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Auf der Lauer

Wir wollen nach 3 oder 4 Wochen auf Limnos weiter ziehen. Lesbos ist unser neues Ziel. Davor heißt es aber Abschied nehmen und auf einen passendes Windfenster zu warten.

Martin und Daniela haben uns zu einem Abendessen eingeladen: Best of Limnos! Da wird aufgekocht, dass sich der Tisch biegt: Fava, Augenbohnen mit Feta, rote Rüben mit Blattwerk, Rindsfillet, Choriatiki = griechischer Salat und zur Nachspeise Yoghurt mit kandierten Karotten. Ein Festmahl, dass sich nicht zu verstecken braucht.

Trotzdem legen wir am nächsten Morgen, na ja, eher späten Morgen ab und lassen uns vom Wind bis vor die Bucht von Mudros tragen. Dann geht es gegen den Wind in die Bucht, bis in den Hafen von Mudros. Durchaus spannend, denn die Bucht ist sehr flach, lange Ketten von Felsen bilden Barrieren, die das Fahrwasser einengen. Vor dem Hafen gibt es Stellen, wo unser Tiefenmesser mit Null-Komma beginnt. Kein wohliges Gefühl!

Aber die Anfahrt gelingt und wir treffen wieder auf Stefan und Bettina von MANGOON. Da wird dann noch etwas getratscht und ein längeres Treffen auf morgen verschoben – falls wir noch da sind.

Knurrhahn – frisch vom Fischerboot

Und wir sind! Um 4 Uhr früh haben wir beschlossen, dass Wind und Wellen doch zu heftig für uns sind, und uns wieder hin gelegt. Also noch ein Tag faulenzen, den Ort ansehen, Wetterplanung machen. Ja und den Abend mit Stefan und Bettina verbringen. Aber nicht zu lange, denn morgen sieht das Wetter wirklich gut aus –

falls wir um 5 Uhr ablegen.

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Ganz im  Osten

Noch einmal gehen wir mit dem Jeep auf Expedition. Der Osten der Insel interessiert uns noch, denn wir waren dort noch nie unterwegs.

Der erste Stopp soll der Salzsee sein. Diesmal ist er noch voll Wasser und beginnt erst langsam auszutrocknen. Damit bildet sich aber ein Sumpfland, dass für viele Vögel eine willkommene Nahrungsquelle darstellt. Balzende Enten sind da und Stelzenläufer stochern im Wasser herum.

Brandente im Balzkleid vor dem Spiegel
Strandläufer

Da der Strandabschnitt an dem wir sind, kaum besucht wird, ist er für Susi ein Muschelparadies. Die Pause dauert also länger.

Ich überlege mir inzwischen, wie wir weiter nach Süden kommen. Der von Google angebotene Weg durch das Marschland existiert nicht. Zurück zur Straße ist möglich aber langweilig. Andererseits sehe ich, wenn ich den Strand entlang schaue, die Stelle, die wir als nächstes besuchen wollen. Mit dem Jeep über den Strand?

Trägt der Sand das Auto? Wie schnell muss man da fahren, dass man nicht einsinkt? Wie lässt sich das Auto in dem Sand steuern? Soll ich’s wagen?

Ich soll! Allrad dazu schalten, noch ohne Differenzialsperre, um für den Fall des Falles noch technische Reserven zu haben. Dann die Fahrspur wählen: Ganz unten am Wasser ist der Sand zwar fest, aber eben sehr geneigt. Oben, wo es flach ist, ist der Sand trocken und daher recht weich. Irgendwo in der Mitte, wo die Wellen bei Flut über den Sand geleckt haben, da sollte es gehen – eben und fest.

Na dann, beherzt auf’s Gas gestiegen und auf fast 40 km/h beschleunigt. Der Jeep schwimmt über den Sand, so wie über eine Schneefahrbahn, aber er zeichnet kaum eine Spur in den Sand. Zu schnell sind wir, als dass die Sandkörner wegfließen kann. Trotzdem bin ich sehr angespannt – ist der Sand in ein paar hundert Metern auch noch so gut zu fahren, oder fallen wir da in ein „Loch“.

Es geht aber bis zum Ende gut. Nur die bulgarischen Vogelbeobachter schauen etwas entsetzt drein, als wir auf ihr Auto zu brausen 😉

Dann geht es über feste, zumeist ebene Staubstraßen weiter, bis wir an einen berühmten Kitesurferstrand kommen. Die verschiedenen Buden sind noch in Strandnähe in einem Feld geparkt. Unter einem Gestell lagern Tische, Sessel, ein Schlauchboot und ein Strandkatamaran. Unmengen an  Seegras türmen sich am Ufer. Muscheln liegen herum, dass man sie eigentlich schon aufschaufeln kann.

Die Qual der Wahl

Später kommen drei junge Griechen. Sie erzählen, dass sie in 2-3 Wochen den Strandbetrieb einrichten wollen. Jetzt aber suchen sie sich die Sessel und setzen sich in die Sonne. Auch so entspannt kann man die Arbeit beginnen – nur ob das mit dem 2-3 Wochen was wird ?

Irgendwann kommen wir nach Poliochni.  Poliochni ist eine Ausgrabungsstätte, bei der man die vermutlich älteste Stadt Europas gefunden hat. Vor 5.000 Jahren, also zur Zeit der ägyptischen Pyramiden, habe hier Menschen beschlossen, Steinhäuser dicht an dicht zu bauen, Straßen, Brunnen und Entwässerungskanäle anzulegen und auf engem Raum zu leben. Bis dahin waren die Siedlungen Ansammlungen von einzeln stehenden Hütten – so wie jetzt unsere Speckgürteldörfer.

Eine der ersten Städte Europas – vor 5000 Jahren angelegt. Zeitgleich mit dem Pyramiden, 2000 Jahre bevor die Griechen Ägypten beschrieben haben. Bei uns war damals gerade der Ötzi eingefroren.

Unglaublich wie eng und klein die Räume waren. Habe die Leute damals im stehen geschlafen? Leider ist nicht viel über das Leben in der Stadt beschrieben, aber wenn in jedem Haus eine Familie lebte, also 8 bis 10 Personen, dann waren das hier mindestens 1000 Menschen auf einer sehr geringen Fläche. Warum die das taten? Vermutlich, weil die Stadt besser gegen „Piraten“, also Überfälle geschützt waren.

