Kategorien
Technik

multiples Organversagen

1 Meile vor dem letzten Anlegen der Saison hat der Motor seinen Dienst eingestellt. Ganz plötzlich und ohne Vorwarnung. Also rückblickend war da schon was: Die Leerlaufdrehzahl war deutlich niedriger als sonst und das Starten wurde immer beschwerlicher.

Am Tag nach dem Vorfall hilft mir Fritz bei der ersten Diagnose. Fritz war 30 Jahre Pannenfahrer beim ARBÖ, der kann Motorschäden am Geruch erkennen. Außerdem versucht er, Schäden von einfach auf komplex einzugrenzen.

Versuch: Zylinderkopfdichtung

Also alles anschrauben, was dem Ausbau im Weg steht, und das ist eine ganze Menge: Auspuff mit Wärmetauscher, Wasserpumpe, Hochdruck-Dieselleitungen, Rücklaufleitungen, Ölleitungen, … Dann aber ist er ab. Schaut gar nicht so schlecht aus, die Zylinderkopfdichtung. Egal, nun muss die ohnehin neu gemacht werden.

Fritz kümmert sich in den nächsten Tagen um eine Renovierung des Zylinderkopfs, ich kümmere mich um die Ersatzteile: Einen Dichtungssatz und dann auch noch die Einspritzdüsen. Dass die Glühkerzen ersetzt werden war schon klar, da zumindest eine ausgebrannt war. Fritz lässt den Zylinderkopf planschleifen, justiert den Einspritzdruck an den Einspritzdüsen und macht sonst noch so manche Kleinigkeit.

Anfang November sind wir wieder am Schiff und setzen den Motor wieder zusammen. Funktioniert sogar, ist aber an vielen Stellen undicht. Also wieder zerlegen, nachdichten, Kupferdichtungen erneuern, Schellen anziehen. Im zweiten Versuch ist er dann dicht, rumpelt aber so vor sich hin. Geschmeidiger Lauff geht anders – aber OK.

Wir machen dann Versuche mit längerem Lauf im Leerlauf – alles KO. Dann Leerlaufdrehzahl + Propeller als Belastung – auch gut. 1400 U/min – passt, 2000 U/min – passt auch. Passt ungefähr 10 min. Als zufällig Fritz wieder vorbei kommt, bleibt der Motor wieder plötzlich stehen. Shit!

Er lässt sich aber wieder starten und Fritz beginnt erneut mit der Diagnose. Zuletzt öffnet er die Ölnachfüllöffnung und den Ölmessstab. Bei beiden Stellen tritt sofort eine Fahne von Ölnebel aus. „Magst wirklich wissen, was das ist?“ – „Kolbenringe?“ – „genau“.

Naaa, i wü ned!

Das kann man recht einfach reparieren, gibt es doch ein „refit kit“ für den Motor um wohlfeile 360 €. Das könnte man ja machen, aber dazu muss der Motor aus dem Schiff – und das würde ich mir gerne ersparen.

Raus damit

Was bleibt mir übrig: Also wieder alles zerlegen, um den Motor möglichst leicht zu machen. Immerhin hat das gute Stück 130 kg. Einfach „heraus-heben“ können wir den so nicht. Mit der Abspeckmethode können wir ihn auf knapp unter 100 kg erleichtern. Dann wird einmal eine Nacht über die Sache geschlafen und dabei überlegt, wie wir das Eisentrum 3m hoch heben können.

Also der Plan ist so: Der Baum wird zur Mastspitze hin mit einem Seil abgestützt. Wäre ja blöd wenn der bricht. Dann wird ein Hebeseil so angebracht, dass es wie ein Flaschenzug wirkt und über eine Winsch gelegt werden kann. Durch den Flaschenzug ist es nur die halbe Kraft, die Winsch erlaubt kontrolliertes Heben. Ein Ende des Flaschenzugs wird in den Wagen des Unterliekstreckers eingebunden. So kann man dann den ganzen Motor auch in Längsrichtung bewegen.

Fritz operiert am offenen Herzen, doch die Blicke sind besorgt.

Soweit der Plan. Erstaunlich, aber der hat auch funktioniert. Letztendlich steht der Motor, oder das was von ihm übrig ist, am Cockpittisch. Fritz will dann natürlich sofort wissen, was alles los ist. Außerdem muss der Motor ja noch von Bord. Also ist weiteres Abspecken angesagt. Das Getriebe wird abgeschraubt und der Deckel zur Schwungmasse abgenommen. Da purzeln uns auch schon Gummiteile vom Schwingungsdämpfer entgegen. Das ist um so erstaunlicher, da der Schwingungsdämpfer offensichtlich noch nicht sehr alt ist. Zusätzlich zeigen Schleifspuren auf der Innenseite des Deckels, dass da schon einmal ein gröberer Unfall passiert sein muss. Hat sich da einmal der Schwingungsdämpfer selbständig gemacht?

Dann ist der Motor leicht genug, um ihn von Bord zu schleifen. Ein alter Bootstrailer dient dann als Werkbank für die weiteren Untersuchungen. Fritz will`s ja genau wissen und dringt immer tiefer in die Eingeweide des Motors vor. Als er die Ölwanne abnimmt erstarrt er: Da ist alles voll mit großem Metallflitter. Nicht einzelnen Spänen, sondern große Flocken – gar nicht gut, wo die wohl herkommen?

Nicht gut, gar nicht gut!! Da sollte außer einem dünnen Ölfilm genau nichts sein.

Fritz lässt nicht locker, immerhin will er die Kolbenringe sehen. Also Pleuelschrauben lösen und Kolben herausziehen. Ui, die sind aber sehr hinüber! Und dann offenbart sich die Katastrophe. Bei einem Pleuel hat sich die Lagerschale so verschoben, dass in der einen hälfte 2 Lagerschalen liegen, in der anderen dafür keine. Dort läuft das Pleuel auf der ungeschützten Kurbelwelle, die sich für diese Behandlung mit tiefen Riefen bedankt.

Beim Pleuel ganz links haben sich die Lagerschalen übereinander geschoben

Würde ich Alkohol trinken wäre jetzt ein doppelter Schnapps und eine Gedenkminute angebracht.

Gut, Ersatzteile gibt es für alles, einmal kurz im Internet nachsehen: Den Refit-Satz hatten wir schon. Da sind dann 3 neue Kolben + Kolbenringe dabei, alle Lagerschalen für Pleuel und Kurbelwelle und der große Dichtungssatz dabei. Dann ist wohl zumindest 1 Pleuel fällig. Um 75 € gibt es das, wenn es denn auch lieferbar wäre. Kuebelwelle gibt es auch, um knapp 1.000€, oder man probiert eine Nachbearbeitung, die aber auch mindestens 600 € kostet – bei unklarem Erfolg. Der Schwingungsdämpfer ist auch noch fällig. Als Nachbau hab ich den noch nicht gefunden, das wird also richtig teuer.

Insgesamt würden wir also Teile um rund 2.000 € brauchen, um einen Motor mit unklarer Geschichte neu aufzubauen. Gebraucht und serviciert mit 1.800 bis 2.500 Betriebsstunden gibt es ihn ab ca. 2500€ Klingt nach brauchbarer Alternative.

Kurz entschlossen rufe ich in England bei einem Motorhändler an. Sean hat auf seiner Homepage einen MD 2030 angeboten. „Oh sorry. We shipped this engine last week to Croatia.” – “unfortunately not to me.” – “What ship do you have, maybe I can help you” – “Dufour 37 from 2002” – “Ah, that fits: I have a D 1-30, which is the successor of the 2030 and fits exactly into the engine compartment. This engine is from 2016, but only 180 hrs in use. It was mounted in a demo-ship, which was sold recently. The new owner wanted a new engine with 5 years warranty. So I got the “old” engine for a good price. I can offer it for 4.000 £ export price. Shipment by DHL is about 450 £. And you have to pay local VAT” Alles zusammen also 6.000€ für einen fast neuen Motor, der nur 50% vom Neupreis kostet.

Klingt interessant, muss ich aber mit unserer Finanzministerin diskutieren – wobei, wirkliche Alternativen sehe ich wenige. OK, wir machen das! Bitte den Motor für den Versand fertig machen. Wohin darf ich das Geld überweisen?

Der Motor wird noch gründlich durchgecheckt, bekommt neue Filter und Keilriemen, besteht einen 2 h Probelauf und wird anschließend neu lackiert. Dann bekommt er neue Befestigungspratzen, die alten vom Saildrive passen nicht, da ich ja ein Wendegetriebe habe. Neue Gummidämpfer kommen noch dazu und die Verkabelung zum Bedienpanel, das selbst auch neu kommt wird auch noch bestellt. Dauert halt ein bisschen, aber das wird schon. Unser Ziel: Einbau ab dem 1. Dezember.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert