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Es geht weiter – Ziel Korfu

Zu jeder Reise gehört ein Plan, und unser Plan wird vom Wind bestimmt. Die besten Hinweise bietet für uns die Seite www.windy.com und die spricht für den Vormittag von kräftigen, ablandigen Winden entlang der Küste Italiens. Das ist gut, denn dann haben wir Halbwind (von der Seite) oder von schräg vorne. Ablandig wiederum bedeutet, dass sich keine Welle aufbauen kann, wenn wir so ca. 1 Meile von der Küste entfernt fahren. Aber nicht zu weit weg, denn dann wird der Wind stark und die Welle höher. 1 Meile, das passt also ganz gut.

Für die Überquerung der Adria sollen die Winden dann eher von hinten kommen und abflauen, so weit, dass wir in der Mitte eine Flaute haben und dann nach Süden wenden müssen, um den Wind zu nutzen. Und dann wollen wir irgendwie die Küste von Korfu entlang schippern, bis wir in die Bucht von Kassiopi kommen.

Soweit der Plan.

Vorerst einmal ganz nett, oder?

Konkret heißt das, dass wir um 7 aufstehen und kurz vor 8 in Brindisi ablegen. Zum Abschied schaut nochmals der „Hafendelphin“ vorbei – auch nett. Draußen, nach kaum 4 Meilen stellen wir den Motor ab und der Ritt nach Süden beginnt. Immer die Küste entlang, schön nah dranbleiben. Dann ist der Wind zwar böiger, dafür gibt es aber kaum Wellen. Gibt dann eine Geschwindigkeit von über 6 kt über mehrere Stunden. Kurz vor Lecce wird der Wind dann sogar stärker, aber das war ja vorhergesagt. Sobald der Wind abnimmt, gehen wir Kurs auf Korfu – war der Plan – und genau das machen wir.

… und wer macht die Arbeit?!?

Nur dass der Wind nicht von hinten kommt, sondern weiter nach vorne dreht und wir recht nah am Wind dahin rauschen. Jetz aber nimmt die Welle zu. So einen guten Meter, manchmal auch 1 ½ von schräg hinten. Nicht ganz angenehm, aber gut machbar.

Dafür finden wir uns bald in der Schifffahrtsroute die von der oberen Adria durch die Straße von Otranto nach Süden, oder auch Norden, führt. Und da ist heute recht viel unterwegs: Luxusschifferl, Tanker, Containerfrachter, Fähren. Wir haben ja unser AIS (automated information system = Kollissionswarnung) und das Radar mitlaufen. So sehen wir was kommt.

Am frühen Nachmittag aktivieren wir wieder unseren Wachplan. Wir wechseln uns ein einem bestimmtem Rhythmus ab, haben teils großzügige Schlafpausen und besonders in der Nacht nur kurze Wachzeiten. Ich lege mich also hin und versuche mit auszuruhen. Gar nicht so einfach. Das Schiff rollt hin und her, das Wasser gurgelt um den Bug, gelegentlich schlägt eine Welle gegen den Rumpf, dass Philia einen Ruck zur Seite macht. Ich probier’s halt.

So richtig schlecht geht es uns nicht! Magdalena hat uns was gezaubert

Nach einiger Zeit, das Einschlafen dürfte doch geglückt sein, weckt mich Clemens:
„Du, Jörg, wir haben schon wieder einen auf Kollisionskurs – in 15 Minuten!“
15 Minuten, das ist echt nicht viel. Mal sehen. Ah ja, da rauscht die Dancia Sunrise keine 300 m an uns vorbei. Wir wissen aber nicht, ob das vor oder hinter uns sein wird. Außerdem sind wir als Segelschiff mit unserem schlingernden Kurs und wechselnden Geschwindigkeiten schlecht einschätzbar. Also wieder an den Funk:

Dancia Sunrise, this is Sailingvessel Philia. My AIS detects a collision course in 13 min. We are a sailing vessel under sail. Please give way”

“Sailingvessel, we will alter course and pass you at stern”

So einfach kann’s auch gehen. Dabei legen sich die mächtig ins Zeug, verändern ihren Kurs um 40°, damit sie wie versprochen hinter uns durch gehen. Aber sie halten sich an die Regeln und uns tut das gut. „Have a nice trip to Tunis“ – wenigstens so können wir uns bedanken.