Schon spannend, was da so alles im Boden verborgen liegt.

Eine Granatapfelblüte
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Der Hut des Pfarrers

Im griechisch orthodoxen Griechenland fällt heuer Ostern erst auf den 5. Mai. Ostern ist hier noch wichtiger als Weihnachten bei uns. In den Geschäften werden spezielle Osterkerzen verkauft, für Kinder stehen riesige „Überraschungseier“ im Dekor von Spiderman oder Captain America bereit.

Für uns ist vorerst nur wichtig, dass die Geschäfte am zwischen Freitag und Dienstag nur am Samstag Nachmittag geöffnet sind. Ausgenommen die Fleischer: Die müssen die bestellten Schafte und Lämmer ausliefern. Aber sonst sind alle bei ihren Familien und haben große Feiern.

Wir haben hingegen eine ruhige Zeit am Schiff oder mit Martin und Daniela. Am Samstag Abends ändert sich das aber: Im Bereich des Hafens versammeln sich viele Griechen. Bald ist Blasmusik zu hören. Da müssen wir hin!
Eine lange Prozession zieht aus der Altstadt vor das Rathaus. Zuerst die „zivile“ Blasmusik, etwa 16 Mann hoch und ganz passable Musik. Dann kommt eine kleine Lücke und dahinter die Militärmusik, aber nur 7 Mann hoch. Hinter denen 16 bewaffnete Soldaten und danach der erste von 3 blumengeschmückten Baldachin-Altaren. Dazwischen natürlich diverse Ministranten und Ministrantinnen, diverse Popes und der Patriarch, eine Abordnung von weiß gekleideten Frauen und dann das „Volk“.

Vor dem Rathaus biegt die Prozession ein, die Popes aber auch „zivile“ steigen auf eine Bühne und beginnen einen Gottesdienst. In dem Gedränge kann Susi kaum was sehen, erspäht aber ein gewölbtes goldglitzerndes Ding am Kopf des Patriarchen. „Der Pfarrer hat einen Glitzerhut!“

Wir verstehen von dem orthodoxen Singsang kaum etwas und ziehen uns nach ¼ Stunde zurück. Bald zieht die Prozession aber weiter zur Hauptkirche der Stadt. Für uns überraschend werden da aber auch schon Feuerwerke und Böller gezündet.

Wie wir am Ostersonntag lernen, wird auf die Feuerwerke hin gefiebert, wie bei uns zu Silvester. Leider regnet es an dem Abend und so gibt es dann zwar ein Feuerwerke und Schießerei, aber keine ausgelassenen Feiern auf den Straßen.

Man kann nicht alles haben!

Die Burg von Myrina
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F_k


Wiedereinmal hat sich ein Kreuzfahrtschiff in Limnos angesagt, und das ist hier immer ein großes Thema. Die Wünsche der Kreuzfahrer und die Möglichkeiten von Mirina passen halt nicht so ganz zusammen. Der Hafen ist zu klein für das Schiff, also können die Gäste nur mit den Tendern (Beibooten) an Land kommen. Weil sich aber aller so fürchten, muss der ganze Steg zur Sicherheitszone werden. Da passt es dann nicht, dass da auch Segelschiffe liegen.

Außerdem muss von irgendwo her auch ein X-Ray Scanner und ein Personenscanner her. Auf irgend einem Bauernhof steht da noch so ein Container herum. Der wird in den Hafen gebracht und zumindest opisch aufgehübscht. Ob das Ding funktioniert bleibt im dunkeln. Aber er schaut schön aus und die beiden Security Mitarbeiter schauen wichtig aus.

Wir jedenfalls, müssen auch weg. Als letzte legen wir ab und ankern für diesen Tag in der Bucht, um nach der Abreise der Kreuzfahrer, wieder an den Steg zu kommen. So ist der Plan.

Gegen Mittag kommt dann noch ein Schiff aus Deutschland, versucht anzulegen, wird abgewiesen und gesellt sich zu uns. Soweit, so gut. Bis, ja bis gegen 3 eine Flottillie aus fünf griechischen Segelyachten ankommt. Auch die dürfen nicht anlegen und vertreiben sich die Zeit in dem sie wie wilde Hummeln auf engstem Raum durcheinander rasen. Dem Bayern gefällt diese Hektik und das Vordrängen nicht: „F_k Dich“ tönt es durch den Hafen. Freundlich ist das nicht.

Bis einer eine blendende Idee hat: Ankern, aber ankern im Päckchen. Als legen alle 5 Schiffe ihre Anker aus und binden sich dann aneinander. Naja, wer’s mag. Sofort sind ein paar Wasserballer im Wasser und bleiben für die nächste Stunden dort. Mir wäre das zu kalt.

Gegen 5 kommt Bewegung in die Sache: Wir versuchen anzulegen, da die letzten Passagiere abgefahren sind. Wieder werden wir abgewiesen. Erst wenn das Kreuzfahrtschiff selbst den Anker hochgezogen hat, wird der Steg freigegeben, gegen 6 soll das sein. Am Weg zurück zu unserem Ankerplatz teilen wir das den Griechen mit. Das kümmert die aber wenig und sie beginnen ihr Ankerpäckchen aufzulösen. Auch der Bayer wird nervös, geht näher an den Steg und beginnt eine Diskussion mit der Küstenwache: „F_k you Greece“ und ankert mit seiner Kette quer über die Ketten der Schiffe, die im Hafen liegen.

Um ½ 6 kommen die Herren der Küstenwache an den Steg, deuten in unsere Richtung – oder in die Richtung der Bayern. Vor dem Steg verdichtet sich eine Wolke von Schiffen, da ist wirklich viel Plastik im Wasser. Wir machen auf dicke Hose, stechen mitten ins Gewimmel, nützen eine Lücke und liegen seitlich am Steg. Ein Mann der Küstenwache hilft uns die Leinen fest zu machen – sehr nett.

Kaum bin ich an Land beginnt mich der Offizier der Küstenwache als Klagemauer zu verwenden: „Niemand saht F_k zur Küstenwache! Den hole ich mir! Er bekommt seinen Platz am Steg und dann ein intensives Gespräch in meinem Büro!! Wenn der was getrunken hat, na dann, dann wird das richtig unangenehm für ihn“. So geht das eine Zeit lang, aber ich habe den Eindruck, seine Wut verraucht. „Your English is better than mine. Could you come too, as a translator?” Das war mein dringlichster Wunsch für diesen Abend ☹. „Today is Great Friday (=Karfreitag), that is why I will not kill him” – na, das klingt ja schon fast friedlich.

Als der Bayer anlegt, kann ich ihm flüstern, dass der Offizier so richtig heiß auf seine verbalen Eskarpaden ist und er sich dringenst entschuldigen soll. Als er vom Schiff geht, ist er fast kleiner als der Poller an dem sein Schiff angelegt ist. Mea culper, ich war so wütend, tut mir leid …“ nach 5 Minuten ist der Offizier zu frieden. Immerhin ist heute noch eine wichtige Familienfeier angesagt und er will den Abend nicht mit Diskussionen über Seemanschaft und Verhalten gegenüber Behörden verbringen.

Der Bayer bedankt sich bei mir, lädt mich auf ein Getränk in seinem Cockpit ein. Aber da stehen schon 3 leere Bierdosen. Gut, dass die der Offizier gar nicht sehen wollte.

Die Karfreitag Feierlichkeiten können beginnen.

PS.: Kein einziger Kreuzfahrer ist durch die Sicherheitsschleuse gegangen. Auch das ist Griechenland

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Frühling in Limnos

Bei unserem ersten Besuch, im August vor zwei Jahren, hat sich Limnos als ausgebrannte, braune Insel präsentiert. Grüne Bäume gab es nur in der Nähe von Siedlungen, oder Siedlungen nur in der Nähe von Bäumen – und viele Siedlungen gibt es nicht!

Jetzt aber schweift der erste Blick über eine grüne Insel, Grün in jede Richtung und Höhenlage. Martin borgt und den Jeep und wir wandeln auf den Spuren unseres ersten Besuchs. Wir wollen wieder die „Wüste“ sehen, und auch die Sandsteinformen haben es uns angetan. Also einmal quer über die Insel, in 30 min ist das geschafft, und dann den Wegweisern folgen. Dabei aber nicht schrecken lassen: Je schlechter die Straße, um so näher kommt man der Sehenswürdigkeit.

Und so geht es zuerst zu den entlegenen Dörfern, dann zwischen den engstehenden Häusern hindurch und beim letzten Haus auf den Feldweg. Das Navi sagt aber, dass es bis zum Ziel noch 9 km sind. 9 km Feldweg? Naja, manchmal ist er betoniert, und das geschieht hier nur aus zwei Gründen:
A) Der Weg führt durch einen Bach oder
B) es geht so steil bergauf, dass alle Touristenautos im Schotter hängen bleiben würden.
Für uns im Jeep ist das egal, hat uns doch Martin geraten: „Wenn nichts mehr geht, den Allrad rein, wenn auch der versagt, den Kriechgang. Der kommt immer durch.“ Ich will das ja nicht wirkich austesten, aber es ist beruhigend zu wissen, dass man sich am eigenen Schopf aus dem Schlamassel ziehen könnte.

In der „Wüste“ angekommen, die Griechen nennen sie „Ammothines“, sind wir heute die einzigen Besucher – zumindest jetzt. Im Gegensatz zum Vorjahr ist es heute angenehm kühl. Das Gegen im Sand ähnelt dem im tiefen Schnee, wir kommen aber gut voran. Rundum sind viele Singvögel zu hören, die ihr Revier abstecken oder sich um die holde Damenschaft kümmern. Ein paar wilde Zottelziegen sind auch da und streifen zwischen den Bäumen am Rand der Sandflächen umher.

Beim „Baum am anderen Ende der Wüste“ drehen wir um, und gehen in weitem Bogen zurück zum Auto. Nun treffen die Menschenmassen ein, also 2 weitere Pärchen. Für die Jahreszeit ist das schon ganz gut.

Susi will weiter zu den „bubbles“, den Steinformationen von Farakla. Offensichtlich sind wir das erste Fahrzeug, nach dem die Straße hergerichtet wurde. Der Parkplatz ist sogar noch abgesperrt, aber bei dem Besucherandrang, wieder sind wir alleine, finden wir schon noch ein Plätzchen.

In der Luft ist viel Bewegung, nicht nur Möven und Nebelkrähen sind unterwegs, auch ein Schwarzmilan zieht seine Kreise. Und dann sind da noch Laute, die uns bekannt vorkommen – Bienenfresser. Die gibt es in Österreich nur an zwei Orten, einer ist Weiden am Neusiedlersee. Hier sind offensichlich ein paar Brutpaare unterwegs. Die brüten (laut Lehrbuch) in hohen Sandabbrüchen, in die sie ihre Nesthöhlen graben. Allerdings ist von hohen Sandabbrüchen nichts zu sehen.

Die Vögel müssen sich also anders behelfen – mit der Straßenböschung, kaum 80cm über dem Boden finden sich die Löcher. Und kurz darauf auch die Vögel, die sich vor der Höhle auf den Boden setzen und sich lange beobachten lassen.

Wir treten den Rückzug an und fahren zu Martin, um das Auto zurück zu geben. So einfach kommen wir dann aber nicht weg von dort. In Sadres wartet noch ein sehr griechisches Abendessen auf uns. Da Sadres am Berg liegt, wird hier Fisch durch Lamm und Ziege ersetzt. So sieht die griechische Küche ganz anders aus.

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Limnos – nicht leicht zu erreichen

Ich habe Zeit meine Wunden zu lecken und die anstrengenden 23 h zu verdauen. Daher bleib ich vorerst einmal vor Anker. Außerdem hab ich noch keine Idee, wie ich nun am Besten anlegen kann: Es sind, bis auf ein Motorboot, noch keine Schiffe im Hafen –  und selbst am Motorboot tut sich heute wenig. Ich mach mich aber auf www.noforeignland.com schlau, und finde, dass Matilda – so heißt das Schiff, auf der Seite auch eingetragen ist. Und das ist praktisch, denn so kann ich eine Chat-Nachricht an Matilda schicken. „Falls es Euch passt, könnt ihr mir beim Anlegen helfen?“. Am Nachmittag kommt ein Anruf von Mathilda, oder besser von Karina. Sie und ihr Mann helfen mir Philia endgültig am Steg fest zu machen. Angekommen!

Matilda und Philia einträchtig am Steg

Ich schlendere durch Myrina und entdecke in meinem Hirn Erinnerungen an Myrina vor 2 Jahren: Da ist die Apotheke bei der ich nach rechts abbiegen muss, um zum TNT Shop zu kommen. Dort ist die Bäckerei mit den guten Buchazka (Blätterteig und dazwischen eine Creme die sich zwischen Vanillepudding und Topfen bewegt – herrliches Zeugs).

Erstaunlich, dass Ende April mehr als ¾ aller Geschäfte in der „Touristenstraße“ noch im Winterschlaf sind. Bei manchen erkennt man erste Vorbereitungen, andere sehen so aus, als wären sie schon vorigen Sommer nicht mehr erwacht „zu verkaufen / zu vermieten“ steht an etlichen Fensterscheiben. Da hat sich wohl wer das große Geschäft erwartet, das dann doch nicht so groß wurde. Nicht wenige der Betreiber wohnen im Winter gar nicht in Limnos, sondern am Festland in Athen oder Thessaloniki und kommen nur im Sommer, zum Geldmachen, hier her.

Der Hafen ist leer – wie lange noch?

Ich hab jetzt ein paar Tage Zeit, bis am Montag Martin und Daniela mit dem berühmten roten Jeep auf die Insel kommen. Doch halt – am Montag gibt es gar keine Fähre aus Kavala. Da hat sich Martin in der Planung geirrt und kann das gerade noch korrigieren. Also umbuchen auf Dienstag – auch gut. Nur mit dem Abholen von Susi, sie kommt auch am Dienstag, allerdings mit dem Flieger, wird das jetzt schwierig.

Vorgestern war das Meer noch richtig wild.

Zwei Mal mit dem Taxi zum Flughafen? Da kann ich mir gleich einen Leihwagen nehmen. Wenn, ja wenn nur irgendwer interessiert wäre, mir kurzfrisig einen Leihwagen zu geben. „Nein, heute habe ich niemanden, der Ihnen den Wagen übergeben könnte“. Na, dann eben nicht und Susi muss alleine mit dem Taxi kommen.

Die sehr friedliche NE Küste

Und Martin? Der kommt am Dienstag gar nicht an.  Die Fähren wurden eingestellt, weil weiter im Süden ein Sturm tobt und die Fähre die Strecke nach Lesbos / Chios / Samos / Kos nicht fahren kann. Die Beiden haben also einen Zwangsstopp und dürfen / müssen Kavala kennenlernen.

Am Mittwoch aber, da sind wir vier dann komplett, da beginnt der Urlaub und eine tolle gemeinsame Zeit.

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Duo

Von nun an geht es zu zweit weiter. Lesboss und dann langsam weiter nach Süden bis in den Dodekanes. Vieles ist uns hier noch unbekannt. Wir sind gespannt, was auf uns zu kommt.

So irgendwie könnte es weiter gehen

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Nur nach Skyros

Um 5 klingelt der Wecker, und wenn der das am Schiff tut, ist immer was besonderes los. Heute steht eine dringende Abfahrt an. Jetzt kann ich mir einen Zeitpolster holen, falls die Fahrt nach Skyros doch nicht so schnell wird wie ich mir das wünsche. 10 bis 12 Stunden soll die Reise dauern, und damit komme ich noch bei guten Tageslicht im geplanten Hafen an.

Der ist allerdings etwas speziell: Man hat eine Marina gebaut, die nie fertig wurde, und die Anfahrt ist nur in windarmen Zeiten gut möglich: Zwischen Felsen 3 x 90° Kurven, keinerlei Navigationshilfen wie Tonnen oder Lichter. Bei Dunkelheit absolut unmöglich, also rechtzeitig da sein!

Die so gefürchtete Kafireas Straße zeigt sich lieblich. Windstill und kaum Wellen, auch für die Gegenströmung, das kann bei Meltemi bis zu 7 kt sein, schläft heute. Ich beschleunige Philia auf 6 kt, was der Motor bei nur 2000 Umdrehungen locker schafft. Bis zu 3200 könnte er, will ich aber nicht – wozu auch. Nach kaum einer Stunde setzt brauchbarer Wind ein. Genau von hinten, 15 kt. Da bleiben dann nach Abzug aller Taxen 5 kt Fahrt übrig. Auch die Windräder auf Euböa, mehr als 70 habe ich gezählt, nehmen die Arbeit auf. Also, Genua heraus! Das Großsegel bekommt heute nichts zu tun, das würde nur stören.

Bis zum Ende der Straße nimmt der Wind immer mehr zu und erreicht sogar 30 kt, am Schiff spürt man immer noch 24 davon – weil ich dem Wind ja davon fahre. So viel wollte ich eigentlich nicht, aber Philia rauscht mit 6,5 bis 7 kt dahin. Schnell, richtig schnell. Wenn ich geahnt hätte, was heute noch an Höchstgeschwindigkeit dazu kommt …

Sobald sich die Kafireas Straße öffnet, nimmt der Wind wieder etwas ab und gut ist’s. Philia pflügt friedlich dahin. Vor mir liegt die Ostecke von Skyros und im Lee wird es sicher angenehm werden. Eine Reise um einfach zu genießen – so schön kann segeln sein.

Schon um 14 Uhr bin ich an der Ostecke angekommen. Was mich da verwundert ist, dass da plötzlich auch Wellen sind, die so um die 45° aus einer andern Richtung kommen. Unerklärlich woher. Jedenfalls wird das Wasser sehr kabbelig und Philia taumelt dahin. Auch der Wind nimmt langsam zu, aber das kann ja bei einem Kap immer gut sein. Mach ich halt die Genua kleiner und es geht dann schon.

So biege ich ab, um im Lee die Küste entlang zu fahren, mit etwas Abstand natürlich. Zwei oder drei Meilen oder so. Jetzt sollte der Wind im Lee der Insel aber abnehmen.

Sollte, er will aber nicht. Im Gegenteil, von 20 auf 28 auf 35. Na holla, was ist denn da los? Die Genua noch kleiner machen. So kann ich das Schiff kontrollieren, aber ich kann kaum näher ans Land heran fahren. Jetzt kommen auch noch Böen mit 40 kt (70 km/h) daher. Wo wird das aufhören?

Entspannt und lustig ist das schon nicht mehr, das ist anstrengende Arbeit. Und nebenher hab ich noch eine Aufgabe zu lösen. Wohin will und kann ich eigentlich? Die Marina bei Achilles – 3x ums Eck bei 40 kt, unklar ob sie versandet ist oder nicht – also mit langsamer Fahrt – und dann Anlegen als Solist, bei dem Wind …. Nein das wird nichts.

Plan B?
Ja gibt’s. Ganz im Norden, beim Flughafen sind zwei Buchten, die ich ansteuern könnte. Das wäre noch 15 Meilen, also 3 Stunden in dem Sturm. Ist aber meine einzige Chance!

Mittlerweile legt sich Philia in den Böen schon tüchtig auf die Seite. In den Wind drehen will ich nicht, damit die winzige Genua nicht anfängt zu flattern und sich zerstört. Abfallen, also mit dem Wind zu fahren, das geht. Da sind dann sofort 10 kt weniger Wind, aber ich entferne mich auch vom Land. Auch irgendwie ein Topfen.

Da melden sich auch noch meine Stalker aus Wien. „Schnell bist Du“ – ja, ich weiß. Meine Antwort ist knapp: „Ka Zeit, 40 kt“. In dem Moment reißt sich das große Solarpanel los und hängt nur mehr an einem Kabel. Zum Dank dafür schlägt es mir mit seiner Kante in den Rücken. Gut dass ich ein Notfallswerkzeug im Navigationstisch habe. Seitenschneider, abzwicken, Panel in den Salon bugsieren, weiter machen.

Jetzt geht es nur mehr mit dem Wind – aber wohin? Und wie? Nur mit dem „nackten“ Mast, also vor Top und Takel, rennt Philia mit 4,5 kt nach Norden. Da ist vor allem viel freies Wasser, das ist gut, da kann man nirgendwo anstoßen. Bin ich sicher, aber wo komm ich da dann hin? Östliche Sporaden, Kalkidiki, Kavala? Ob ich das will wird da nicht gefragt. Philia rauscht dahin und verlangt nach einer Entscheidung.

Meine Stalkerinnen sind alarmiert und beginnen mit eingehenden Wetterberatungen. Jetzt!
Da kommt noch der Ratschlag mit Motor zurück nach Skyros. Mit 29 PS gegen 40 kt? Der Wind ist stark genug, mich mit Rumpfgeschwindigkeit nach Norden zu schieben. Wenn ich mit dem Motor dagegen schiebe, dann bleibe ich am Fleck. Kann ich mit meinen 108 Litern Diesel ungefähr 30 Stunden machen – sinnlose Aktion.

Böen bis deutlich jenseits der 30 kt

 Was ich aber herausfinde ist, dass mich der Wind nur knapp nördlich von Lemnos vorbei treiben wird. Vielleicht kann ich ihm die paar Grad weiter südlich zu fahren abluchsen. Ein erster Versuch klappt. Auch dass der Wind auf 25 kt runter geht gibt Hoffnung.

Jetzt kommen ein paar Screenshots auf mein Handy. Sehr bunte Bilder über Wind und Wellen am Weg nach Limnos. Bunte Wetterbilder sind nie gut, das bedeutet viel Wind. Gut wäre gleichmäßges helles Blau oder in bisschen Grün. Orange oder gar Pink sind nicht so meine Sache. Richtig übel wäre Violett – mehr als 50 kt – muss echt nicht sein.

Also der Weg nach Limnos verspricht zunehmenden Wind (mehr als 30 kt) und zunehmende Wellen (gut 2 m). Was solls, da muss ich jetzt durch. Wird schon gehen, andere machen das ja auch. Ich halt bisher noch nicht. Und ich bin ja nicht alleine. Mein Autopilot ist ein ganz potenter Kerl und steuert auch unangenehme Welle ganz gut aus.

Ich hab also ein paar Minuten den Rest der Reise zu planen. Mit dem Plotter geht das ganz fix – Autorouting nennt man das. So ähnlich wie beim Auto. Und da wird mir sofort eine Ankunftszeit verraten – natürlich mit allen Unsicherheiten. So gegen 2 Uhr Nachts wäre vielleicht möglich. Na dann, klingt ja nicht so schlecht.

Zur Sicherheit kann ich sogar noch 15° höher an den Wind als der direkte Kurs erfordert. Sollte der Wind später drehen oder die Welle zu unangnehm werden, kann ich abfallen und (hoffentlich) trotzdem mein Ziel erreichen. Kostet halt einen Umweg von 10 Meilen oder 1 ½ Stunden, aber ich will jetzt wirklich auf der sicheren Seite sein. Vier Stunden hab ich jetzt noch Licht mich an Wind und Welle zu gewöhnen. Wie steuere ich das händisch, was macht der Autopilot. Damit ich später nicht drauf vergesse, schalte ich jetz schon meine Navigationslichter ein. Ich bin zwar in einem Gebiet, in dem kaum jemand unterwegs ist, aber egal.

Was man auf www.marinetraffic.com sehen konnte. Das Bild zeigt meine Position um ca. 2 Uhr Früh

Solange ich selbst steuere, halte ich das Gewackel gut aus. Wellen die von schräg hinten rechts kommen, heben zuerst das Schiff rechts hinten an und versuchen es nach links zu drehen. Dann, wenn die Welle genau unter dem Schiff ist, fällt das Heck nach rechts ins Wellental und der Bug schwingt nach links. Gleichzeitig schwankt der Rumpf, weil er ja im rechten Winkel zur Wasseroberfläche sein will. Zuerst also Neigung nach links, dann sehr rasch nach rechts. Kommen gleich mehrere größere Wellen, schaukelt sich das auf. Mehr als 30° Neigung sind da schon drin. Bei 15° kommt im Schiff alles ins Rutschen und knallt irgendwo dagegen.

An Deck kann ich mich kaum mehr halten. Selbstverständlich habe ich die Schwimmweste an und bin immer mit mindestens einer Lifeline mit dem Schiff verbunden. Alles andere könnte tödlich sein. Wäre nicht das erste Schiff, dass ohne Besatzung wo ankommt.

Wenn ich oben bin, aber „nur“ dem Autopiloten zusehe, bekomme ich die ersten Anzeichen von Seekrankheit: schlechtes Gefühl im Magen, Aufstoßen, vermehrt Speichel. OK, ich hab ja seit Skyros nichts mehr getrunken oder gegessen, dazu hab ich keine Zeit. Im Navigationstisch liegen noch ein paar uralte Travelgumms. Die haben wir so zu sagen mitgekauft. Da hole ich mir jetzt einen. Der soll nur den Nachteil haben, dass er müde macht. Aber bei dem Adrenalin Spiegel wird das schon gehen. Außerdem hab ich aus genau diesen Gründen zwei Dosen Energydrinks im Kühlschrank. Aber das Zeug muss noch warten.

Ich wechsle mich mit dem Autopiloten ab. Einmal fällt mir auf, dass eine Anzeige, nämlich der Kurs vom Autopiloten verstellt ist. Bitte jetzt kein Schaden am Autopiloten – oder gar an der Steueranlage. Jetzt werde ich besonders hellhörig. Kommt mir vor, dass ich gelegentlich ein Geräusch höre, als würde Metall über Metall rutschen? Kann, soll, darf nicht sein! Jedenfalls werde ich der Steuerung in den nächsten Tagen besonders viel Liebe und Fett zukommen lassen.

Da, wieder das Geräusch! In einem Moment in dem der Ruderdruck besonders hoch war, klar, große Welle, hab ich plötzlich keine Steuerwirkung mehr! Das gibt’s doch nicht. Die Verschraubung des Steuerrades ist locker – das Rad dreht sich durch. Jetzt, bei dem Wetter !?! Doch halt, der Autopilot greift über einen anderen Weg auf die Steuerung zu. Sofort einschalten und das Schiff unter Kontrolle bringen. Ich stürze hinunter zum Notfallswerkzeug. Da muss ein kleiner Franzose (verstellbarer Schraubenschlüssel) dabei sein. Da ist er! Sofort wieder rauf, richtig eingestellt und die Mutter wieder angezogen. Passt wieder! Aber der kleine Franzose darf heute im Cockpittisch übernachten.

Langsam wird es dunkel und die Wellen sind im fahlen Licht nur zu erahnen. Der Himmel hat sich heute komplett bedeckt, der Halbmond zaubert ein gespenstisches schwaches Licht. Was man erkennen kann, sind die Schaumkronen, und davon gibt es einige. Im Schein der roten und grünen Navigationslichter sieht man ein bisschen was nach vorne, aber das ist nicht relevant. Das ist schon vorbei oder man erreicht es nicht. Das Hecklicht leuchtet aber auch nur am Rande in die Richtung der anrollenden Wellen. Also eigentlich weiß ich nicht, was in den nächsten Sekunden auf mich zu komm., Aber alle 5 Sekunden kommt was – versprochen.

Für eine Richtung in die man taumeln möchte, gibt es außen keinerlei Referenz mehr. Der magnetische Kompass, der auf 30° zeigen sollte, pendelt lustig zwischen 60° und 0° hin und her. Wie soll man das manuell steuern – schleierhaft, wie das auf Regattajachten möglich ist. Aber mein Autopilot versieht unbeirrt seinen Dienst. Auch auf die Geschwindigkeitsanzeigen kann man sich nicht verlassen. Rauscht Philia eine Welle hinab, schießt die Anzeige nach oben, rutscht sie den Wellenrücken hinunter – den Bug hoch in den Himmel gestreckt, rutscht auch die Anzeige nach unten. So pendelt sie zwischen 7,5 und 3,5 lustig hin und her. Selbst das GPS ist mit dieser Bewegung überfordet. Egal, die Richtung passt und irgendwann werde ich ankommen.

Langsam vergehen die Stunden. Die Ankunftszeit hat sich gegen 4 Uhr verschoben. Das hab ich natürlich sofort nach Hause übermittelt. Ich bin zwar mehr als 40 km von jedem Mobilfunkmasten entfernt, aber das Handy geht. Ich werde langsam müde, es gibt ja nicht viel zu tun. Aufpassen, dass alles funktioniert, hoffen, dass nichts passiert. Und vorallem aufpassen, dass mir nichts passiert. Bei jede Schritt gut festhalten, weich in den Knien, um die Bewegung zu dämpfen. Ein paar Rippen sind schnell lädiert.

Zeit für den Energy Drink. Keine Idee wie Jugendliche auf das Zeug stehen können. Ich finde das übel, die viele Kohlensäure macht das Zeug bei dem Wetter nicht verträglicher. Aber mir geht’s ja um die „belebende Wirkung“. Zuerst wird mir aber übel. Muss ich nun kotzen oder nur die Kohlensäure loswerden? Vorsichtig probieren – gut, nur die Kohlensäure. Die ganze Dose – eh nur 0,2 lit -ist mir aber zu viel. 1/3 hebe ich mir auf, versuche die offene Dose in der Abwasch so zu verkeilen, dass sie nicht umfällt. Naja, der Schaden wäre überschaubar.

Im Schiff zu sitzen ist ganz gemütlich: warm, trocken. Gelegentlich prasselt eine Gischtfahne aufs Deck. Schön, dass ist jetzt herunten bin. So einen Schwall Wasser ins Gesicht – muss nicht sein. Der Salontisch ist sauber wie sonst nie – liegt halt alles am Boden oder auf den Bänken. Was aufheben hat keine Sinn, fliegt bei der nächsten Welle ohnehin nur wieder durch die Gegend. Einfach liegen lassen und auf die Seite schieben, so dass ich nicht draufsteige und die Sauerei noch vergrößere.

Gegen Mitternacht bin ich südlich der kleinen Insel Agio Geogoros. Da gibt es auch einen kleinen Hafen. In dem möchte ich heute aber auch nicht sein. Da steht die Welle voll hinein, und die Wellen sind mittlerweile gut 2 m hoch, sagt man – ich sehe sie ja nicht.

Gleich nach der Insel, kann ich meinen Kurs nach Norden wenden. Der Wind kommt jetzt von hinten und ich werde Mirina auf alle Fälle erreichen. Das war das Ziel der Übung. Nur, wie komme ich jetzt nach Mirina hinein?

Mirina ist ein großer Fährhafen, hat also ein weißes Leuchtfeuer, dass man 10 Meilen weit sieht. Die Einfahrtsmole hat an den Molenköpfen je ein rotes und ein grünes Licht. Und die alte Mole ist auch noch beleuchtet. Das sollte man finden. Was man nicht findet, sind zwei Kaps mit vorgelagerten Inselchen, die genau in meiner Richtung liegen. Und dort ist es natürlich finster. Die Einheimischen kennen sich aus, und die Fremden sollen gefälligst bei Tag ankommen.

Wieder hilft mir die Elektronik. Ich kann den Pfad in den Hafen einprogrammieren und dem Schiff sagen, dass es genau diesem Pfad folgen soll. Vier Stunden kann ich das jetzt erproben. Unter Motor geht das gut, unter Segel hab ich das noch nicht probiert. Und bei diesen Wellen …

Die laufen mir nun genau nach. Da pendelt Philia zwar nicht so, dafür macht sie was anderes. Sie surft, sie schießt die Vorderseite der Wellen hinab, mehr als 9 kt habe ich gemessen. Das ist viel mehr als wir je mit dem Schiff gefahren sind. Da die Wellen nur wenig schneller sind als ich, dauert es eine Weile bis sie mich überholen. Dann aber sitzt Philia oben drauf, links und rechts grugelt und zischt es. Zuerst am Heck, dann in der Mitte und zuletzt am Bug. Dann ist die Welle durch und die nächste wartet schon darauf, mich vorwärts zu schieben. Erstaunlich, aber von hinten kommt bei all dem auf und ab kein einziger Spritzer ins Cockpit

Wäre ja schön, wenn das so weiter ginge. An die 23 kt Wind hab ich mich schon gewöhnt, doch 23 + 7 ist auch wieder 30. 30 Knoten, da sind sie wieder. Aber ich muss ja noch um die beiden Kaps herum, dazu muss ich diesen „bequemen“ Kurs verlassen und ein wenig anluven. Sofort gibt es mehr Schaukelei, sofort drückt mehr Wind in meine winzige Genua.

Im Schiff wird es laut, richtig laut. Das Geschirr scheppert bei jedem Schwanken, die Töpfe klappern und schlagen von innen gegen die Kästen. Ich glaub, die muss ich morgen nur mehr auskehren, weil da alles hin ist. Zum Glück springt keiner auf. Alles bockt und schüttelt. Ich verkeile mich am Kartentisch, stelle meinen Handywecker auf 15 Minuten. Eindösen kann ich eh nicht bei dem Lärm und den Bewegungen, aber ich hab wenigstens einen Moment, um mich zu entspannen. Nach 15 min muss ich wieder nach oben schauen. Ist halt alles sehr mühsam, da oben. Frei stehen geht gar nicht, nur angeleint kann man sich bewegen. Stehen hinter dem Steuerrad geht, es ist halt so, wie im Takada im Prater, nur eben nicht 5 Minuten sondern 12 Stunden. Oder ich verklemme mich auf der Bank hinter dem Steuerrad, die Hände links und rechts in den Heckkorb gekrallt, die Ellenbogen durchgestreckt. Dann wackle ich mit dem Schiff mit. Irgendwie gut auszuhalten, aber auch anstrengend. Wieder lieber hinunter.

Da fällt mir eine Seglergeschichte ein: Bei wildem Wetter wurde einem Schiff Wasser in den Auspuff gedrückt, bis hin in den Motor selbst. Wenn man den dann starten will, geht das nicht, weil der Zylinder ja mit Wasser gefüllt ist. Den Motor kann man dann im nächsten Hafen als Totalschaden versenken. Ich  brauch meinen aber noch.

Was tun? Auch dazu hab ich eine Seglergeschichte: Da hat jemand bei so einem Wetter den Motor vor dem Starten immer händisch durchgedreht, um zu sehen ob das eh geht. Wenn nicht, einfach nicht starten. Dann müsste ich in den Hafen segeln, nicht üblich, aber es geht. Händisch durchdrehen, das könnte ich bei meiner Maschine auch. Da ist vorne eine große Mutter, da kann man einen Steckschüssel anstecken und direkt die Kurbelwelle des Motors drehen.

Jetzt hab ich aber Glück gehabt und von meinem Weihnachts Engerl / Bengerl einen Stecknusssatz mit großen Durchmessern geschenkt bekommen. Zu Hause hab ich noch gehadert, wie ich die aufs Schiff bekommen. 6,5 kg ist das Set schwer, das wäre sich mit dem Gepäck beim besten Willen nicht ausgegangen. Also hab ich eine Auswahl getroffen: Was sind die gängigsten Schlüsselweiten? Meine Schulbücher haben mir da Auskunft gegeben. Und dann hab ich 3 Nüsse und den Ratschengriff mitgenommen, das ging sich aus.

Also, trotz aller Wackelei tief in die Salonbank getaucht. In Werkzeugen, Ersatzteilen und Geräten herum gewühlt und – voi la – da, der Griff und hier die Nüsse. Aber ist die passende auch dabei? Volvo Ingenieure waren sehr kreativ bei der Auswahl der Schrauben hab ich schon gelernt. Hoffentllich!

Sie ist dabei, die 24er Nuss. Jetz noch den Motorraum auf – alles ganz manierlich, trotz der Schaukelei. Die Nuss angesetzt und vorsichtig gedreht. Nach ¼ Drehung Widerstand! Aber kein harter, so wie das nicht komprimierbares Wasser tun würde, eher weich. Ich probier nochmal – geht. Es war nur einer der Zylinder gerade im Kompressionstakt. Dann der zweite und der dritte. Erleichterung. Trotz meiner seitlichen Fahrt, wenn Philia von den Wellen rutscht, ist kein Wasser in den Auspuff gekommen. Hoffnung.

Ganz leicht kann ich das rote Hafenlicht schon sehen, das grüne noch nicht. Und das weiße Licht auch nicht. Gefahr! Ich bin noch im Sektor mit den Untiefen – nur nicht zu früh abbiegen, auch wenn das rote Licht lockt. Das Schiff der programierten Route folgen lassen. Ich bin jetzt natürlich immer oben, zu groß die Aufregung. Was würde ich tun, wenn sich die Einfahrt nicht aus geht? Gallipoli? Istanbul? Es wird sich ausgehen! Philia folgt so exakt der Route. Es wird.

Letzte „Kurve“, nur 20° Grad in den Wind. Der frischt natürlich sofort auf, wieder stehen 35 kt auf der Anzeige. Und die Wellen zeigen nochmal was sie so können. In Landnähe werden sie höher als draußen am Meer und der Winkel zu den Wellen ist auf noch mehr Taumelei getrimmt. Wenn ich mir vorstelle, ich müsste das händisch Steuern. Jedesmal, denn der Bug 40° nach links oder rechts ausbricht kommt mir so ein Gedanke – und er kommt oft. Es würde schon gehen, denn die Lichter sind ja jetzt da, auf die kann man zielen, aber es wäre unglaublich anstrengend. Als würde man ein Rodeo reiten.

So aber taumelt sie dahin, verlässt aber ihren Kurs nicht. Autonomes Fahren – Philia kann, was Tesla seit Jahren verspricht 😉. Die Einfahrt kommt näher und damit ein Ende der Wellen. Ich kann schon genau die Molenköpfe unter den Lichtern erkennen. Gut, dass diese Einfahrt für die Fähren gebaut ist. Da treffe ich auf alle Fälle hinein. Die Taumelei nimmt vor der Einfahrt etwas ab – sehr brav.

4 Uhr 30 – geschafft! Sobald ich im Hafenbecken bin, wird es ruhig. Den Motor, der die letzten 2 Meilen mitgelaufen ist, kann ich drosseln (lieber 2 Antriebe, safety first). In den Vorbereitungen zum Ankern nur nicht die innere Mole anvisieren, die hat aber auch ein Licht. So, wohin jetzt genau? Der Wind pfeift auch im Hafen mit 20 kt. Ein nettes Plätzchen suchen und den Anker fallen lassen. Die Ankerwinde dreht sich so schnell wie nie, da sich Philia sofort quer stellt und der Wind sie herum schiebt – ein letztes Mal. Bei 50 m Kette lasse ich es genug sein, der Anker liegt ja nur 5m tief, die Kette ruckt ein, der Anker sitzt sicher.

Fertig! Vollzugsmeldung nach Wien – große Erleichterung dort. Susi hat auf Marinetraffic.com meine AIS Signale verfolgt, die ganze Nacht. Selbst die 9 kt hat sie mitbekommen. Sie fällt jetzt ins Bett. Ich noch nicht. Ich bin viel zu vollgepumpt als dass ich mich jetzt hinlegen könnte.

Der Ankerwache zusehen, Chaos beseitigen. Wie ist denn das da hin gekommen? Warum liegt die Küchenwaage in der Abwasch und die Wasserflasche unter dem Tisch auf dem kleinen Kühlschrank? Etwas trinken, etwas essen, Bordbuch fertig schreiben. 144 Meilen (255 km) in 23 Stunden! Das macht unglaubliche 6,2 kt im Durchschnitt.

Irgendwann, über Mirina wird der Himmel schon ganz zart heller, kann ich mich entspannen, lege mich hin, schlafe ein.

Am Tag danach: Mit Hilfe von MATILDA gut am Steg angekommen
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Solo

Ich ziehe los nach Agii Theodori, um das Schiff fertig zu machen. Susi wird dann nach Limnos nachkommen. Daher darf / kann / muss ich PHILIA „einhand“ segeln. Nur das Schiff, ich und der Autopilot.

PHILIA ist klein genug, um das zu zu lassen. Immer wenn ich meine Hände brauche, um zum Beispiel die Segelstellung zu verändern, springt der Autopilot ein. Die Entscheidung da auf ein robustes Gerät zu setzen, hat sich spätestens jetzt bewährt.

Sonst muss man halt sehr vorausschauend unterwegs sein. Anlegen oder Ablegen muss gründlich vorbereitet sein, so dass alles bereit liegt, wenn man es braucht. Dann aber ist das gut zu schaffen.

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Auf nach Euböa / Evvrios

Wie vorher gesagt: Blitz blauer Himmel und vor der Bucht kaum Wellen. Schön langsam alles seefest machen ich will ja segeln. Und dann geht’s los, Anker aus dem Grund ziehen und noch in der Bucht die Segel setzen, zumindest das Großsegel.

Und dann – nichts. Keine Welle, was gut ist aber auch kein Wind, was nicht so gut ist. Egal, soll ja eh erst weiter nördlich einsetzen. Also bleibt der Motor an. Er bleibt lange an. Erst als sich vor mir die Bucht von Karystos öffnet, geht der Wind los.

Dass da mehr Wind ist, wundert mich nicht, denn so war das vorher gesagt. Aber warum es gleich 20 kt sein müssen, und die genau vom Ankerplatz auf meine Nase? Ok, ich bin Segler und nehme die Herausforderung an. Genua rauf, zumindest bis zum ersten Reff, und auch das Großsegel etwas kleiner machen. In langen Schlägen geht es in die Bucht. Nur um nach der Wende zu erkennen, dass es jetzt wieder bis fast nach draußen geht.

Nach ein paar Schlägen bin ich so nahe, dass ich die Anfahrt zum Ankerplatz unter Motor beginnen kann. So ganz friedlich ist das aber nicht, bei den vorherrschenden 20 kt. Nur wo genau soll ich hin? In den Hafen von Karystos, wäre möglich nur das Anlegen für einen Solisten und dann nur für eine Nacht – ist mir zu aufwändig.
Westlich des Hafens steht ein großes Segelschiff vor dem Strand. Soll auch ein guter Ankerplatz sein, ist aber noch ein Stück weit weg.
Östlich vom Hafen, da schützt eine alte Burg auf einem Hügel vor den ärgsten Böen. Den nehm ich. Das Wasser ist seicht, der Boden sandig und flach. Auf 4 m Wassertiefe lasse ich den Anker fallen und hab erstmals Pause.

Das Wasser ist sehr klar. Ich kann die Sandrippchen am Boden sehen.

Irgendwie kommt ein bisschen Urlaubsfeeling auf.

Aber dieser Ort ist auch noch zu weit weg, um Skyros gut zu erreichen. Am nächsten Tag wird umgeparkt. In 10 Meilen gibt es eine Bucht, die schon am Beginn der Straße von Kafireas liegt. Die lacht mich an. Wassertiefe 3 Meter, rundherum ein paar Ferienhäuser aber kein Mensch da. Zwei Gärten sind untypisch gut gepflegt. Da hat wohl wer einen Gärtner engagiert und sich an den Gärten Englands orientiert. Wo die das Wasser im Sommer her nehmen?

Sonst ist da einfach – Pause

So ein bisschen nach Karibik schaut die Farbe des Wassers aus. Einfach nur schön.

Von da aus, will ich morgen um ½ 6, also noch bei Dunkelheit hinaus fahren. Den Kurs peile ich jetzt schon, denn bei Nacht sind alle Felsen schwarz und unsichtbar. 120° sollte sicher sein und erst nach 0,6 Meilen nach Nordem abbiegen.

So werde ich das machen, so ist es sicher