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Reise

Im Reich der Diebe

Kleftiko, die SW Ecke von Milos. Früher ein gefürchteter Ort, heute in touristischer Hot Spot. Täglich fahren da von Adamas Ausflugsboote hin. Segelyachten, die an Deck mit bis zu 20 Personen beladen sind. Jeder einzelne löhnt 130 € für die Tagestour rund um die Westküste von Milos, bis sie am Südwest-Eck Kleftiko erreichen. Uns erinnert das irgendwie an Flüchtlingsboote. Definitiv nichts für uns.

Wir haben einen anderen Plan: Mit einer Gruppe von Rod Feldmann entlang der Südküste paddeln, bis wir Klefitko erreichen. So an die 8 km sollen das sein, je Richtung. Susi und ich im Doppelsitzerkajak, das sollte sich von der Kraft her ausgehen. Außerdem weiß ich schon, dass es bei den Touren immer ausreichend Pausen gibt. Wird schon passen.

Um ¼ 10 holt uns Rod bei der Shell Tankstelle ab. Er kann halt nicht „nein“ sagen, und so wird Susi zu 3 weiteren Damen auf die Rückbank gequetscht. Die vier verstehen sich aber von Anhieb an prächtig und schnattern wie alte Freundinnen beim Klassentreffen. Am Einsetzpunkt werden von 2 Anhängern 17 Boote abgeladen, davon 5 2er, Schwimmwesten, Spritzdecken und Paddel verteilt. Susi und ich richten es uns in unserem Boot bequem ein und bald sind wir am Wasser.

Das Spannende an der Tour ist für mich nicht das Ziel Kleftiko, also nicht nur, sondern die ganze Südküste. Die strotzt nur so von Besonderheiten. Da gibt es alle Arten vulkansicher Gesteine. Fast weiße sehr feine Vulkanasche, dann darüber eine Schicht, bei der sich die Asche und Lavabrocken vermischt haben – das passierte immer dort, wo die Asche, Brocken und Meerwasser zusammengekommen sind. Das sieht dann aus wie Pfefferkörner in Mehl.

Noch weiter oben liegen Schichten von ehemals flüssiger Lava. Und an all diesen Schichten leckt seit Millionen Jahren das Meer, entfernt was weich ist, lässt stehen was hart ist. Das gibt dann eine sehr gegliederte Küste, mit Riffen, vorgelagerten Felsen, Einschnitten, Höhlen und Bögen.

Wir mit unseren Kajaks haben da keinerlei Berührungsangst und fahren oft nur ½ Meter an den Felsen vorbei oder passieren enge Passagen, stoppen ab, drehen das Boot um 90° am Stand, um durch die nächste Durchfahrt wieder hinauszuschlüpfen.

Ein besonderes High Light sind aber die Höhlen und Bögen. Da gibt es Höhlen, die gut 30 m tief in den Berg gehen, sich innen weiten, so dass man bequem drinnen umdrehen kann. Oder, dass ein Motorboot hinein fährt und drinnen Pause macht.

Manchmal ist die Decke hoch und der Raum weit, an anderen Stellen kann das Kajak nur hindurch gleiten, da die Passage für normales Paddeln zu schmal ist. Genau so vielfältig ist auch das Gestein in den Höhlen. In der einen hängen die Felsen spitz herab, in der anderen ist alles rund und weich. In einer Höhle sind die Wände aus weicher Vulkanasche, und die Decke aus Lava. Erinnert irgendwie an einen Dom mit der hellen Kuppel, nur eben umgekehrt.

Nach einer Stunde gibt es eine Pause an einem Sandstrand. Rod erzählt, dass im Winter 2015 die Stürme den gesamten Sand weggewaschen haben. Übrig geblieben sind kopfgroße runde Steine. 5 Jahre hat es gedauert, bis das Meer den Sand zurückgebracht hat. Unweit des Strandes gibt es einen Bogen, der zwar links und rechts aus weißer Vulkanasche besteht, der Bogen selbst ist aber einer dicken Schicht Lavabrocken belegt.

Kurz nach Mittag erreichen wir Kleftiko – und wir sind nicht die einzigen. Superyachten, Ausflugsschiffe, Segelyachten, … alles ist da. Erstaunlich, dass es sehr gesittet zu geht. Niemand macht „Party“ alle wollen Natur erleben.

Als wir nur wenige Meter neben einer Superyacht vorbei paddeln, werden wir freundlich begrüßt und fotografiert. Rod zeigt uns die tollsten Höhlen und Durchfahrten. Manche müssen wir auslassen, da da gerade zu viele Schwimmer unterwegs sind. Na gut, dann eben später. Wir umrunden noch einen Felsblock, also zuerst durch die schmale Einfahrt in die Höhle, dort scharf rechts, bei der breiten Ausfahrt wieder hinaus und dann rechtsherum bis wieder kurz vor der Einfahrt.

 Dort liegt eine Felsplatte wie eine Rampe im Wasser, und wir nutzen das um dort anzulanden. Viel Platz ist nicht, also werden die Boote gestapelt. Die 2er an der Rampe, die 1er etwas höher. Irgendwoher zaubert Rod einen seiner berühmten Tische.

Auf jeder seiner 12 Touren hat er einen Tisch versteckt, auf dem er dann das Lunch-Picknick serviert. Einfach aber gut: Humus, Schinken, Käse, Aufstrich von geräucherten Auberginen, Gurken, Tomaten, Brot – und als Nachtisch eine 6 kg Wassermelone. Natürlich alles in den Kajaks eingeschwommen. Klar, dass wir die Abfälle wieder mitnehmen.

Die Pause wird auch genützt, um zu schwimmen und mit Brille und Schnorchel die Unterwasserwelt zu erkunden. Es ist schon erstaunlich, wie flach die Einfahrt zur soeben befahrenen Höhle ist. Ganz flach machen, auf einen passende Welle warten und durchschlüpfen. Aber schnorcheln im Dunkeln? Ah, so dunkel ist es auch nicht, sobald sich die Augen anpassen. Da kleben schwefelgelbe Schwämme an den Felsen, und als Kontrast dazu ein violetter Belag – toll! Wieder im Hellen eine Vielzahl von Fischen, die die vielen Menschen offensichtlich gewöhnt sind. Keiner nimmt Reißaus, wenn man nahe kommt. Sehr schön.

Ach ja, warum Diebe und Kleftiko. Kleftiko bedeutet im griechischen „Dieb“. Und die Diebe haben die vielen Buchten, Winkel und Höhlen genutzt, um sich hier zu verstecken. Ist dann ein Schiff an dieser Ecke von Milos vorbeigekommen, wurde es angegriffen und ausgeraubt. War ein unfreundliches Eck, dieses Kleftiko.
Heute sind die Diebe die Kapitäne der Touristenboote, und die Touristen betteln förmlich darum, ihr Geld da lassen zu dürfen. 20 x 130 € = 2.600 € für einen Tag Schifferlfahren. Vielleicht werde ich im nächsten Leben doch Touristenschleuderer in Milos!

Zurück geht es dann in recht direkter Fahrt, aber nicht zu schnell, um nicht mit anderen Teilnehmern tratschen zu können. Zum Schluss wieder ein paar Felspassagen, wer mag. Wir probieren eine und werden an der engsten Stelle von den Wellen eines Schiffes erfasst. Statt 20 cm plötzlich 100. Das schwappt neben den Felsen dann schon ganz schön heftig. OK – wir fahren lieber doch außen herum.

Am Ziel sind wir dann doch recht froh wieder aus dem Boot zu kommen. 18 km + Wellen, das ist dann doch anstrengend. Etwas mehr Gymnastik und Dehnung in den Wochen vor der Tour wäre nicht schlecht gewesen. So sind wir froh im Auto zu sitzen und Richtung Philia zu kommen.

Kaum sind wir am Schiff, machen wir es fertig zum Ablegen. Für morgen Mittag ist kräftiger Südwest-Wind vorhergesagt, Kräftig, das ist so an die 30 – 35 kt (60 km/h). So ein Wind und der Ankerplatz vor Adamas, das ist keine gute Kombination. Wir werfen den Motor an und verlegen und an einen Strand im Süden der Bucht. Barbara und Stefan mit der LAUSA sind schon da, fünf andere Schiffe auch. Wir suchen uns einen guten Platz und legen 30 m Kette auf den Sandgrund in nur 4 m Tiefe. Das sollte allemal reichen – sagt die Theorie! Aber was sagt die Praxis? Nun ja, LAUSA hat auch 30 m Kette draußen und die haben schon viel stärkere Winde erlebt. Wird schon passen.

Am späteren Abend kommen dann noch ein paar Schiffe dazu, etwa 10 sind wir bei Sonnenuntergang. Der Blick zurück zeigt, dass das Ankerfeld in Adamas fast leer ist und auch im Hafen sind kaum Schiffe zu sehen.

Da hat wohl wer den Wetterbericht ernst genommen.

Wir gönnen uns noch eine gegenseitige Rückenmassage und fallen in einen tiefen Schlaf.

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