Inzwischen hat der Wind weiter auf Süd gedreht und wir können unseren geplanten Kurs nicht mehr weiterlaufen. Statt immer näher zu Korfu zu zu kommen, driften wir immer weiter nach Norden und auf Albanien zu. Und Albanien ist so eine Sache: Einerseits recht eigenwillige Auslegung von Gesetzen und andererseits jede Menge Drogenschmuggel. Am besten viel Abstand halten. Nur genau das wird immer schwieriger.

Kurz vor der selbst gesteckten 15 Meilen Abstandszone übernehme ich das Ruder von Clemens und klemme Philia so hoch wie möglich an den Wind. Das bringt dann eine Kursänderung von 10 manchmal 15° nach Süden und eine Galgenfrist mit Albanien. Clemens geht nach unten und checkt die Navigationsgeräte. „Wir haben einen Regen direkt vor uns“ Na super! Und Leni setzt nach: „Da im Nordosten habe ich gerade einen Blitz gesehen“. Herz was brauchst Du mehr. Soll diese bisher sehr schöne Überfahrt in Sturmböen und Gewitter in Albanien enden?

Wir beginnen uns vorzubereiten: Was tun wir, wenn die erste Böe einfällt: Großschot loswerfen, Vorsegel stark reduzieren, Großsegel reffen. Davor noch da Bimini-Verdeck aufklappen, um Regenschutz zu haben. Die Sprayhood wäre schnell aufgestellt. Ölzeug und Schwimmweste + Lifeline (Leine zum einhaken am Schiff) sind bei uns ohnehin Pflicht.

Mitten durch oder knapp dran vorbei?

Und dann beginnt der Poker: Kommen wir am Regen vorbei? Welchen Kurs können wir fahren? Zieht das Wetter in unseren Kurs oder eher nach Albanien? Und was macht das Gewitter?
Ich gehe auf Handsteuerung, das ist sensibler als der Autopilot, und fahre jedem Winddreher nach. Aus den ursprünglichen 95° werden langsam 105, 110, 120, 135. Und das Regenfeld wandert aus unserem Kurs – sehr schön. Aber die Blitze werden heller und kommen scheinbar näher, ja eigentlich sogar aus dem Regenfeld. Ob sich das ausgeht? Es geht, doch die hellen Blitze über der albanischen Küste und weiter im Norden bleiben noch lange unsere Begleiter.

Da der abnehmende Mond erst gegen 3 aufgeht, und hier draußen, ca. 50 km von jeder Küste entfernt kein Kunstlicht herrscht, gibt es zum Ausgleich einen fantastischen Sternenhimmel. Wann haben wir zuletzt so viele Sterne gesehen – toll!

Geschwindigkeit ist nicht so wichtig. Sind wie zu schnell, kommen wir noch in der Dunkelheit am Ziel an, und das ist keine gute Idee. Ein bisschen trödeln ist also erlaubt. Die Segel leicht einreffen und Philia einfach fahren lassen. Die Wellen beruhigen sich, das Leuchtfeuer von Othonoi liegt voraus – alles gut. Ich klappe die Bimini weg, um die Sterne besser zu sehen, strecke mich auf der Cockpitbank aus, auch um die Sterne besser zu sehen, hole mir meine Kopfhörer und singe mit. Schön ist’s da draußen, kurz vor Mitternacht, ganz „alleine“ am Meer. Um Mitternacht kommt dann Leni dran. Die nächsten zwei Stunden gehören ihr. Ich leg mich für meine 4-Stundenpause hin.

Nach Othonoi ist wieder ein Kurswechsel angesagt, wieder Kurs 90°, parallel zur Küste. Wind und Wellen wollen das aber nicht. Kein Wind, unangenehme Welle von hinten – geht gar nicht. Wir schalten den Motor an.

Schon nach wenigen Minuten werde ich aus dem Bett geholt: „Jörg, da gibt es einen Alarm am Motor. Müssen wir abstellen?“ Naa, bitte neeed, des muas jetzt ned sein!
Das hatte der neue Motor schon einmal. Da kommt unmotiviert der Alarm, dass die Kühlung nicht funktioniert, aber: Kühlwasser rinnt ungehindert, Kühlflüssigkeit ist ausreichend vorhanden, die Motortemperatur liegt bei 80° – sagt das Infrarotthermometer. Eigentlich alles OK – aber trotzdem das schreiende Piepserl!

Gut, die Bedienungsanleitung sagt, mit geringer Motorleistung in die nächste Werkstatt fahren. Schnell wollen wir eh nicht sein und mit etwas über Leerlauf schiebt sich die Philia mit 3,5 kt voran. Soll sein! Wenn da nicht dieses nervige Piepserl wäre. Das piept kurz auf, verstummt wieder, piept wieder, verstummt wieder – blödes Ding! Plötzlich fällt mir auf: Das kommt immer dann, wenn eine Welle gerade durch rollt und sich das Schiff dabei nach links neigt. Je kräftiger die Neigung, um so eher kommt das Piepserl. Geht die Neigung nach rechts ist das Piepserl immer stumm.

Keine Idee wo das her kommen könnte. Wie man so einen Fehler suchen und finden könnte ist mir aber auch schleierhaft. Wie soll man das einem griechischen Mechaniker erklären oder gar vorführen? Naja, kommt dann morgen, oder nach dem Wochenende.

Ich übernehme meine nächste Wache, nutze die Gunst der Stunde, setzte die Segel und schalte den Motor ab. Mit 3 – 4 kt gleitet Philia durch die Nacht auf das Ziel zu. Kaum mehr Welle, immer noch Wetterleuchte im Norden und tausende Sterne, später dann noch ein ¼ Mond.
Magisch.

Genau so leise erlebe ich den Sonnenaufgang und schleiche dem Ziel entgegen. Erst 1 Meile vor der Bucht wecke ich Magdalena, Clemens noch später. Dauert ein bisschen, bis sie an Deck kommen. Erst der Hinweis auf 2 Delfine, die rund um Philia unterwegs sind, beschleunigen ihre Bewegungen 😉.

In aller Ruhe machen wir unser Ankermanöver in der Bucht Imerolia bei Kassiopi. Clemens nimmt noch schnell die italienische Gastlandflagge ab und setzt die griechische – damit alles korrekt ist.


Angekommen!

104 aufregende Meilen in 22 Stunden – die Pause ist verdient

Und jetzt beginnt der griechische Sommer

PS.: Die letzten 3 Tage hat es in Österreich unglaubliche Niederschläge bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt gegeben. Da dann doch lieber im T-Shirt am Hafen spazieren gehen. 😊

Die beste Verbindung ist halt nicht immer eine Gerade 😉
Man sieht, dass wir in der Nacht wesentlich langsamer unterwegs waren.

3 Antworten auf „Es geht weiter – Ziel Korfu“

Was Magda Euch da gezaubert hat schaut ja ganz nach neuer super EU-Richtlinie aus – Maden im Tomatenbad auf Basilikummous -ich kann es fast nicht glauben 😉

Das sind italienische Kringelraupen. Aus denen werden später die berühmten Farfalle Schmetterlinge.

Du musst noch viel über fortschrittliche Kulinarik lernen 😉

und nur so als Zitat des Tages:
„Der kürzeste Weg zwischen zwei Gegnern IST die Gerade!“
(Muhamed Ali)

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