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Reise

Nur mal schnell 9 Meilen

9 Meilen, das ist die Distanz von unserer Ankerbucht in den Hafen von Skopelos. Dort wollen wir heute hin, denn da wird in zwei Tagen Magdalena ankommen. 9 Meilen, was ist das schon? Unter Motor kaum 2 Stunden, unter Segel, wenn der Wind richtig weht auch nicht viel mehr. Dürfte recht ereignislos werden, dieser Tag.

Weit gefehlt!

Als wir aufwachen weht kräftiger Wind die Küste herab – OK, also segeln. Macht ohnehin mehr Spaß. Schon um 10 kommt der Anker herauf und wir fahren los. Kaum sind wir aus dem Küstenschutz, gibt es kräftige 20 bis 25 kt und Wellen bis über 1,8 m. Na, so viel haben wir auch nicht bestellt. In der als „sehr zuverlässig“ geltenden Wettervorhersage „Poseidon“ heißt es 4-5 kt. Knapp daneben, könnte man sagen.

Wir probieren also aus, ob und wie wir das segeln können. Vorsichtig wird das Großsegel heraus gekitzelt, nur so weit, bis die obere Spitze knapp über die erste Saling reicht. Komisch, irgendwie geht da gar nichts. Wie wir uns auch bemühen, wir bekommen einfach keine Fahrt ins Schiff. Also wieder retour. Neues Selbstvertrauen aufbauen und was anderes probieren: Genua raus. Auch das nur stückweise, und siehe da: Philia beginnt zu fahren. Noch ein wenig dazu und dann das Großsegel wegen der Balance dazu. Jetzt taugt es ihr und sie galoppiert davon. 5 kt –  5,6 kt  – 6,2 kt Einmal stößt sie an die 7 kt – und das bei diesen Wellen. Phantastisch! Da muss nicht viel am Ruder gedreht werden, Philia will einfach gerade aus! Mit jedem Tag gefällt uns unser Schiff besser.

Das ist trotz Schräglage und Wellen so entspannend und beruhigend, dass Susi einfällt, wie lange wir eigentlich schon keine Delphine gesehen haben. Das war bei der Abfahrt von Chalkidiki vor 3 Wochen.

Und als ob sie das gehört hätten: Ein hellgrauer Schatten schießt unter den Wellen auf uns zu. Knapp vor der Bordwand wird unsere Richtung aufgenommen und ein Delfin springt aus dem Wasser. So richtig hoch aus der Welle heraus, so dass der ganze Körper auf einmal in der Luft war und dreht in der Luft eine Pirouette, wie eine Prima Ballerina. Wo einer ist, sind auch mehrere, und rasch zeigen sich auch die. Rund herum, vor dem Schiff, seitlich links und rechts, überall tauchen sie auf und Spielen mit den Wellen und uns. Sicher so 7 bis 10 Tiere, die da ihren Spaß haben. Wir haben den auch. Und Delfinen zuzusehen ist immer eine besonderer Moment. Nach ein paar, für uns sehr langen, Minuten beenden sie die Show und ziehen weiter.

Auch wir setzen unseren Weg fort, ist ja nicht weit. Kurz vor Skopelos sind ein paar kleinere Inseln. Und wo Inseln sind, gibt es Windbeschleunigungen, den Kap Effekt. So auch da. Der Wind wird wieder stärker und, was besonders unangenehm ist, er verändert recht plötzlich die Richtung. Und dann wird aus einem Schiff, dass gut voran kommt plötzlich eines, das im Wind steht, die Segel schlagen und am Mast so stark rütteln, dass das ganze Schiff schwingt. Wir nützen die nächste windarme Zone und rollen die Segel weg. In den Hafen müssen wir ohnehin motoren, dann halt schon jetzt. Bei 20 kt gegen an kreuzen wäre ohnehin nicht so unser Ding.

Die Einfahrt zum Hafen ist riesig breit, durch die ständig ein- und ausfahrende Fähren nicht zu übersehen. Trotzdem gibt es eine Herausforderung: Flugzeuge! Die Einflugschneise führt über den Hafen, also die letzten Meter vor dem Aufsetzen. Und deshalb wurde eine Zone definiert, in die Schiffe, die höher sind als 4 m nicht einfahren dürfen – wegen der Flugzeuge! Ich weiß nicht, wo es das sonst noch in Europa gibt.

Im Hafen ist dann die Frage des Festmachens zu lösen. Bei böigen 20 kt wollen wir uns auf keine Spiele einlassen, wir ankern, seitlich neben dem Steg mit den Charteryachten, wo es niemanden stört. Also 30 m Kette auf 6 m Tiefe. Hält vorerst. Dann einfahren – hält nicht. OK kann passieren, 2. Versuch – gleiches Spiel ☹

Und jetzt? Vielleicht doch an den Steg oder die Hafenmauer? Mal sehen, wo ein Plätzchen für uns sein könnte. Ja, genau da in der Ecke neben dem Katamaran und den beiden Seglern. Schaut gut aus. Also das Schiff vorbereiten. Beiboot runter, Landleinen vorbereiten, Anker vorbereiten. Und dann mit Schmackes retour, damit uns der Wind nicht verbläst. Wir legen unseren Anker exakt im rechten Winkel zur Hafenmauer, so wie sich das gehört.

Kurz bevor wir den Katamaran erreichen, springt sein Skipper hervor: 1. Wir kreuzen seine Kette. Kein Wunder, sie liegt auch im 30° Winkel vor seinem Schiff – selbst schuld, eigentlich. 2. Auf dem Platz liegen Ausflugsboote und da darf man nur für 1-2 Stunden stehen.

Na, wir wollen keinen Krieg und treten den Rückzug an: Anker wieder hoch. Geht auch, aber nicht ganz. Sch… was ist da schon wieder los? Im Hafenhandbuch steht, dass da irgendwo eine Kette am Grund liegt. Ob wir die gefangen haben? Wir können das so nicht beurteilen. Also, so wie wir das bei der Mamma Mia Kirche gelernt haben: Ausziehen und tauchen gehen. Diesmal mit Taucherbrille und Flossen, aber auch mit laufendem Motor (!) Da ist die große Gefahr, dass man den Propeller zuschaltet. Das gibt dann ganz böse Verletzungen. Aber gut, ich bin ja beim Bug, Susi auch. Da ist einfach keiner da, der am Schalthebel ankommen könnte.

Von oben kann ich kaum was erkennen. Also ziehe ich mich beherzt an der Kette in die Tiefe. Der Anker hängt in einem Bündel von Seilen! Wenigstens keine Stahlkette. Vielleicht kann ich da was retten. Noch sind Anker und Seile stark gespannt. Bei weiteren Tauchgängen, immer nur ein paar Sekunden beim Anker, kann ich ein paar Seile von den Fluken (den beiden Schaufeln) des Ankes herunter heben. Wenn das Schiff nur einen Meter nach vorne kommt, entspannt sich der Knoten und ich kann besser arbeiten. Ich ziehe also nach vorne, der Wind drückt nach hinten. Auch da nur ein kurzes Zeitfenster, wo ich unter Wasser arbeiten kann. Aber es gelingt. Nach und nach hängen wir an immer weniger Seilen. Dann nur noch eines. Ich warne Susi, dass wir nun treiben werden, tauche ab, streife das Seil über die Spitze des Ankers. Rauf und schnell am Heck aus dem Wasser. Susi muss den Propeller einsetzen, um nicht auf andere Schiffe zu treiben. Geht sich grad so aus.

Durchschnaufen. Und was jetzt?

Susi ist aufgefallen, dass im Gelenk des Ankers Erde klebt. Vielleicht kann sich der Anker deshalb nicht ordentlich eingraben. Einen Versuch ist es wert. Wir fahren also zurück zum Schwimmsteg, suchen einen neuen Platz, Anker rein, 40 (!) Meter Kette, vorsichtiges einfahren, einfahren mit mehr Gas, Vollgas. Hält. Endlich angekommen.

Der Nachmittag wird an Bord vertrödelt, einmal ins Wasser gegangen, den Fähren und Flugzeugen zugeschaut. Kurz bevor wir von Bord gehen wollen, bekommen wir Besuch: Zwei nette Herren von der Hafenbehörde. „Im Hafen ist Ankern verboten! Und die Flugzeuge schrecken sich.“ Also das mit den Flugzeugen ist definitiv eine Ausrede, und der andere Grund ist eher, dass die Fähren nicht ihren gesamten Spielplatz für ihre Manöver verwenden können. „Wir sollen doch in die übernächste Bucht nach Westen ausweichen, dort ist viel Platz und wir können dortbleiben, solange wir wollen“.

Jetzt wird die Sache mit den Schwimmwesten klar.

Was soll man bei so viel Freundlichkeit sagen? Anker auf, und mit dem Beiboot im Wasser, in langsamer Fahrt in die andere Bucht. Wie im Gänsemarsch folgen uns 4 weitere Schiffe, die auch wegmüssen. Die Bucht ist wirklich breit und die Schiffe finden überraschend schnell und problemlos einen Ankerplatz. Fertig, heute gehe ich wirklich nicht mehr weg. Und morgen auch nicht, denn da ist Pausetag.

Waren eh nur 9 Meilen, oder?

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