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Reise

Tanz mit den Wellen

Also erneut Ziel Oreoi. Der Hafen soll für „Touristenschiffe“ wie unseres gerichtet sein, ist doch der ganze Ort ein am Reißbrett entworfener Urlauberort, lauter quadratische Blöcke. Fantasielos, wie amerikanische Großstädte. Wenn der Hafen passt, soll uns das recht sein. Außerdem ist die Strecke nur kurz und wir kommen schon zu Mittag an. Das passt zu unserer Müdigkeit.

Der Hafen ist wirklich nett. Die nördliche Mole ist belegt, auch wenn einzelne Schiffe schon wegfahren. Die wäre günstig, da man mit Rückenwind anlegen könnte. Die südliche Innenmole hat den Wind „auflandig“. Dort müsste man den Anker werfen und an der auslaufenden Kette hängend in die „Parklücke“ treffen. Außerdem ist dann der Anker bei stärkerem Wind die einzige Sicherung, um nicht in die Mole getrieben zu werden.

Wir entscheiden uns für einen Platz an der südlichen Außenmole. Da haben wir den Wind von hinten, was mir das Anlegen erleichtert und können uns bequem in eine große Lücke stellen. Geht recht einfach, wird gemacht, und gelobt werden wir auch noch dafür – von Deutschen Skippern 😊. Ein Grieche mit dem typischen Namen „Wassili“ spielt den Mooring Assistant und ist Hafenmanager aus eigenen Gnaden. Er hilft beim Anlegen, verkauft gleich die Chip-Karten für Wasser und Strom, steckt die Leitungen an und stellt seine Partnerin als Eigentümerin eines Supermarktes im Ort vor. Ein Supermarkt der alles hat und alles kann. Propangas Flasche tauschen? „Ne“ – kein Problem. Wir liefern auch alles bis zum Schiff (200 m). Ein sehr netter Empfang!

Nach und nach beginnt das Hafenkino. Zuerst ein sehr alter Grieche, der sein Schiff nur digital bedient: Vollgas vorwärts / Leerlauf / Vollgas rückwärts. Vielleicht hört er im Alter den Motor nicht mehr so genau. Genau hört er aber seine Frau, die im vom Bug her Kommandos zuschreit. Die ersten Versuche im Hafenbecken misslingen mit der digitalen Methode. Also rast er mit Vollgas retour aus dem Hafen. Wassili bedeutet ihm, es doch ein bisschen ruhiger anzugehen. Und plötzlich fährt er langsam und es wird ruhig – also auch seine Frau wird ruhig – und ein einwandfreies Manöver gelingt. Wir haben also einen neuen Nachbarn. Susi erfährt dann, dass der Skipper 82 Jahre alt ist und mit seiner Bugdame schon 50 Jahre verheiratet ist. Segeln kann man also seeeeehr lange.

Die anderen Nachbarn sind 5 deutsche Männer, aus Köln, wie sie uns später erzählen, mit einer gecharterten Bavaria. Während wir dem alten Griechen beim Festmachen geholfen haben, haben die nur lässig kommentiert, aber keinen Finger gerührt. „Was gehen mich die anderen an“. Das bleibt dann auch so für den restlichen Nachmittag. Wie sich auch die anderen deutschen Crews im Hafen bei den Hilfestellungen vornehm zurückhalten. Also gute Seemannschaft ist das sicherlich nicht.

Dann kommt eine Hanse 549, ein riesen Dampfer mit 10 Mann Besatzung (18m lang), und irrt im Hafenbecken umher. Letztlich findet er einen Platz quer am Molenkopf und längsseits angelegt. Warum? Seine Ankerwinde ist kaputt. Die klingt wie eine Kaffeemaschine, bewegt den Anker aber nicht einen Millimeter. Keine gute Option in griechischen Gewässern. Die können aber wenigstens Segeln und machen das Boot so fest, dass ihm nichts passiert. Der Eigner soll dann morgen vorbeikommen und die Winde reparieren. Kann mir schon vorstellen, was da passiert ist. Ein Scherstift (ein Überlastschutz) wird gebrochen sein. Kostet keine 50 Cent, macht aber richtig Ärger.

Was aber passiert ist, dass die Luft auch heute wieder überkocht – neuerliche Gewitter. Neuerlich nicht über uns, aber es reicht, dass der Wind dreht. Das geht ja noch, aber immerhin hängen nun wir an der Kette. Genau was wir vermeiden wollten. Was aber dazu kommt ist, dass sich eine Welle aufbaut und nur unsere deutschen Nachbarn in ihrer Bavaria C45 bieten uns ein wenig Schutz. Als wir unseren Motor einschalten, um unser Heck besser von der Mole freizuhalten lächeln sie müde. „Hält doch prima“. OK, für die erste Stunde mag das gelten, dann aber gibt ihr Anker nach. Hektisch beginnen sie ihr Ablegemanöver, oder besser ihre Flucht. Nicht wahnsinnig koordiniert was da abläuft. Da kracht das Heck fast in die Mole – nur kräftige Helfer können das verhindern. Das Stromkabel wird erst im letzten Moment abgesteckt. Irgendwie haben sie die Hoffnungen mit kurzen Stößen aus dem Bugstrahlruder, das Schiff von unserem Fernhalten zu können – bei den Wellen und 20 kt auf die Seite? Never ever! So wird dann unser Dinghi zum größtmöglichen Fender, indem es zwischen den Rümpfen eingequetscht wird. Fender quietschen, Lack splittert ab – weg sind sie. Die Schäden bei uns sind marginal: Die verchromte Kappe der Fäkaltankentlüftung ist dem Poseidon geopfert – soll sein. Die Kölner haben dafür einen großen Kratzer in ihrem blauen Zierstreifen abbekommen. Jetzt treiben sie vor dem Hafen herum und beschließen nach Westen, also in Richtung der Gewitter, davon zu fahren. Na, wenn sie meinen.

Wir kämpfen inzwischen unseren eigenen Kampf: Wir sind nun ungeschützt das erste Schiff, dass die Wellen parieren muss. Motor auf 2000 U/min, fest in die Heckleinen gespreizt, die Ankerkette steif gespannt. Dennoch treibt es unseren Bug immer wieder gefährlich nahe zu den griechischen Nachbarn. Helfer am Land schlagen vor einen lange Bugleine auszubringen, ob wir denn eine sehr lange Leine haben? Haben wir, unsere 50 m Landleine, wenn’s sein muss, schwimmt die sogar. Mit einem Palstek am Ufer vertäut und an unserer Bugklampe fest gemacht. Wir stehen stabil, aber Philia ruckt und bockt in den Wellen. Dauerlösung ist das keine, aber es geht zurzeit nicht besser.

Nach fast einer Stunde werden die Wellen weniger und ein netter Grieche schlägt vor, doch auf die Innenseite der Mole zu verlegen. Bei den Wellen?!? Bei dem Wind ??? OK, der Wind ist jetzt nicht mehr schlimm und steht uns genau auf die Nase. Kann gehen. Da müsste nur jemand die lange Bugleine lösen. Das können die Helfer vom Land austun. Magdalena kann sie dann schnellstmöglich einziehen, damit sie nicht in den Propeller kommt. Außerdem schwimmt sie ja. Susi kann inzwischen den Anker hochziehen. Und ich gebe ziemlich Vollgas und fiere die beiden Heckleinen, aber so, dass es uns gegen die Wellen dreht.

Das Manöver gelingt! Nur eine kurze Schrecksekunde gibt es noch, als Susi meint, der Anker kommt nicht hoch. Jetzt eine andere Kette zu fangen – ein Horror. Aber irgendwie kommt der Anker frei und wir kontrollieren die Lage wieder. Gleich rein in den Hafen, eine Sondierungsrunde. Maßnehmen, zielen, Anfahrt auf die Lücke, Anker runter und dann die Heckleinen den Helfern, die uns vor 5 min losgemacht haben, wieder zu werfen. Fertig, wir liegen sicher.

ABsolut nicht sicher sind alle die bisher in unserem Wellenschatten gelegen sind. Die schaukeln auf und ab, dass es eine Freude ist. Ein Schiff schaukelt sogar so sehr, dass sein Mast mehrfach mit dem des Nachbarschiffs kollidiert. Zum Glück verfangen sie sich nicht. Leider ist der Skipper ein Opfer des nachmittäglichen Ouzo Konsums und genauso unbeholfen verlaufen die von ihm nun gefahrenen Manöver. Da werden beim neuerlichen Festmachen Leinen zugeworfen, die am eigenen Boot nicht festgemacht sind, weitere Schritte werden nur auf Anweisungen von außen durchgeführt, … Gut, dass der nicht neben uns liegt.

Ein Schiff nach dem anderen sucht einen Platz auf der Innenseite, bis auch die wieder gut gefüllt ist. Erst bei völliger Dunkelheit findet der Letzte, ein Schiff aus den Niederlanden, einen ruhigen Platz für die Nacht. Alle anderen lassen sich in den Schlaf rocken.

„Boat life is never boring“

Was für ein Tanz!

Leider gibt es von dem Tanz in den Wellen keine Bilder. Da hatten wir – und alle anderen am Steg einfach keine Nerven dazu.

War irgendwas?

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