Kategorien
Reise

Leros

In den nächsten Tagen ist wieder Wind angesagt. Das heißt, wir wollen uns einerseits verstecken, andererseits aber auch näher an Kos heranrücken – die Kinder kommen. Was sich anbietet ist die große Bucht von Laki auf Leros. Dort gibt es immerhin 2 Marinas und einen Fährhafen, wahrscheinlich nicht ohne Grund.

Im Norden von Leros, in der Nähe vom Flughafen, gäbe es auch noch eine sehr windsichere Bucht, aber die soll nicht wirklich sauber sein. Gut umschlossene Buchten haben eben keinen guten Wasseraustausch. Alles kann man nicht haben. Aber als Plan B, falls der Wind früher einsetzt, ist das eine gute Option.

Aber der Wind meint es gut mit uns: 12 kt Rückenwind, das ist ganz einfaches Segeln. Nur die Genua ausrollen, und sich vom Wind durch das Wasser ziehen lassen. Philia liegt dabei ganz ruhig und flach im Wasser, das Segel zieht am Bug und stabilisiert damit sogar noch das Boot. Die Wellen laufen uns zwar nach, aber auch wir laufen ihnen davon. So überholt uns nur hin und wieder eine Welle von hinten und bringt uns ein wenig ins Schaukelt – sonst wäre die Fahrt ja all zu langweilig.

Um ½ 9 ziehen wir unseren Anker aus dem Sand und sind schon um ½ 12 in der breiten und langen Einfahrt zur Bucht von Laki. Wir wissen, dass sich rund um die Marinas der ganze Schiffsverkehr abspielt, aber sich da mitten hinein zu setzten ist nicht so unsere Sache. Lieber suchen wir eine der Buchten, die sich am Weg zum Hafen aneinander reihen.

Schon die erste gefällt Susi. Schlagendes Kriterium: eine Höhle, da kann man sicher was entdecken. Außerdem sind nur 2 Schiffe da. Ein Italiener, der finster schaut, als wir vor ihm ankern, und ein Engländer, Marycya heißt sein Schiff, dem wir völlig egal sind. Also Anker hinein und zufrieden sein.

Hin und wieder kommt ein Segler vorbei, ganz selten ein Schiff der Frontex, lustiger Weise eines der Deutschen Marine und nur ein Mal am Tag die große Fähre. Nur die ganz großen Schiffe, machen unangenehme Wellen, der Rest ist nicht zu spüren.

Auf der anderen Seite der Bucht die Überreste eines italienischen Marinestützpunktes und darüber ein – was ist das eigentlich? Der erste Eindruck deutet auf eine moderne Firma hin. Lauter gleich graue Gebäude, regelmäßig angeordnet, recht neu. Mit dem Fernglas erkennen wir einen hohen Zaun, der vielleicht von Stacheldraht gekrönt ist. In der Nacht wird der Zaun, der doppelte Zaun sogar noch von Laternen hell erleuchtet.

Weit weg von der lokalen Bevölkerung und doppelt umzäunt, das UNHCR Flüchtlingslager in Leros

Dann würde das eher ein Gefängnis sein? Aber ein Container-Gefängnis? Passt auch nicht. Susi bemüht das Internet und findet: Flüchtlingslager. Sehr streng geführt, Leibesvisitation beim Verlassen und Betreten, weit außerhalb vom Ort. Die Kinder, die in die örtliche Schule gehen, werden also 2x täglich kontrolliert, ob sie eh nichts hinaus oder hinein schmuggeln. Je nach Fall und Aktenlage, bleiben die Leute für 2 Wochen oder 1 ½ Jahre hier. Für viele geht es dann zurück ins Herkunftsland. Das ganze Geld für die Schlepper, die Gefahren der Reise, alle Entbehrungen und Hoffnungen auf ein Leben ohne Angst – alles umsonst!

Eine schöne Gegend, aber kein schöner Ort.

Erst am dritten Tag beschließen wir unsere Eremitage zu verlassen und mit dem Dinghi in den Ort zu fahren. Eigentlich geht es nur um Milch und Brot. Ich nehme meinen wasserdichten Seesack mit. Der hat ca. 20 Liter Volumen und das begrenzt die spontanen Einkäufe. Es gibt immer was zu entdecken, auf das wir Lust haben oder das in unseren Vorräten vielleicht fehlt. Wobei, Philia ist so vollgestopft, wir könnten sicherlich ein Monat von den Vorräten gut leben. Eine Atlantiküberquerung dauert auch nicht länger 😉.

Kurz vor dem Ort ist ein kleiner Strand, nix besonderes, aber offensichtlich bei den Griechen als Abendausflug beliebt. Dort lassen wir unser Dinghi und wandern in die „Stadt“. Die beiden Marinas, an einer müssen wir entlang gehen, sind dicht gefüllt. Im Hafen  davor ankern sicher auch noch einmal 25 Schiffe. Andererseits gibt die Stadt so überhaupt nichts her. Sie ist von den Italienern „künstlich“ angelegt, also neu geschaffen, so rund um 1930 war das. Moderne Häuser, die überall stehen könnten, keinerlei Ortszentrum, entlang der breiten Hafenstraße ein paar Kaffees, Restaurants und – ein Theater oder Kino. Im Stil passt es zum Film Cinema Paradiso, und ist natürlich verschlossen. Da war bestimmt schon länger nichts mehr los.

Wir finden einen Supermarkt wo wir Milch und Brot kaufen wollen – und mit einem gefüllten Seesack wieder abziehen. Ich glaube wir haben es noch nie geschafft, von unserem Kühlschrank den Boden zu sehen. Im Gegenteil, wir sind schon froh, dass der Deckel wieder zu geht. Dabei ist das Ding nicht klein, der hat ein Volumen von 150 Litern!! Aber es kommen doch bald – also in 2 Wochen – die Kinder  ….

Gleich hinter dem Supermarkt ist ein Marine Tandler, Chandler heißt das offiziell. Der Pendelt zwischen Farben und Lacken, Zubehör für Sanitärinstallationen, Tauen und Klebstoffen für die Reparatur von Schlauchbooten. Genau deshalb sind wir hier. Unser Dinghi hat den Schaden von Zakynthos im Vorjahr nicht ganz überwunden und muss nochmals in die Reparatur. Der Kleber kostet 12 € der Härter dazu 4, und 2 große Flecken PVC für die Reparatur 7 €. Warum steht dann auf der Rechnung 134 €? Ach ja, diese Nebeneinkäufe: Taue kann man immer brauchen, ein paar Schäkel, dies und das.

Am Weg zurück sehen wir am Steg ein älteres Paar, dass sich aus seinem Beiboot müht. Er hebt einen Rollstuhl an Land und breitet einen roten Teppich aus. Sie windet sich aus dem Boot und hockt nun am Teppich. „Do you need any assistance?“
Und das war dann der Beginn eines wunderbaren Abends mit Rory und Judy aus Australien. Beide hoch in den 70ern. Judy hatte eine schwierige Rückenmarksoperation, bei der ihr ein Nerv durchtrennt wurde – so als Kollateralschaden. Jetzt kann sie halt nicht mehr gehen. Aber am Segelboot geht das gut, da kann sie sich immer wo anhalten und abstützen. Rory fährt seine 44er Janneau halt „single handed“, da im Judy keine Hilfe mehr ist. Aber all das hält sie nicht davon ab, ihre Sommer in Europa auf dem Segelboot zu verbringen. Rory war in der Entwicklung des GPS Systems mit dabei, das gab es also nicht schon zu Kolumbus Zeiten. Judy war Mathelehrerin und hat erkannt, dass man mit Häusern in Perth gutes Geld machen kann. So viel, dass sich Rory mit 48 aus dem geregelten Berufsleben zurückziehen konnte. Dann hat er sich halt um seine Häuser gekümmert – und die Mieteinnahmen gezählt.

Das alles erzählen sie uns in einem kleinen, ja eigentlich fast ein Fast Food Restaurant, direkt an der Hafenmauer. Mixed Gyros für 2 Personen um sagenhafte 10 €. Und wir plaudern, und es wird finster. Erst kurz vor 10 trennen wir uns. Die Beiden habe nur ein kurzes Stück zum Schiff und sind sicher früher da, als wir bei unserem Dinghi. Das liegt noch immer brav am Strand. Es gibt hier sowas wie Respekt vor Schiffen und Booten aller Art. Ich hab noch nicht gehört, dass da in Griechenland was passiert wäre.

Jetzt haben wir aber ein Problem zu lösen: Philia liegt fast eine Meile entfernt, dazwischen etliche verankerte Segelschiffe und eine offene Bucht, aus der der Wind blasen kann. Außerdem versteckt sich Philia in der Dunkelheit. Am Nachmittag haben wir nicht daran gedacht, die Beleuchtung von Philia einzuschalten. Wir wollten ja viel früher zurück sein. Wenigstens haben wir den Reservekanister mit Benzin mit dabei.

Schon spannend so, selbts unbeleuchtet (!), durch die dunkle Nacht zu fahren. Wo waren die Felsen vor dem Kap, wo ist die Bucht in der Philia liegt, welche Schiffe waren da davor und können uns zur Orientierung dienen. Das einzige Erkennungszeichen von Philia ist, dass unter dem Bimini eine Lichterkette hängt, die sich am Abend selbst einschaltet. Aber wenn Philia uns gerade den Bug zeigt, nützt das auch nichts.

Da ist ein Schiff mit Licht unter dem Bimini, das nehmen wir! Nein doch nicht, das wäre zumindest Hausfriedensbruch gewesen – doch nicht Philia. Aber dort, weiter hinten schimmert schwach eine weitere Bimini Beleuchtung. Ja, die Schemen passen zu Philia. Wir haben sie gefunden. Jetzt noch die Einkäufe trocken ins Schiff bekommen und den Abend ausklingen lassen.

Ein bisschen Sterne schauen oder so und den Tag revuepassieren zu lassen. Erstaunlich wie sich so ein Tag entwickelt und mit welchen Menschen man plötzlich interessante Gespräche führt und dabei in deren Welten eintaucht.

Auch das macht Langzeitsegeln besonders.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert