Kategorien
Reise

Am Ende der Welt

Die Ausfahrt von Kalamata ist uns ja schon bekannt, aber diesmal geht es nicht in Richtung Koroni, sondern wir halten uns östlich der Küste entlang. Tagesziel ist die Bucht von Limeni. Ja, wir wissen, die ist nicht ideal, doch sie ist groß und der Grund hält gut. Leider steht die Dünung der letzen Tage genau in Richtung der Bucht und der wenige Wind kommt von der anderen Seite. Alles andere als ideal.

Seit dem Unglück mit den vielen toten Flüchtlingen, zeigt die Küstenwache viel mehr Präsenz.

Zusätzlich zeigt sich dann die konfuse Welle vor der Einfahrt zur Bucht. Da steigt der Meeresgrund rasch an und Wellen bauen sich auf, die aber von den Flanken der Bucht reflektiert werden. Da schüttelt es uns ordentlich durch, auch wenn jede einzelne Welle nicht wirklich hoch ist.

Besonders nett, wenn das GPS bei der Einfahrt in eine Bucht herumzickt. Wir waren immer im Wasser – ich weiß das ganz genau!

Ist man da durch, gibt es den nächsten Willkommensgruß: Regenschleier hängen genau über der Ankerzone. Also auch noch das Schiff regenfest gemacht, selber das Ölzeug hervor gekramt und – so wie den ganzen Tag schon – gegen den Wind an motort. Wenigstens der Anker hält sofort. Der hat uns eigentlich bisher noch nicht enttäuscht. Bei Steinplatten hat er halt nichts zu melden, aber das schafft kein Anker.

Sobald wir den Motor abgestellt haben, beginnt das große Rollen. Der nachlassende Wind hält das Schiff nicht mehr im rechten Winkel zu den Wellen und so beginnt es zum Teil heftig hin und her zu schwanken. Was unter Tags ja vielleicht noch lustig ist, wird in der Nacht zur Tortur. Schön ist das alles nicht, aber wir müssen da durch. Limoni ist der einzige Ankerplatz zwischen Kalamata und dem Kap Tainaro.

Die Häuser auf Mani, das ist die mittlere Halbinsel des Peloponnes, sehen ganz anders aus als sonst in Griechenland: hohe Steintürme prägen die Ortschaften

Dieses Kap ist das Ende einer sehr langen, hohen und schmalen Landzunge und ragt weit ins Meer hinaus. Wind und Strömung werden da massiv behindert und zeigen sich in unangenehmen Wellen die oft doppelt so hoch sind, wie nur ein paar Meilen davor oder danach. Morgen sollen die Bedingungen gut sein, und nur deshalb haben wir heute den ganzen Tag Diesel verbrannt und nehmen diese Nacht in Kauf.

Wie zu erwarten ist die Nacht kurz. Schon um 8 treten wir die Flucht an. Auch so früh gelingt das Segeln nur bedingt und es bleibt bei einem kurzen Versuch. Naja, kein Wind heißt auch keine Wellen. Und keine Wellen doppelt so hoch, sind immer noch keine Wellen. Also für da Kap Tainaro ist das eine gute Prognose.

Kap Grosso

Zuerst geht es aber nach Süden zum Kap Grosso – und das hat seinen Namen verdient. Ein Felsblock, der 200 m in das Meer hinabstürzt, mit senkrechten Wänden und im Wasser noch einmal 150 m in die Tiefe. Was da für Kräfte gewirkt habe müssen, um so was zu formen? Nach dem Kap Grosso geht es in Richtung Süd Ost weiter zum gefürchteten Kap Tainaro. Es ist uns aber gnädig und erst kurz davor kommt etwas Wind auf. Dank des frühen Starts sind wir schon zu Mittag dort und da haben die Nachmittagswinde noch nicht richtig eingesetzt.

Gleich danach, auf Kurs Nord, geht es aber richtig los mit dem Wind. Segel rauf und wenigstens noch 5 Meilen gesegelt. Immer nahe die Küste entlang und auf der Suche nach der Einfahrt nach Porto Kagio. Das ist eine fast 300° umschlossene Bucht mit einer schmalen Einfahrt, die man erst aus der Nähe richtig erkennt.

Nördliche Bucht in Porto Kagio

Die ersten Hinweise sind ein kleines Kirchlein auf einem Hügel und später der dünne Pfahl eines Leuchtfeuers. Später dann blinzelt der Mast eines Segelschiffs über den Hügel herüber. An der Einfahrt selbst ist das Wasser noch über 80 m tief. In der Runden Bucht wird es aber bald flacher, so dass wir auf 10 m in Sand ankern können. Und das ist gut so: Einerseits ist dann noch Platz zum Ufer, falls der Wind dreht, andererseits können wir genügend Ankerkette legen, um auch stärkeren Wind auszuhalten. Und der Wind kommt bald. Mit 15 bis fast 20 kt (35 km/h) kommt er vom Berg herunter und wirbelt in der Bucht herum. Sieht seltsam aus, wenn die Schiffe alle irgendwie anders stehen.

Als wir gekommen sind waren wir 4, am Abend stehen dann 15 da – und immer noch Platz für mehr. Sehr angenehm. Susi und ich fahren dann an Land. Das Dinghi wird an einem Steg festgemacht und wir sind mitten im Dorf. Also Mitten drin ist bei 10 Häusern ja recht einfach. Der Ort Porto Kagio besteht aus einer langen steilen gewundenen Straße. So steil, dass der Müllwagen nicht ganz herunter kommt. Die „Infrastruktur“ besteht aus 25 Strandschirmen, wobei fast die Hälfte zu den beiden Tavernen gehören. Da gibt es dann zu den Calamari fritti nasse Füße. Dann gibt es noch ein Hotel mit Restaurant, aber nur für die eigenen Gäste (!). Ach ja, eine Bar mit Aussicht gibt es auch noch. Die Hauptattraktion ist das Kirchlein in der Einfahrt. Zur Unterhaltung der Touristen gibt es da eine Glocke im Freien, die man – wenn man sich traut – auch mehr oder minder zart anschlagen kann.

Das war’s dann.

Kein Souvenir Geschäft, keine Standl mit Klumpat, kein Fast Food, kein Touristenzug. Nicht einmal ein Mini Market ist da. Mini, das bedeutet hier unter 10 m² Geschäftsfläche. Kurz, da ist wirklich nix. Einmal am Tag kommt der Bäcker und der Gemüsemann mit dem Auto vorbei. Der Gemüsemann hupt, dem Bäcker ist das zu mühsam. Den kann man aber leicht stoppen, denn es gibt ja nur die eine Straße und wenn er schon im Ort ist, dann muss er diese Straße auch wieder zurück kommen.

Was macht man also da? Mit allen Sinnen genießen. Zum Beispiel am Weg zum Kirchlein, da geht man durch das niedere Gestrüpp und da blüht es zartlila. Und wenn man da hinschaut, erkennt man wilden Tymian. Und wenn man dann riecht – herrlich!
Man kann aber auch den Weg entlang hetzen, eine Kirche finden, die 1000 anderen Kirchen gleicht, sich an einem Stein die Zehen stoßen und im Dorf nicht das bekommen, was man sucht. Ist das laaaangweilig hier!

Der junge Tavernenwirt, der findet das schön. Der ist stolz darauf, am Ende der Welt zu leben, auch wenn der nächste Supermarkt 12 km Bergstraße weit weg ist. Auch wenn der Wind mit 40 kt durch die Bucht pfeift, dass alles wegfliegt. Er weiß, dass das noch lange so bleiben wird, denn keine Familie, die ein Haus im Paradies besitzt, will es verkaufen. Wer in dieses Paradies will, darf hier nur für ein paar Nächte zu Gast sein.

Nach einer Nacht brechen auch wir wieder auf. Nicht weil wir Porto Kagos langweilig finden, sondern weil wir dem Wetterfenster nach Milos nachjagen. Übermorgen soll eine angenehme Überfahrt möglich sein und dazu müssen wir erst zu einem günstigen Startpunkt kommen.

Der heutige Start ist vielversprechend: In Porto Kagos weht der Wind – und das aus der richtigen Richtung. Wobei, eigentlich hat er nur zwei wirkliche Möglichkeiten: aus dem Osten, oder aus dem Westen. Hinter Porto Kagos liegt nämlich eine Lücke im Gebirgskamm und das schränkt die Windrichtung einfach ein. Heute bläst er nach Osten, also genau richtig!

Optimistisch wie wir sind, werden sofort nach dem Hochholen des Ankers die Segel gesetzt. Vollzeug, what else! Bis zur Ausfahrt ist ja alles gut, aber die ist nach ein paar hundert Metern da. Dann fächert sich der Wind auf, dreht nach links, dreht nach rechts, wird schwächer, stirbt. Blöder Hund!
Nur zwei Schiffe mit Leichtwindsegeln haben den Motor noch nicht angeworfen. Die sind aber trotz der riesigen Segel sehr geduldig und plätschern mit 3 ½ kt dahin. Wir schaffen 2 ½ – deutlich unter unserem Limit für eine 25 Meilen Strecke. 10 Stunden wollen wir nicht brauchen. Mit Motor geht’s schneller, vielleicht kommt er ja noch, der Wind. Und er kommt, zuerst zart, dann brauchbar. Brauchbar heißt für uns schwach, aber von vorne. Der Wind + der Fahrtwind geben dann eine gute Kombination ab. Philia springt an und nimmt Fahrt auf. Die beiden anderen Schiffe müssen ihre großen Segel einholen – und sind dann sogar langsamer als wir. Regatta time – again!

Das wird aber eher ein Slalom, denn immer wieder liegen große Frachtschiffe im Weg. Die treiben da einfach im Lakonischen Golf und warten bis die Zeit vergeht. 16 haben wir am AIS gezählt – und wir quer durch.

Bei Elafonisos haben wir eine schwere Entscheidung zu treffen: Da gibt es 2 Sandbuchten, nur durch einen schmalen Landstreifen getrennt. Die kleinere Bucht im Osten ist etwas besser geschützt, aber schon mit 12 Schiffen gut gefüllt. Die andere Bucht im Westen ist gut 1 km lang, weniger geschützt und leer. Links oder rechts? Also dann rechts, aber dann ganz rechts. Zwei Segler stehen schon dort, wir stellen uns dazu. 3 m Wassertiefe, glasklar und türkisgrün – Bilderbuch, kaum zu glauben!

Mit dem Dinghi geht’s an Land. Ein paar Sonnenschirme und Liegen stehen da. Irgendwas von einem Campingplatz steht da, sehen tun wir ihn nicht. Was wir aber sehen du fühlen ist feiner Sand. Wir gehen also los, einmal ganz ans Ende. Sand, viel Sand, dahinter Dünen mit Hügeln und unterschiedlichsten Gewächsen. Und an manchen Stellen im Sand seltsam geschliffene Felsplatten. Ja, für Geologen ist diese Gegend ein wahres Paradies. Das wird sogar noch besser, wenn man zu den Vulkaninseln kommt.

Zurück am Schiff nur ein kurzes Abendessen und rasch ins Bett. Der morgige Tag wird lang, sehr lang. 80 Meilen stehen am Programm! Eine der längsten Strecken, die Susi und ich uns bisher vorgenommen haben.

Und so ganz simpel soll das auch nicht sein – sagt man.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert