häuser extrem nahe am Wasser stehen. Jedes Häuschen hat in einer anderen Farbe bemalte Türen. Hübsch, erinnert irgendwie an das Bild von Murano bei Venedig.

Der eigentliche Hafen ist nicht unser Ziel, wir wollen davor ankern. Da gibt es ein großes Ankerfeld, das auch uns noch großzügig Platz bietet. Um 20:15 bohrt sich der Anker in den Grund. 80,8 Meilen (150 km in etwas mehr als 16 Stunden.

Fertig, aus.

Ein schnelles Abendessen geht sich noch aus, dann fallen wir in die Kojen

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